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Sonntag, 20. Oktober 2013

Lasst die Liebe ein Meer sein, das zwischen den Ufern eurer Seele wogt. – Khalil Gibran über die Ehe

Bemerkenswerte und schöne Sätze, die der große Khalil Gibran äußert über die Ehe.

Aber sind sie auch wahr?
 

Nur zum Teil, wie ich glaube, nur zum Teil.
 

Hier sind sie erst einmal:


Dann sprach Almitra abermals und sagte:
"Und was ist mit der Ehe, Meister?"
Und er antwortete und sprach:

Ihr seid zusammen in die Welt gekommen,
und ihr werdet auf immer zusammen sein.

Ihr werdet zusammen sein,
wenn weiße Schwingen des Todes eure Tage zunichtemachen.

Ja, ihr werdet selbst zusammen sein im stummen Gedenken Gottes.

Haltet jedoch Räume frei in eurem Beisammensein
und lasst die Winde des Himmels zwischen euch tanzen.

Liebt einander, aber die Liebe soll euch nicht in Fesseln legen:
Lasst sie eher ein Meer sein, das zwischen den Ufern eurer Seelen wogt.

Füllt einander die Becher, aber trinkt nicht aus einem.

Gebt einander von eurem Brot, aber esst nicht vom selben Laib.

Singt und tanzt zusammen und seid voll Freude,
aber der eine lasse den anderen auch für sich,
so wie die Saiten einer Laute für sich sind
und doch im Akkord erschallen.

Schenkt euch eure Herzen, aber gebt sie nicht in des anderen Obhut.
Denn nur die Hand des Lebens kann euer Herz halten.

Und steht zusammen, jedoch nicht zu nahe beieinander:
Denn die Säulen des Tempels stehen für sich,
und Eiche und Zypresse wachsen nicht im Schatten des andern.

Aus dem Englischen © Bertram Kottmann,
http://gedichte.xbib.de/Gibran_gedicht_03.+Ehe.htm



Wie ich an vielen Stellen, vor allem in meinem Post Himmlische Ehen: Adam und Eva - das sind auch wir! geäußert habe, glaube ich wie Khalil Gibran, dass wir mit dem Seelenpartner, zu dem wir gehören, auf ewig zusammen sind, auch wenn wir in verschiedenen Leben andere Lieben leben, die durchaus glücklich sein können.

Ich glaube sogar, dass das Gottes Willen ist.

Und ich glaube auch, dass es so wertvoll ist, wenn zwei, die einander gehören, die Winde des Himmels zwischen sich tanzen lassen, tanzen lassen können - ein wunderschönes Bild, das der Dichter hier findet, ebenso wie das in der Überschrift zitierte, dass die Liebe ein Meer sei, dass zwischen den Ufern unserer Seele wogt.

Nur manches, was Khalil Gibran schreibt, ist seltsam unstimmig.

Es ist wichtig, sein Herz immer zu behalten, es zu bewahren. Dennoch aber würde ich es der, die ich liebe, immer anvertrauen. Ob sie es will, ob sie mein Herz will, das glaube ich nicht einmal, denn ihr Herz und das meine sind eh EIN-HERZ der Liebe.

Warum sollte sie das meine wollen.

Aber ich würde ihr das meine immer anvertrauen. Es wäre bei niemandem in sicherer Hut.

Seltsam fremd sind mir Gibrans Gedanken.

Und nichts ist schöner, als mit der Geliebten vom selben Laib zu essen, aus einem Becher zu trinken

Hat nicht Goethe in seinem Thule-Lied gezeigt, wie wertvoll ein gemeinsamer Becher, ein gemeinsamer Becher der Liebe ist - auf ewig!

Und hat nicht Hofmannsthal in seinem Gedicht Die Beiden die Liebe zweier Liebenden mittels eines Bechers so zart und einfühlsam beschrieben? Mittels EINES Bechers, aus dem beide zu trinken begehrten.

Legt die Liebe in Fesseln, wenn wir aus EINEM Becher trinken?

Hat nicht Jesus ganz bewusst mit seinen Jüngern aus EINEM Becher getrunken und tue ich das nicht bei der Feier des Abendmahls im Gottesdienst - ganz bewusst zusammen mit all denen, die um den Altar stehen?

Ja, Kahlil Gibran, die Säulen des Tempels stehen für sich. Es sind Yakim und Boas, die Säulen, die den Eingang zum Tempel Salomos bewachen, schützen, zieren.

Aber die Säulen sind nicht der Tempel! Sie sind der Eingang zum Tempel!

Der Tempel aber ist die Liebe!

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