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Samstag, 9. November 2013

... Und diese Welt den richtenden Gewalten / Durch ein geheiligt Leben abzuringen.


Noch heute, fast 8o Jahre nach seiner Entstehung, bringt das Gedicht Reinhold Schneiders (1903-1958) die tiefe Not der damals Lebenden zum Ausdruck. Anlässlich der Reichskristallnacht darf man sich in Erinnerung rufen, wie wertvoll für Menschen damals ihr Glaube war, wie sehr er ihnen Halt zu geben vermochte und Mut, solche prophetischen Zeilen zu schreiben und zu veröffentlichen.  
Was Reinhold Schneider - 1936 verfasste er das Gedicht, 1941 wurde es veröffentlicht - damals noch nicht wusste, war, dass er nur knapp dem Schicksal Dietrich Bonhoeffers entgehen würde. Wenn ihn nicht das Kriegsende gerettet hätte, wäre wohl auch er, wie viele andere, einer anstehenden Anklage wegen Hochverrats zum Opfer gefallen.
Gerade die äußere Gestalt des Gedichtes,  ein Sonett, das durch seine Form, den zwei Quartetten, die oft einfach Tatbestände darlegen, und den zwei Terzetten, die diese einer Bestimmung, einer Gewissheit zuführen, auf so eindrückliche Weise Inhalte vermittelt, vermag dieser tiefen Not besonders eindrücklich Ausdruck zu geben.
Immer wieder ist ja der Brunnen, wie zum Beispiel in Hofmannthals Weltgeheimnis, Symbol für die Seele des Menschen.
Gerade für uns heute ist es so wichtig, dass wir uns nicht nur - wie Narziss - auf der glitzernden Oberfläche des Lebens spiegeln, sondern unsere Tiefen spüren, ob unser Brunnen mit Wasser gefüllt sein darf, dem Wasser des Lebens:


Allein den Betern

Allein den Betern kann es noch gelingen
Das Schwert ob unsern Häuptern aufzuhalten
Und diese Welt den richtenden Gewalten
Durch ein geheiligt Leben abzuringen.

Denn Täter werden nie den Himmel zwingen:
Was sie vereinen, wird sich wieder spalten,
Was sie erneuern, über Nacht veralten,
Und was sie stiften, Not und Unheil bringen.

Jetzt ist die Zeit, da sich das Heil verbirgt,
Und Menschenhochmut auf dem Markte feiert,
Indes im Dom die Beter sich verhüllen,

Bis Gott aus unsern Opfern Segen wirkt
Und in den Tiefen, die kein Aug' entschleiert,
Die trockenen Brunnen sich mit Leben füllen.

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