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Mittwoch, 26. August 2009

"Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort" und "Eure Rede sei Ja, Ja, Nein, Nein" - Worte von Rilke und Jesus



Gerade in Wahlkampfzeiten erinnert man sich solcher Aussagen, wie Rilke und Jesus sie formuliert haben.

Was werden tagtäglich Worte gerade auch momentan in den Medien produziert, die, würden wir sie sehen können, sich krümmen unter der Last der Halbwahrheiten und Lügen.
Schade, dass wir nicht die Fähigkeiten manches Blinden haben.

Ich glaube mich an eine Stelle in Jacques Lusseyrans Buch Das wiedergefundene Licht zu erinnern, wo dieser Blinde die Stimme eines Politikers hört und sagt: Hört ihr denn nicht, dass er lügt?
Ich unterstelle das keineswegs jedem Politiker, es ist mir wichtig, das zu betonen, doch wenn ich eine Fernsehrunde von Politikern sehe, empfinde ich es als schrecklich, wie verbogen die meisten für mich sind; manchmal glaube ich zu spüren, dass sie selbst nicht glauben, was sie sagen.

Könnten wir nicht einfach Wahlkämpfe bleiben lassen, damit weniger gelogen und geheuchelt wird?

Leider ist es nicht so wie in jener Geschichte, wo jeder, der lügt, an die Decke fliegt.
"Die Renten sind sicher." - "Mit uns keine Steuererhöhung." - Welch Deckenbelustigung wäre das.

Rilke fürchtet sich deshalb zu recht, weil jede Lüge die Macht der Unwahrheit auf der Erde verstärkt und die Wahrheit einen immer schwereren Stand hat.
Er meint seine Aussage aber in noch einem ganz anderen Sinn, einem Sinn, den viele schon lange nicht mehr wahrnehmen:
Dieser sensible Dichter weiß um Wert und Wirkung jedes Wortes. Jedes klingt für sich, jedes hat Bedeutung. Und nur, wenn wir in der Lage sind, Worte klingen zu lassen, finden sie ihr Recht in uns und wir finden die in ihnen innewohnende Bedeutung, Wirkung, Energie.
Über die Worte dringen wir zu der Bedeutung der Dinge an sich vor; das ist ein möglicher Weg, zu ihnen zu gelangen.

In der letzten Strophe des angesprochenen Gedichtes trägt Rainer Maria Rilke dieser Tatsache Rechung, indem er schreibt:

Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an, sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.

In der griechischen Mythologie entspricht die Seele des Menschen einem Schmetterling; so zart, möchte diese Kultur zum Ausdruck bringen, ist die Seele; geht vorsichtig mit ihr um!
Im Grunde ist es mit den Worten dasselbe.
Rilke weiß um diese Gefahr, gerade auch in der Liebe, wenn er in seinem Lied, von Liebe beseligt, fragt:

Wie, wenn wir diese Pracht
ohne zu stillen
in uns ertrügen?

Weiß er doch um jene Gefahr der Worte, die er gleich im Anschluss so formuliert:

Sieh dir die Liebenden an,
wenn erst das Bekennen begann,
wie bald sie lügen.

All das darf uns eine Mahnung sein, Worte nicht zu verschleudern, sondern bewusst mit ihnen umzugehen, damit wir beitragen zum Wert des Wortes, zum wahren Wort.

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