Seiten

Dienstag, 27. November 2012

Wir sehen nur 5 Prozent des Alls – 95 % sind dunkel!

Diese Tatsache ist nicht neu, aber dennoch höchst interessant, ganz einfach deshalb, weil sie mich darüber spekulieren lässt, ob wir auch unser Bewusstsein im Verhältnis zum Unbewussten überschätzen.
Wie oben so unten, lässt uns Hermes Trismegistos wissen und aus der Bibel kennen wir mehrfach das Wie im Himmel so auf Erden.  – Die Griechen sprachen vom Mikrokosmos, dem Menschen, und dem Gott Anthropos (anthropos bedeutet übersetzt Mensch) und meinen damit das göttliche Wesen des Menschen, eben den Makrokosmos, das All. Auch für sie bestand eine unmittelbare Korrespondenz zwischen beiden, dem kleinen Kosmos Mensch, dem Mikrokosmos, und dem großen Kosmos Gott-Mensch, dem Makrokosmos.

Bisher nahmen wir an, dass das Unbewusste zum Bewussten in einem Verhältnis von 70 zu 30 oder von 80 zu 20 Prozent besteht. 
Ist auch dieses für viele schon erstaunliche Verhältnis noch zu hoch gegriffen zu Ungunsten des Bewusstseins?
Ist unser Bewusstsein in Wirklichkeit noch geringer?
Ist das Verhältnis von Bewusstem zu Unbewusstem gar 5 % zu 95 %?

Wir wissen heute, dass der Kosmos entgegen aller Erwartungen sich ausdehnt. Ursprünglich hatte man angenommen, dass die gegenseitige Anziehung der Materie die Ausdehnung des Kosmos langsam abbremst. Doch er expandiert immer schneller – und niemand weiß, warum.

Und wir wissen auch wenig über jene Dunkle Materie und jene Dunkle Energie, die die Astronomen so in ihren Bann ziehen und über die sie nur Rückschlüsse ziehen können, weil sie ganz offensichtlich auf die sichtbare Materie einwirken.
Dunkle Materie ist ein unsichtbarer Stoff, der Licht jedweder Art weder aussendet noch absorbiert. Nachweisbar ist sie nur durch die Auswirkungen ihrer Anziehungskraft auf Galaxien und Galaxienhaufen. Noch mysteriöser ist die dunkle Energie, von der vermutet wird, dass sie eine Art Anti-Gravitationskraft erzeugt, die die Galaxien im ganzen Universum immer schneller auseinandertreibt. (ESA Kids, 27. 12. 2012)
Was die Astronomen erforschen, ist nicht nur Naturwissenschaft pur, denn sie betreiben zugleich Bewusstseins-Forschung. Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften hängen enger miteinander zusammen, als wir ahnen.
Oder können wir nicht beobachten, dass zwei chemische Elemente ganz eng miteinander verknüpft sein können! Manchmal tritt ein drittes hinzu, und die enge Verbindung löst sich zugunsten einer anderen, neuen; dann auf einmal vertragen die zwei, die vorher eng aneinander bandelten, sich überhaupt nicht mehr ...
Ist es in menschlichen Beziehungen nicht auch so? Da sind zwei liiert, ein Paar, und dann tritt eine Frau oder ein Mann in das Leben der beiden, und alles konstelliert sich neu ...

Bis zur kopernikanischen Wende dachte man, die Erde sei der Mittelpunkt des Alls, bis man erkannte, dass unter den ca. 100 Milliarden Sternen unserer Galaxie, der Milchstraße, unsere Sonne ziemlich an ihrem Rand liegt und wir auf der Erde nicht einmal ein Stern, sondern "nur" ein Planet sind, allerdings ein sehr schöner! Und unsere Galaxie ist ja nur eine von 20 innerhalb des Galaxienhaufens, zu dem wir gehören  und der sich Lokale Gruppe nennt. Und dieser ist nur einer von zigtausenden ...

Vielleicht ist es aber noch einmal anders:
Vielleicht ist jeder Mensch der Mittelpunkt des Alls.
Immer ist ein menschliches Bewusstsein ein Mittelpunkt des Alls ...

Wir sehen, soweit das Auge reicht.
Wobei wir mit den inneren weiter sehen als mit unseren physischen Augen.
Falls wir an ein inneres Auge glauben ...
Sehen können wir unsere inneren Augen ja nicht – wir können nur an sie glauben.
Wobei wir bekanntlich nur mit dem Herzen wirklich gut sehen.
Das Herz aber will glauben.
Ein Herz ohne Glauben ist wie ein ausgetrockneter Salzsee.
Solche Salzseen haben eine wahnsinnige Sehnsucht nach Wasser.
Nach dem Wasser des Lebens ...

In Uganda kann man wegen Homosexualität noch getötet werden. – Mit Hilfe von AVAAZ.org die Stimme dagegen erheben.

Wer möchte, möge unterzeichnen; der Link unten führt auf die AVAAZ-Seite. 
Ich denke, es ist eine Frage der Menschlichkeit, seine Stimme mit zu erheben; wir gehen ja kein Risiko ein, helfen aber Menschen, die riskieren, ihr Leben zu verlieren – das Wertvollste, was wir alle haben.
Hier die AVAAZ-Deklaration: 
An den ugandischen Präsidenten Museveni, die Mitglieder der Gutachterkommission und Geberländer:

Wir stehen den Bürgern in Uganda zur Seite, die ihre Regierung dazu aufrufen, das Anti-Homosexuellen-Gesetz ein für alle Mal zurückzuziehen und die universellen Menschenrechte zu verteidigen, die in der ugandischen Verfassung verankert sind. Wir rufen die politischen Führungskräfte in Uganda und Geberländer dazu auf, sich uns anzuschließen, die Verfolgung abzulehnen und Gerechtigkeit und Toleranz aufrechtzuerhalten
Link: http://www.avaaz.org/de/uganda_stop_gay_death_law/?tWFmsdb 

Letztes Mal wurde – so schreibt AVAAZ – unsere weltweite Petition gegen die Todesstrafe für Homosexuelle dem Parlament überreicht und hat in den Nachrichten genug Druck ausgeübt, um das Gesetz monatelang zu blockieren. Als eine Boulevardzeitung 100 Namen, Photos und Adressen von verdächtigten Homosexuellen veröffentlichte, unterstützte Avaaz daraufhin einen Gerichtsprozess gegen die Zeitung und gewann! Gemeinsam sind wir immer wieder für die Homosexuellen in Uganda eingetreten -- nun brauchen sie uns mehr denn je. 
Hoffnungsvoll und entschlossen, 
Emma, Iain, Alice, Morgan, Brianna und der Rest des Avaaz Teams

PS Zum Zeitpunkt der Post-Veröffentlichung hatten bereits 939 245 Menschen aus aller Welt unterzeichnet - super! 

Sonntag, 25. November 2012

Ein Fruchtwasser-Gespräch zweier Zwillinge ... Übrigens: Auch unser Tod ist eine Geburt ... ! – Homer, Hesse und Momo wussten darum!

Beim Frühstück habe ich eine klasse Geschichte im Radio gehört und ich denke, der SWR und Pfarrer Thomas Drumm aus Herschweiler-Pettersheim, der im Rahmen der Sonntagsgedanken diese Geschichte erzählte, werden nichts dagegen haben, dass ich sie veröffentliche, wie ich das bisweilen tue, wenn ich etwas höre, was mich berührt.

Dieses Gespräch finde ich deshalb genial, denn es könnten genauso zwei Menschen führen und sich dabei über das Leben nach unserem so genannten Tod unterhalten.

Nun aber erst einmal die Geschichte der beiden Zwillinge vor der Geburt, ein Fruchtwasser-Gespräch sozusagen:


„Ist es nicht schön, dass wir leben?", fragte eines Tages das Mädchen. „Wunderschön", meinte der Junge und plantschte mit seinen Händchen durch das Fruchtwasser, so dass es kleine Wellen schlug. „Ist dir schon aufgefallen, dass wir uns verändern und immer größer werden?", fragte der Junge . „Ich glaube, das bedeutet, dass unser Aufenthalt in dieser Welt bald zu Ende sein wird", meinte das Mädchen . „Wie meinst du das?", fragte der Junge, „du glaubst doch nicht etwa an ein Leben nach der Geburt?" „Doch, ich glaube daran", antwortete das Mädchen. „Ich meine: Unser Leben hier ist dazu gedacht, dass wir wachsen und uns auf das Leben nach der Geburt vorbereiten, damit wir stark genug sind für das, was uns dort erwartet." „Blödsinn", erwiderte der Junge, „warum machst du dir darüber Gedanken? Hier ist es doch schön. Es ist warm. Und wir haben alles, was wir brauchen. Und außerdem haben schon viele diesen Mutterschoß verlassen. Keiner von ihnen ist zurückgekommen. Nein, ein Leben nach der Geburt gibt es nicht." Das Mädchen gab nicht nach: „Ich meine, es muss mehr geben als diesen dunklen Ort. Es muss doch anderswo etwas geben, wo Licht ist und man sich frei bewegen kann. Vielleicht werden wir ja herumlaufen und mit dem Mund essen?" „Herumlaufen. So ein Unsinn!", lachte der Junge, „das geht doch gar nicht. Und mit dem Mund essen. So ein Quatsch! Es gibt doch die Nabelschnur. Die ernährt uns. Wie willst du mit der herumlaufen? Die ist doch viel zu kurz. Ich sage dir: Wenn wir hier aus dieser schönen Welt im Bauch heraus müssen, dann ist alles aus. Wenn uns jemand die Nabelschnur durchschneidet, werden wir tot sein." „Ich weiß ja auch nicht genau, wie das Leben nach der Geburt aussieht", sagte das Mädchen, „aber spürst du nicht auch ab und zu diesen Druck? Manchmal tut es richtig weh. Ich glaube, dieses Wehtun bereitet uns auf einen anderen Ort vor, wo es viel schöner ist als hier und wo wir unsere Mutter sehen werden von Angesicht zu Angesicht. Das wird bestimmt ganz aufregend sein." „Mutter?", fragte der Junge spöttisch, „du glaubst doch nicht etwa an die Mutter! Ich habe noch nie eine Mutter gesehen. Wo soll die denn sein?" „Na hier, überall um uns herum. Wir sind in ihr und wir leben durch sie. Ohne sie könnten wir gar nicht sein. Manchmal, wenn du ganz still bist, kannst du sie singen hören, oder spüren, wenn sie unsere Welt streichelt." „Ich glaub nur das, was ich seh", meinte der Junge trotzig.Aber dann kam der Moment der Geburt. Die Zwillinge haben ihre Welt verlassen und die Augen geöffnet. Was sie da gesehen haben, hat ihre kühnsten Träume übertroffen.

Solch ein Gespräch über das Leben nach unserem Leben könnten auch hier und jetzt zwei Menschen führen.
Und es könnte ganz ähnlich verlaufen.

Für manche ist auch der Tod und was danach kommt ein dunkler Ort.
Und manche sagen: Ein Leben nach dem Tod gibt es nicht ... Eine Mutter, die uns da empfängt, die gibt es nicht.
Doch auch nach unserem Tod wird uns eine Mutter empfangen, die es schon jetzt gibt. – Homer wusste vor Jahrtausenden davon, weil es diese Mutter schon immer gab und gibt.

Und man kann sie auch hier, in unserem Leben hören und die, die mit ihr zusammen leben, wie wir im Steppenwolf lesen können.

In einer wunderbaren Geschichte, die ich kürzlich las, über eine Bachstelze, die Rotkehlchen füttert, spielte die Stille eine bedeutsame Rolle, denn sie führte zu allem wundersamen Geschehen.

Und auch Momo weiß darum. Wenn wir still sind und in die Stille zu hören vermögen, hören wir die Unsterblichen, unsere Mutter, eine gewaltige Musik und vielleicht noch viel mehr, von dem wir nichts ahnen:




Ohr-Skulptur im Schlosspark zu Aschach


Momo hörte allen zu, den Hunden, Katzen, den Grillen und Kröten, ja sogar dem Regen und dem Wind in den Bäumen. Und alles sprach zu ihr auf seine Weise. An manchen Abenden, wenn alle ihre Freunde nach Hause gegangen waren, saß sie noch lange allein in dem großen steinernen Rund des alten Theaters, über dem sich der sternenfunkelnde Himmel wölbte, und lauschte einfach auf die große Stille. Dann kam es ihr vor, als säße sie mitten in einer großen Ohrmuschel, die in die Sternenwelt hinaushorchte. Und es war ihr, als höre sie eine leise und doch gewaltige Musik, die ihr ganz seltsam zu Herzen ging.


Wenn wir nur nicht den Geburtskanal hin zu diesem Leben nach dem Leben so eng sehen ... Dann kann auch jetzt schon unser Leben viel weiter sein. Denn was dort in diesem Land und Leben sein wird, ist auch schon hier zugegen.

Donnerstag, 22. November 2012

Denk es, o Seele! – Gedanken zum Totensonntag: der Tod als mögliche Gewinnausschüttung.

Es ist ein Kennzeichen unsrer Kultur, dass das Mensch, werde wesentlich des Angelus Silesius sie seit Jahrhunderten wie ein roter Faden durchzieht. Er zeigt sich auch in der aktuellen ARD-Themenwoche. Aber letztere ist zu einer lobenswerten Ausnahme geworden, denn so seelisch und geistig flach wie zu Beginn des dritten Jahrtausends hat unser Kulturkreis selten gelebt. 

Das Goldene Kalb lässt grüßen

Ganz offensichtlich hängt das Wohlbefinden der Menschen von den Börsendaten ab. Sie inclusive ifo-Geschöftsklimaindex, die Arbeitslosenzahlen, die Eurokrise, der Wetterbericht und anfallende Katastrophen sind es, was die Menschen bewegt. Und an der Energiewende - Fukushima ist in Europa schon Schnee von gestern - interessiert höchstens noch, dass sie teurer zu werden scheint, als man annehmen wollte, und dass die Konzerne einmal mehr die Gunst der Stunde nutzen, um ihre Gewinne zu multiplizieren.
Und junge Menschen werden immer mehr dazu hingetrieben, dass ein Leben als Star besonders lohnenswert ist. Immer mehr rückt Äußerliches in den Vordergrund; und das Schlimme ist, dass Erwachsene um des Mammon willen Jugendliche in eine falsche Bewusstseinshaltung treiben. – Hauptsache, Quote und Kasse stimmen!
Das goldene Kalb lässt grüßen!

Moralische Instanzen fehlen!

Wie wertvoll wäre es, wenn ein Bundespräsident oder eine Bundeskanzlerin ...

Fortsetzung dieses Post inclusive Anmerkungen zu Mörikes Denk es, o Seele!  hier

Dienstag, 20. November 2012

Eine endlich andere Definition von Wohlstand: Kinder, die gedeihen dürfen, Alte, die nicht vereinsamen müssen ...

In Leben im Goldenen Wind, dem Buch des ehemaligen Topmanagers Professor Erhard Meyer-Galow, macht jener auf die Gedanken des Soziologen und Philosophen Meinhard Miegel, geboren 1939 in Wien, aufmerksam, die auch so sehr meinen entsprechen, dass ich weniges zwar, aber durchaus Interessantes wiedergeben möchte, fordert Miegel doch in seinem Buch Epochenwende eine radikale Neuausrichtung der europäischen Wirtschafts- und Sozialpolitik und damit eine grundlegende Neubestimmung von Wachstum und Wohlstand, mithin eine Abkehr von quantitativem Wachstum, der - so geht es jedenfalls mir -, hört man die Nachrichten, doch fast einzig und allein zum Kriterium unseres Wohlergehens gemacht wird. Man beachte nur, welchen Stellenwert mittlerweile die Börsennachrichten und die täglichen Schalten auf das Börsenparkett einnehmen.
Sklavisch scheinen Öffentlichkeit und Politiker an den Zahlenmündern zu hängen, die halbe oder ganze Prozentpunkte an Wachstum und Fortschritt zu verkünden haben, damit die Nation befreit und leicht atmen kann. Es lebe das Bruttosozialprodukt!

Welch ein Irrtum, wissen wir doch eigentlich, dass zwar jedes 5. Kind in Deutschland übergewichtig ist, aber jedes 4. ohne Frühstück in die Schule muss und 2,5 Millionen Kinder bei uns unter der Armutsgrenze leben. Wir wissen auch, dass Merkel und Co. weiß Gott wenig bis nichts tun, um die zunehmende Armut immer breiterer Bevölkerungsschichten in Deutschland zu verhindern, und das, obwohl längst klar ist, dass der Zug unerbittlich in Richtung Alters-Pyramide fährt.

Die Amerikaner haben ihr Geld in die Kriege in Afghanistan und den Irak investiert; nunmehr wird bei jeder Katastrophe sichtbar, dass ihre Infrastruktur längst kaputt ist und verschwiegen wird, dass diese Nation im Grunde pleite ist; dass dies noch so wenig öffentlich wird, liegt daran, dass die Ratingagenturen von Amerikanern betrieben werden und deren Mitarbeiter offensichtlich noch keine Lust haben, nach China umzuziehen.
Deutschland investiert sein Geld in Griechenland. Das ist besser als in einen Krieg, aber genauso verloren.

Schon bevor dies alles so deutlich kulminierte, forderte Miegel eine kreative, haushälterische Ausschöpfung unserer geistigen, kulturellen und materiellen Ressourcen:

"Nicht sinnleere Expansion, sondern Rückbesinnung auf die Tugenden der Beschränkung und des Ausgleichs ist das Rezept für die stagnierenden westlichen Gesellschaften, wenn sie die Zukunft gewinnen wollen."

Das bedeutet allerdings auch, dass wir andere Leute an der Spitze unserer Staates bräuchten als Merkel und vor allem Schäuble, den Dinosauriern eines veralteten Wohlstandsdenkens. – Meinhard Miegel weiß:

"Wohlstand, das sind künftig Menschen, deren Lebenssinn über das Anhäufen materieller Güter hinausgeht; das sind Kinder, die körperlich und geistig gedeihen können; das sind Alte, die nicht vereinsamen; das sind viele Gebrechliche und Altersdemente, die menschenwürdig leben. Wohlstand, das ist mitmenschlicher Zusammenhalt. Zwar kann und wird das nicht alles sein. Aber ohne diese neue Qualität des Wohlstands sind rapide alternde, zahlenmäßig schwindende und abnehmende dynamische Gesellschaften trotz materiellen Wohlstands arm."

Gott sei Dank, dass dies jemand so klar ausspricht; jedenfalls habe ich es noch nie so klar gehört oder gelesen.

Meyer-Galow zitiert noch aus Miegels neuestem 2010 erschienenen Buch EXIT - Wohlstand ohne Wachstum, und auch diese Gedanken finde ich so wichtig, so wertvoll:

"Eigentlicher, menschenspezifischer Wohlstand – das ist, bewusst zu leben, die Sinne zu nutzen, Zeit für sich und andere zu haben, für Kinder, die Familienangehörigen, Freunde. Eigentlicher, menschenspezifischer Wohlstand – das ist Freude an der Natur, der Kunst, dem Schönen, dem Lernen, das ist gelegentliche Stille, das ist sinnenfroher Genuss, das ist die Fähigkeit des Menschen, mit sich selbst etwas anfangen zu können. Eigentlicher, menschenspezifischer Wohlstand, das ist nicht zuletzt Revitalisierung der spirituell-kulturellen Dimension des Menschen, die durch das Streben nach immer größeren Gütermengen weithin verkümmert ist. Dass er nicht allein vom Brot allein lebt, weiß der Mensch seit langem. Aber die explosionsartige Zunahme von Brot und anderen – mehr oder weniger lebenswichtigen – Gütern hat namentlich in den früh industrialisierten Ländern dieses Wissen nicht selten verschüttet. Dies zu erkennen wird der große Paradigmenwechsel dieses Jahrhunderts sein - oder dieses Jahrhundert wird scheitern."

Samstag, 17. November 2012

"Ich habe Liebe in die Welt gebracht" – Else Lasker-Schülers "Gebet".

Eine faszinierende Frau ist sie immer gewesen, viele haben sie in dem Berlin der Weimarer Zeit gekannt – und doch blieb sie den meisten unbekannt. Zweimal war sie verheiratet und zweimal schied sie sich, zweimal wurde sie von Hitler verbannt, dreimal reiste sie nach Jerusalem, von wo sie, die Jüdin, beim letzten Mal nicht mehr zurückkehren konnte und herz- und heimwehkrank starb, 1945.
Eine Frau, unangepasst und exzentrisch, die an niemandes Tisch sitzen wollte und deshalb - kein Wunder - auch den heute unbekannten Dichter Peter Hille verehrte, ein Obdachloser aus Überzeugung, der seine Werke mit sich herumtrug, um die heute niemand mehr weiß.
Exzentrisch war sie für Menschen auch deshalb, weil sie Liebe lebte und von Liebe sprach, wie es selten in der Literatur zu lesen ist, so in ihrem Gedicht Orgie:

Der Abend küsste geheimnisvoll
Die knospenden Oleander.
Wir spielten und bauten Tempel Apoll
Und taumelten sehnsuchtsvoll
Ineinander.
Und der Nachthimmel goss seinen schwarzen Duft
In die schwellenden Wellen der brütenden Luft,
Und Jahrhunderte sanken
Und reckten sich
Und reihten sich wieder golden empor
Zu sternenverschmiedeten Ranken.
Wir spielten mit dem glücklichsten Glück,
Mit den Früchten des Paradiesmai,
Und im wilden Gold Deines wirren Haars
Sang meine tiefe Sehnsucht
Geschrei,
Wie ein schwarzer Urwaldvogel.
(...) 

Zu ihr gehörte, dass sie das Band der Liebe um die ganze Liebe zu binden suchte, dass sie um die mystische Liebe wusste und die sinnliche genauso in ihren Lieben zu leben suchte. 
Mit Mascha Kaléko teilt sie das Schicksal, das eigene Kind – beiden verstarb ihr Sohn – beerdigt haben zu müssen.

Wenige Frauen, wenige Menschen nur können so überzeugend, tief und ehrlich über Liebe schreiben, zugleich tief und ehrlich beten:



Gebet


Ich suche allerlanden eine Stadt,
Die einen Engel vor der Pforte hat.
Ich trage seinen großen Flügel
Gebrochen schwer am Schulterblatt
Und in der Stirne seinen Stern als Siegel.

Und wandle immer in die Nacht ...

Ich habe Liebe in die Welt gebracht –
Dass blau zu blühen jedes Herz vermag,
Und hab ein Leben müde mich gewacht,
In Gott gehüllt den dunklen Atemschlag.

O Gott, schließ um mich deinen Mantel fest;

Ich weiß, ich bin im Kugelglas der Rest.
Und wenn der letzte Mensch die Welt vergießt,
Du mich nicht wieder aus der Allmacht lässt
Und sich ein neuer Erdball um mich schließt.

Freitag, 16. November 2012

Letzte Wirklichkeit


Auch wenn jemand sein Leben lang 

   andere hat für sich arbeiten lassen,
      andere hat für sich denken lassen,
         anderen die Schuld gegeben hat:

sterben muss er selbst!


Sonntag, 4. November 2012

Die Seele fliegt, soweit der Himmel reicht – Homo faber contra Philon von Alexandria und Eduard Mörike

Manchem mag die Überschrift meines Postes vom 13. Oktober – Vögelschwärme sind tanzende Galaxien, sind unsere Gedanken und Seelenflüge – reichlich mystisch vorgekommen sein, und mystisch bedeutet ja für den ein oder anderen (zu) entrückt, abgehoben, unbewiesen, irreal.

Nun, Mystiker, zu denen ich nicht die Ehre habe, mich rechnen zu dürfen, kümmern sich nicht um solche Wertungen. 
Auch Eduard Mörike nicht, der 21-jährig mystisch schrieb, dass seine Seele einem Kristall gleiche und er wahrnahm:

Die Seele fliegt, soweit der Himmel reicht.

Mörike bezog sich hier auf jenen existentiell wichtigen Moment zwischen Schlaf und Aufgewachtsein, kurz bevor –wie der junge Autor formuliert – der Tag "Die Purpurlippe, die geschlossen lag" durch seine "königlichen Flüge" vergessen macht.
Ein bemerkenswertes Gedicht, dieses An einem Wintermorgen, vor Sonnenaufgang.

Reichlich mystisch, könnte man meinen - und doch so wahr, wie ich darzulegen versucht habe.

Wem kommt nicht als Dokument eines Menschen, der Mystik total ablehnt, Homo faber kurz nach seinem Flugzeugabsturz in der Wüste von Tamaulipas in den Sinn, lange, bevor sich uns am Schluss des Buches ein ganz anderer präsentiert; da ist er nicht mehr jener, der zu Anfang mystisch gleich weibisch gleich hysterisch setzt und dementsprechend "philosophiert":

Ich glaube nicht an Fügung und Schicksal, als Techniker bin ich gewohnt, mit den Formeln der Wahrscheinlichkeit zu rechnen. Wieso Fügung? (...) Ich brauche, um das Unwahrscheinliche als Erfahrungstatsache gelten zu lassen, keinerlei Mystik. Mathematik genügt mir (...) Ich habe mich schon oft gefragt, was die Leute eigentlich meinen, wenn sie von Erlebnis reden. Ich bin Techniker und gewohnt, die Dinge zu sehen, wie sie sind. Ich sehe alles, wovon sie reden, sehr genau; ich bin ja nicht blind. Ich sehe den Mond über der Wüste von Tamaulipas - klarer als je, mag sein, aber eine errechenbare Masse, die um unseren Planeten kreist, eine Sache der Gravitation, interessant, aber wieso ein Erlebnis? Ich sehe die gezackten Felsen, schwarz vor dem Schein des Mondes; sie sehen aus, mag sein, wie die gezackten Rücken von urweltlichen Tieren, aber ich weiß: Es sind Felsen, Gestein, wahrscheinlich vulkanisch, das müsste man nachsehen und feststellen. Wozu soll ich mich fürchten? Es gibt keine  urweltlichen Tiere mehr. Wozu sollte ich sie mir einbilden? Ich sehe auch keine versteinerten Engel, es tut mir Leid; auch keine Dämonen, ich sehe, was ich sehe: die üblichen Formen der Erosion, dazu meinen langen Schatten auf dem Sand, aber keine Gespenster. Wozu weibisch werden? Ich sehe auch keine Sintflut, sondern Sand, vom Mond beschienen, vom Wind gewellt wie Wasser, was mich nicht überrascht (...) Wozu hysterisch sein? Gebirge sind Gebirge, auch wenn sie in gewisser Beleuchtung, mag sein, wie irgendetwas anderes aussehen, es ist aber die Sierra Madre Oriental, und wir stehen nicht in einem Totenreich, sondern in der Wüste von Tamaulipas, Mexiko, ungefähr sechzig Meilen von der nächsten Straße entfernt, was peinlich ist, aber wieso ein Erlebnis? Ein Flugzeug ist für mich ein Flugzeug, ich sehe keinen ausgestorbenen Vogel dabei, sondern eine Super-Constellation mit Motor-Defekt, nichts weiter, und da kann der Mond sie bescheinen, wie er will. Warum soll ich erleben, was gar nicht ist?

Wir wissen, wie viel dieser Homo faber erleben muss, damit sich seine enge Weltsicht - diese scheinbare Super-Constellation, die nicht von ungefähr hier abgestürzt ist – sprengt und seine weibliche Seite sich öffnen kann für eine neue Sicht auf das Leben.

Diese Sicht auf das Leben zeigt von alters her ein jüdischer Philosoph, der von 30 vor bis 40 nach Christus lebte, eben Philon von Alexandria, über die Seelenflüge der Weisen schreibend:

In Gedanken begleiten sie Mond und Sonne in ihren Umläufen, die Chöre der anderen Planeten und die Fixsterne; unten durch ihre Leiber an den Erdboden gebunden, verleihen sie jedoch ihren Seelen Flügel, so dass sie, über den Äther wandelnd, die Mächte bedenken, die sie dort finden.
zitiert nach Das geheime Wissen der Frauen. Ein Lexikon von Barbara G. Walker