Seiten

Donnerstag, 28. Februar 2008

Hölderlins ´Unerkannte´ ist seine Walküre


Friedrich Hölderlin (1770-1843) suchte seine Walküre und er glaubte sie in der Frau des Frankfurter Bankiers Jakob Gontard gefunden zu haben, dessen Kinder er als Hauslehrer unterrichtete. Doch als jener von des Hauslehrers Liebe zu seiner Frau Susette erfuhr, musste Hölderlin sehr schnell diese Stelle aufgeben.
In seinem Briefroman Hyperion hat er Susette Gontards in der Gestalt Diotimas gedacht, ebenso in einigen ergreifend geschriebenen und zum Teil mit Diotima überschriebenen Gedichten.

Wir verdanken dieser Liebe innige Worte, denn Hölderlin wusste um das ganz tiefe Geheimnis ihrer Beziehung, wenn er schreibt:


Eh ich Dir die Hand gegeben,
Hab ich ferne Dich gekannt.

Das Bewusstsein um jenes ferne Kennen der wahren, großen Liebe finden wir bei Schiller, bei Goethe, bei Novalis und seiner blauen Blume, bei E.T.A. Hoffmann, Hermann Hesse, Ödon von Horváth und einigen anderen ebenfalls wiedergegeben. Wir werden deren Ausgestaltungen über die Tiefen der Liebe peu à peu hier im Blog zur Sprache bringen.

Nach seinem letzten Treffen mit Susette-Diotima trieb Hölderlin unaufhaltsam dem Wahnsinn zu und ein gnädiges Geschick hat Sorge getragen, dass ihm der Tübinger Tischler Ernst Zimmer 36 Jahre lang - so lange lebte der aus Lauffen am Neckar stammende Dichter in geistiger Verwirrung - Unterschlupf und Pflege gewährte in jenem Hölderlinturm am Neckarufer, den man noch heute besichtigen kann.
Hölderlins hymnischer Stil ist in der deutschen Lyrik einmalig geblieben und die abendländische Literatur verehrt ihn als einen ihrer Größten.

Der studierte Theologe, der nie Pfarrer werden, sondern Dichter sein wollte und Hofmeister sein musste, wusste, dass ihm in Susette Gontard jene Frau begegnet war, die seiner Walküre gleicht.
Eine Vereinigung zweier solcher Seelen ist die wahre Ehe, von der es in der Bibel heißt:


Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.

Es ist dies die Ehe, für welche gilt: Wie im Himmel so auf Erden.
In der nordischen Mythologie sind Walküren Göttinnen angeblich eher niederen Ranges, welche die auf dem Schlachtfeld gefallenen Helden mitsamt ihrer Rüstung ins Reich der Toten führen. Insgeheim sind sie, die Walküren, weit mehr.
Hölderlin, dieser so sensitive Mensch, wusste um die Bedeutung von ihnen, sonst hätte er nicht in An die Unerkannte geschrieben, dass jene Unerkannte im Kampfe uns besänftigend den Harnisch löst. Das ist ein Bild der Walkürensprache. Walküren verkörpern das ganzheitliche, wahre Selbst in uns, dessen sich die meisten Menschen nicht mehr bewusst sind. - Es existiert außerhalb von Raum und Zeit.


Einige seiner Verse, die er seiner Diotima widmete, weisen auf jenes innere Wissen hin:

Ach! an deine stille Schöne,
Selig holdes Angesicht!
Herz! an deine Himmelstöne
ist gewohnt das meine nicht;
Aber deine Melodien
Heitern mählig mir den Sinn,
Dass die trüben Träume fliehen,
Und ich selbst ein andrer bin;
Bin ich dazu dann erkoren?
Ich zu Deiner hohen Ruh,
So zu Licht und Lust geboren,
Götterglückliche! wie du? -

Samstag, 23. Februar 2008

Friedrich Hölderlin: "An die Unerkannte"























Kennst du sie, die selig, wie die Sterne,
Von des Lebens dunkler Woge ferne
Wandellos in stiller Schöne lebt,
Die des Herzens löwenkühne Siege,
Des Gedankens fesselfreie Flüge
Wie der Tag den Adler, überschwebt?

〔. . .〕


Die, wenn uns des Lebens Leere tötet,
Magisch uns die welken Schläfen rötet,
Uns mit Hoffnungen das Herz verjüngt,
Die den Dulder, den der Sturm zertrümmert,
Den sein fernes Ithaka bekümmert
In Alcinous Gefilde bringt?

〔. . .〕

Die der Kindheit Wiederkehr beschleunigt,
Die den Halbgott, unsern Geist, vereinigt
Mit den Göttern, die er kühn verstößt,
Die des Schicksals ehrne Schlüsse mildert,
Und im Kampfe, wenn das Herz verwildert,
Uns besänftigend den Harnisch löst?

〔. . .〕

Die das Eine, das im Raum der Sterne,
Das du suchst in aller Zeiten Ferne
Unter Stürmen, auf verwegner Fahrt,
Das kein sterblicher Verstand ersonnen,
Keine, keine Tugend noch gewonnen,
Die des Friedens goldne Frucht bewahrt?

Friedrich Hölderlin (1770-1843)
(insel tb, 19)

Samstag, 16. Februar 2008

G8 - eine Fehlentwicklung auf Kosten der Kinder

Wie konnte es zu der Schulzeitverkürzung hin zu einem achtjährigen Gymnasium kommen?

I
Da war zunächst einmal das Vorgehen einer Kultusministerin namens Schavan, die das achtjährige Gymnasium durch die Hintertüre einführte, ohne dass jemals in Baden Württemberg eine wirklich öffentliche Diskussion über die Schulzeitverkürzung geführt wurde.

Hallo Frau Schavan , Ihre vielen inneren Kinder, die wohl zum Teil nie eine wirkliche Kindheit hatten und die Sie dieses Los deshalb allen Kindern aufbürden ließen, lassen grüßen!
Sie hocken nun in Berlin, und mit dem Bären, den Sie den Baden-Württembergern aufgebunden haben, lassen Sie diese nun allein. --- Ich mag Ihr intellektuelles Gerede nicht mehr hören ...


II
Und da gibt es ein bestimmtes Verhältnis zur Zeit in unserer Gesellschaft, demzufolge es galt, Jugendliche schneller als bisher markttauglich, der Wirtschaft verfügbar zu machen, denn: unsere Jugendlichen waren zu alt, verglichen mit anderen Ländern, bevor sie der Marktwirtschaft und der Forschung zur Verfügung standen.
Übrigens: Michael Endes graue Herren lassen grüßen. Wer hätte gedacht, dass Literatur so intensiv die Wirklichkeit spiegeln kann.
Mit 65 sind nunmal die Menschen verbraucht, so der offensichtliche Konsens ... Je früher sie im Beruf tätig sind, desto länger sind sie brauchbar.
Man muss das Eisen schmieden, bevor es alt wird ...

Ein Jahr später als der internationale Schnitt: das geht nicht.
Also: schneller zum Abitur ... das geht schon ... (Es lebe die Zeitsparkasse!)
Darüber entschieden haben Männer und Frauen mit verkümmerten inneren Kindern.
Was ist schon Kindheit ...
Mit der gehen wir genauso um, wie mit der Natur ... letztere haben wir schon geschafft, da werden wir doch nicht an der Kindheit scheitern ...
Dieses ganze Natürliche wie Natur, Kindheit, überhaupt Leben ... das kriegen wir schon in den Griff ...

Heute sieht, wer hinschauen will, die fatalen Folgen der Schulzeitverkürzung für Kinder und Jugendliche.
Alle am Schulbetrieb Beteiligten sind in eine Art Stress gekommen, der nicht offen zutage tritt, aber klammheimlich die Schule durchzieht. Eigentlich sollte sie einmal menschlicher werden. Nun ist die Menschlichkeit der Zeit, dem Markt und unserer wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit zum Opfer gefallen.
Weder Kindheit noch wirkliches Lebensglück haben eben eine Lobby in unserer Gesellschaft.

Die Lehrpläne können gar nicht so entrümpelt werden, dass bei unserem curricularen System ohne zusätzlichen Stress ein Jahr eingespart werden könnte. Dies ist vor allem auch deshalb unmöglich, weil im Laufe der letzten Jahre die Schule immer mehr Aufgaben übernehmen musste:
- Sie muss erzieherische Defizite in einer Gesellschaft auffangen, in der auch Erwachsene in der familiären Erziehung immer mehr ihr Ego auf Kosten ihrer Kinder leben, u.a., weil sie ihre Art von Lebensstandard halten wollen - je stärker das Ego wird, desto kälter wird das Herz (Kinder spüren das, Erwachsene oft nicht mehr);
- sie soll Kinder in die Lage versetzen, mit dem sich ständig verändernden Medienkonsum klarzukommen;
- sie muss die angemessene und gekonnte Verwendung des Computers vorbereiten, u.a. den Kindern lernen, mit Programmen zu arbeiten;
- mehr als früher wird das Gymnasium berufsorientiert ausgerichtet mit Folgen für die Lehrplangestaltung vor allem in Klasse 9 und 10 und
- sie soll einen Werteverfall kompensieren, der durch die zunehmende Säkularisierung der Gesellschaft, durch einen Verlust der ethisch-religiösen Kompetenz der Kirchen und zunehmende Gewalt in den Medien und öffentlichen Bereichen unübersehbar ist.

Zu all dem hat sie gerade im Rahmen von G 8 überhaupt keine Zeit mehr. Aber obiges und noch mehr muss in den Lehrplan hinein! Und das, wo dessen Inhalt ohnehin gekürzt werden muss. Also muss gedrückt und gestopft und gepresst und gestaucht werden. Dadurch geht noch mehr Sinn verloren; Kinder können im Grunde noch weniger verstehen, was sie alles so lernend futtern sollen. Je mehr gekürzt wird, desto mehr leidet das notwendige Hintergrundwissen darunter. Aber es gibt keinen Vordergrund ohne Hintergrund. Ohne die notwendige Basis steht alles Wissen sinnlos in einem sinnlosen Raum.
Die natürliche Reaktion bei vielen wie bei einer Überfütterung: nach der Klassenarbeit kommt alles wieder rückwärts raus. Drin bleibt wenig... fragen Sie mal Kinder nach einem Jahr, was sie noch über irgendwelche chemischen Formeln, über die Darmausgänge bei Würmern oder Taifune in Hinterindien wissen ...
Was eigentlich ein zentrales Ziel unseres Lebens sein sollte, nämlich in der Gegenwart zu leben, das vertreibt die Schule: anstatt Schulgegenwart zu gestalten, sind die meisten Jugendlichen froh über jede Form von schulfreier Zeit.
Was also fehlt der Schule, damit sie ein Ort der Begegnung mit sich selbst, mit dem Nächsten und mit bewusst gelebter Zeit wird?
Momentan ist es der Kultusbürokratie noch nicht gänzlich gelungen, die Schule zu entmenschlichen; aber sie arbeitet systematisch daran.
Dass dies nicht so schnell gelingt, liegt an dem starken Lebenswillen der Kinder und ihrem Wunsch, gesund zu bleiben ...

An das, was sich die Kultusbürokratie an Dilettantismus bei der Einführung des G8 geleistet hat, will ich hier keinen Platz verschwenden.

Die wirklich Leidtragenden dieser ganzen Entwicklung sind die Kinder ...

Es ist, als ob das, was sie in Wirklichkeit benötigen, am wenigsten eine Rolle spielt ...

Sie haben keine Lobby, also Menschen mit Herz, die wissen, was Kindsein bedeutet ...

Was tun?

Samstag, 9. Februar 2008

Osterahnen im Februar


Millionen durchsichtiger Schmetterlinge

fächeln den Frühling mir zu

Sonnenweben allüberall

Lenz der noch taumelt

bittet um sanfte Begegnung

Bis auf keuchende Jogger

nehmen alle sein Anliegen ernst

Selten sind so viele Menschen

dankbar gestimmt


Sonnengefluteter Äther

Natur auf Empfang

keine Scholle will

eine Nordseite haben


Auf atmenden Ackerkrumen

kreistanzen Elfen im Licht

Baumgruppen

Inseln des Glücks

Ahorn räkelt sich sanft

Wundern liegt in der Luft

ein Strauch lächelt
über seinen Schatten


Fenster des Waldbaldachins
sind weit zum Himmel geöffnet
Aus der Weite des Blaus
perlt sich hinein
Sonnenlicht über ahnende Zweige
hin zu vereinzelt erst
zwitschernden Vögeln


Sanftes Pochen der Welt

Sehnsucht zukünftigen Knospens

letzte Zähren des Winters

haben den Dienst nun getan

geben Raum neuer Zeit


Buchen und Kiefern am Waldrand

flüstern sich zu

kichern und winken

freuen sich über den Gruß

und raunen einander

ein Mensch hat gegrüßt


Lindes Hauchen der Luft

zärtlich liebkosendes Sein

Seligkeit sanften Beginns


Dienstag, 5. Februar 2008

Unsere Urteile, unsere Richtsprüche betreffen immer uns, unsere Schatten


"Das es so wenige genis giebt,
daran haben wohl die Schulanstalten
und selbst die Regierung schuld.
In der Schule herrscht ein Zwang, Mechanißmus
und ein Gängelwagen der Regeln.
Das benimmt den Menschen oft alle kühnheit selbst zu denken
und verdierbt die genies."


verantwortlich für Rechtschreibung und Inhalt : Emanuel Kant (1724-1804)



Kann man in der Schule im Rahmen jenes Gängelwagens von Regeln überhaupt praktizieren, was ein Nobelpreisträger fast wie selbstverständlich sagen kann:

"Wer (...) sich nicht mehr wundern,
nicht mehr staunen kann,
der ist sozusagen tot
und sein Auge erloschen."


Sorry, Albert, ´sich wundern´ steht nicht im Lehrplan, ´staunen´ auch nicht.
Was sind das auch überhaupt für Schlussfolgerungen?!
Setzen, Einstein. Note 6!

Halt! Stopp!

Der Stau, in dem wir stehen, sind auch immer WIR.
Die Schule, in die wir gingen und gehen - das sind auch WIR.
Die Politiker, über die wir lästern, die Manager, die wir brandmarken: Sie spiegeln uns und unsere Gesellschaft.
Unsere Gesellschaft, das sind WIR.
Lasst uns aufhören, über andere zu schimpfen und anderen Schuld zuzuweisen, sondern lernen, was wir ablehnen, als unsere dunklen Seiten anzusehen, ja anzunehmen.
Solange wir z.B. Rechtsradikale und kriminelle Jugendliche ausgrenzen,
solange wir sie als Geschwüre ansehen, sind sie ein Krebs im Körper der Gesellschaft.
Sie sind auch der Krebs in uns.

Wir werden so lange über das Wetter schimpfen, bis wir erkennen, dass WIR es sind, die es machen.

Unverhofft kann uns stattdessen das, was wir liebend annehmen, eine größte Hilfe werden.
Märchen wussten dies schon immer. Weisheit in ihren Worten lautet:

Ein Bauernbursche, der von einer schönen Prinzessin geträumt hat, zieht mit seinem kleinen Erbe aus, um die Schöne zu suchen. Unterwegs trifft er an einer Kirchentür auf einen Toten, der in einem Eisklotz eingefroren ist und den jeder Vorübergehende anspuckt. Er erfährt, es sei ein Weinhändler gewesen, der den Wein mit Wasser gepanscht hatte. Nun verweigere ihm der Pfarrer das christliche Be­gräbnis. Der Bursche empfindet Mitleid mit dem Sünder und stiftet seine ganze Habe für dessen Begräbnis. Als er weiter­wandert, gesellt sich ein Unbekannter zu ihm als „Reise­kamerad" und bietet ihm an, die schöne Prinzessin zu er­obern, die von einem Troll verzaubert ist. Nach vielen Kämpfen und Mühsalen, die der Kamerad alle stellvertre­tend für den Helden leistet, wird die Prinzessin gewonnen. Nach einem Jahr offenbart der Kamerad, dass er der tote Weinhändler sei, der ihm so seinen Dank abstattete, aber jetzt müsse er für alle Zeiten scheiden, denn nun riefen ihn die Himmelsglocken.
aus Religion und Tiefenpsychologie, Diesterweg, 1989


Der Schweizer Psychologe C.G. Jung nannte diesen Weinhändler, der von vielen so schnöde behandelt wird, unseren Schatten.
Im Außen treffen wir immer wieder auf jemanden, den wir verachten oder aburteilen, ohne zu wissen, dass wir in Wirklichkeit einem Teil unseres Inneren begegnen. Je harscher die Urteile über andere sind, die wir fällen, je verständnisloser wir ihnen begegnen, je intensiver wir auch andere suchen, die uns bestätigen, wie doof jener oder jene sei, desto sicherer können wir sein, dass wir einem unserer Schatten begegnet sind.

Selbst sehen wir den eigenen Schatten oft nicht, unsere Mitmenschen aber sehen ihn umso besser.
"Was regst du dich nur über deine Kollegin so auf", fragt die Frau ihre Freundin.
"Sag bloß, du findest natürlich, wie diese Ziege sich gibt, wie sie Männer anmacht, sich affektiert verhält!"
"Lass sie doch, das machen doch viele."
"Ich lass´ sie ja, aber sie nervt mich trotzdem mit ihrem dümmlichen Gehabe ... " -

Den Schatten wird man so schnell nicht los ...

Wir verstehen nun auch, warum es in afrikanischen Kulturen verpönt ist, auf den Schatten eines Menschen zu treten. - Man tritt nicht auf einen Menschen, denn: Auch sein Schatten gehört zu ihm.

Der Weinhändler im Märchen, das ist, wenn wir ihn bespucken und sein Tun gnadenlos verachten, ein Teil von uns, unser Schatten, den wir nicht annehmen wollen. - Wer hat noch nie gemauschelt oder mauschelt nicht?

Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein ... In diesem Satz der Bibel nimmt Jesus Bezug auf unsere Schatten.

In den realen Schattengestalten im Außen, u.a. also Menschen, mit denen wir Schwierigkeiten haben, spiegeln sich Seelenanteile unseres Inneren, die aufgetaut werden wollen, transformiert, erlöst.

Solange dies nicht geschieht, sind wir der Prinz, der Dornröschen, sein eigenes Höheres Selbst, erlösen will. Doch bleibt der Prinz, bleiben wir in der Dornenhecke hängen. Viele Prinzen verenden dort, nachzulesen im Dornröschen der Gebrüder Grimm.

Die Dornen, das sind unsere stechenden Urteile, unsere richtenden Sprüche.
Was wir über andere sagen, betrifft immer auch uns!

Für mich liegt deshalb eine der größten Weisheiten der Bibel in der Aussage:

Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet.

Wir richten uns immer selbst! Es ist immer unser jüngstes Gericht.
Indem wir den Weinhändler einfrieren, erfrieren zunehmend wir selbst.
Mit ihrem Urteil über die Bibel verstellen sich im Übrigen viele den Zugang zu diesen Wahrheiten ...

... solange, bis jener Prinz kommt, jenes Bewusstsein, das der Mythos Parzival nennt.
Er kann den todkranken Gralskönig Anfortas erlösen; doch das ist eine andere Geschichte.

Nur: Anfortas - das sind wir. Unser krankes Bewusstsein.
Unser Gängelwagen.

Richtig verstanden - also ohne ständiges Urteilen, Werten, Lamentieren - kann Letzterer uns dennoch zum Blütenmeer führen. Das ist die Botschaft der Märchen:
Wer wirklich sucht, der findet,
denn
als der Königssohn sich der Dornenhecke näherte, waren es lauter große, schöne Blumen, die taten sich von selbst auseinander und ließen ihn unbeschädigt hindurch, und hinter ihm taten sie sich wieder als eine Hecke zusammen.