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Mittwoch, 28. Dezember 2011

Das Herz kann denken, der Kopf aber kann nicht lieben ...

Im uralten Streit zwischen Herz und Verstand bringen es Kopfmenschen in der Regel zustande, dass sie Kopf gegen Herz ausspielen, einen Gegensatz aufbauen, Herz und Kopf einen Krieg führen lassen, den es gar nicht geben muss.
Wer will kopflos herumlaufen?
Wer will herzlos herumlaufen?
Niemand.
Niemand will das ein oder andere.
Sollte man meinen. Stimmt aber nicht.

In unserer Gesellschaft ist es so, dass Herzlosigkeit willkommen ist, denn sie ermöglicht die Durchsetzung menschenverachtender Ziele (meistens werden sie als ökonomisch notwendig ausgegeben). Herzlosigkeit ermöglicht, dass Geld die Welt regiert, dass Geld, wie es Claire Zachanassion in Dürrenmatts Besuch der alten Dame demonstriert  und formuliert, die Welt zum Bordell macht.

Wir leben in einer Zeit, die genau das dokumentiert. Es geht kaum mehr um anderes als um den Euro.
Alles ist eurotisch. Neurotisch eurotisch.
Eurotisch erotisch. Zwanghaft e(u)rotisch.

Kopflos dagegen darf man in unseren Gesellschaften nicht sein; das wird sanktioniert.

Kopflosigkeit fällt auf.
Herzlosigkeit nicht; sie ist die Norm.
Dabei kann eigentlich das Herz mehr als der Kopf. Das Herz kann denken; ja, es gibt ein Herzdenken. Der Kopf aber kann nicht lieben.
Nur, wenn ich so schreibe, dann genau werte ich. Und das tut weder dem Herzen noch dem Kopf gut.
Dann wird der Kopf aktiv, aber wie ...
Außerdem brauche ich ihn in der Schule, wenn ich in Ethik mit meinen Schülern Kant lesen muss. Den kann man nur mit dem Kopf verstehen; mein Herz legt auf ihn keinen Wert. Aber es sagt ja, um des lieben Friedens und Lehrplans willen.
Kant war ein großes Kind seiner Zeit. Seine Studenten liebten seine Vorlesungen. Aber er war hochneurotisch. Heute hätte man ihm die Bachblüten Crab Apple und Rock Water empfohlen; wenn er sie genommen hätte, hätte er manches nicht geschrieben; und vieles anders.

Lassen wir Herz und Verstand Bruder und Schwester sein.

Für mich gehören Herz und Verstand zusammen. Ich sehe keinen Gegensatz, keinen Streit.
Ich brauche manchmal den Kopf, um mein Herz zu verstehen.
Mein Herz warnt mich vor Menschen, mein Kopf sagt mir warum.
Mein Herz lässt mich Wege gehen, die ich nicht verstehe; dann frage ich meinen Kopf.
Und je mehr sie Hand in Hand gehen, desto mehr kann auch mein Kopf mein Herz mir verständlich machen.
Herzwege lassen mich manchmal kreuz und quer gehen, rückwärts und vorwärts. Wenn es gut geht, kann mir mein Kopf erklären, dass ich kreuz und quer gegangen bin, um jemandem aus dem Weg gehen zu können, rückwärts, weil auch mein Schicksal seine Zeit braucht und ich manchmal Zeit scheinbar verlieren muss, um ein Ziel zu gewinnen.

So ist das Herz.
Mein Herz, mein Löwe. Da stimme ich Ricarda Huch zu, die genau das gesagt hat.
Ohne den Löwen im Außen gäbe es in unserem Inneren kein Herz.
Deshalb ist der Löwe der König der Tiere.