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Freitag, 19. August 2011

Das Ewig-Weibliche war zu Beginn - Homerischer Hymnus über die Allmutter Erde

Wenn man - wie auch im letzten Post - die lächelnde Madonna von Lauter sieht, dann glaubt man in ihr Züge zu sehen, die man mit dem Ur-Weiblichen, Ur-Mütterlichen in Verbindung bringen kann.



Manche der zahlreichen, zum Teil zwei- oder dreitausend Jahre alten Figuren aus allen Teilen der Erde, die die Große Mutter abbilden, zeigen diese Körperbetonung, aber auch durchaus vergleichbare Gesichtszüge, ich denke nur an die nunmehr 4000 Jahre alte Abbildung der ägyptischen Göttin Isis, wie sie ihrem Sohn Horus die Brust darreicht. Allerdings finde ich den Frieden, die Sanftheit, die Liebe, die diese Madonna von Lauter ausstrahlt, schon sehr einmalig. Und natürlich ist Marias Gewand, ihr Haar, ihr Diademband, ihr Kopftuch und manches mehr mit Liebe bis ins Detail gestaltet, deutlich mehr, als das bei den vorzeitlichen Skulpturen und Plastiken der Fall ist, die - eine Frage des Bewusstseins - nur eher elementare Konturen geben können.

Manchen Männern, insbesondere denjenigen, die sich vor allem über ihr Geschlecht definieren, mag es nicht gefallen, dass es nach der Überzeugung führender Ethnologen, Religionswissenschaftler und Kulturpsychologen - ich nenne hier beispielhaft Mircea Eliade und Erich Neumann - kaum abzustreiten ist, dass es in vielen Kulturen offensichtlich ein - um es mit Goethe zu sagen - Ewig-Weibliches gab vor einem Ur-Männlichen. Es ist Gaia, die Erde, die in der griechischen Mythologie den Himmel als ihren Göttergatten erschafft und es ist diese Gaia, auf die wir schauen müssen, wenn wir über die weibliche Seite Gottes sprechen. - Darüber wird ein andermal mehr zu schreiben sein.

Bevor ich mich Homer zuwende, möchte ich noch für die- oder denjenigen, der Interesse hat, auf indianische Kulturen verweisen und wie sehr sie verwoben sind mit der Erde als ihrer Mutter. Vergessen wir nicht: Im Sinne der Griechen und der Indianer ist Gaia, ist die Mutter Erde mehr als die Göttin dieses Planeten. Sie ist ein kosmisches Prinzip, ein kosmisches Wesen.

Wir lesen bei Homer - jenem Dichter, den man zwischen 850 und 1200 vor Christus datiert - in seinem 30. von 33 bekannten Hymnen über die Allmutter Erde:


Die Erde will ich besingen, die Allmutter, die fest begründete, die älteste aller Wesen. Sie nährt alle Geschöpfe, alle, die auf der göttlichen Erde gehen, alle, die in den Meeren sich regen und alle, die fliegen. Von ihrer Fülle leben sie alle. Dir, o Herrin, entsprießen gute Kinder und gute Ernten, du hast Gewalt, den sterblichen Menschen Leben zu geben oder zu nehmen. Glückselig ist, wen du wohlwollend ehrest. Im Überfluss wird ihm alles zuteil. Das fruchtbare Land ist mit Getreide überladen, die Wiesen bedeckt mit Vieh, das Haus ist mit allem Trefflichen versehen. In der Stadt voll rechtschaffener Frauen herrscht man nach dem Gesetz, begleitet von Reichtum und Glück. Fröhlich frohlocken die Kinder, junge Mädchen, die Hände voll Blumen, springen frohgemut über die Blüten der Felder. Erhabene Göttin, solches genießen, die dich ehren, freigebige Gottheit.
Sei gegrüßt, Mutter Erde, Gattin des gestirnten Himmels. Spende gütig zum Lohn für mein Lied herzerfreuende Nahrung. Ich aber will nun deiner und anderen Sanges gedenken.
aus Christoph Einiger, Die schönsten Gebete der Welt
zu finden ebenso in Mircea Eliades Geschichte der religösen Ideen  

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