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Mittwoch, 1. Januar 2014

"Am Neujahrstage": Herz und Leben sind zerbrechlich und so kostbar!


"Fahr wohl, du altes Jahr, mit Freud und Leiden!
Der Himmel schenkt ein neues, wenn er will."
So neigt der Mensch sein Haupt an Gottes Güte,
Die alte fällt, es keimt die neue Blüte
Aus Eis und Schnee, die Pflanze Gottes, still.
 

Wir denken zu Beginn des neuen Jahres an das alte zurück, an Glücksmomente und an das Leid, dessen wir gewahr werden mussten, an große Fluten weltweit auf der Erde, auch in Deutschland, auch an den Unfall Michael Schuhmachers, an dem weltweit so Anteil genommen wurde. Ich wünsche ihm alles Gute!
Woran ich dabei aber auch denken muss, ist, dass die Frau eines Freundes von mir ein ähnliches Schicksal erlitt, als ihr anlässlich einer Herzoperation, als Sauerstoff in ihr Gehirn eindrang, ein Teil der Gehirnschale operativ entfernt werden musste, damit sie überleben konnte. In dieser Zeit, auch der langen Zeit der Rekonvaleszenz, hat mein Freund mit seinen zwei Kindern unvorstellbar viel mitgemacht; er stand nicht im Blickpunkt der Öffentlichkeit; nur wenige Bekannte und Freunde haben an seinem Schicksal Anteil genommen. Ich bewundere ihn noch immer dafür, wie er, eigentlich am Boden zerstört, weiterkämpfte.
Heute ist er arbeitslos, hat mehrere Stents in der Brust. Die Krankenkasse hat ihm das Krankentagegeld gestrichen; er prozessiert, aber wartet wegen Überlastung des Gerichts seit über 14 Monaten auf einen Urteilsspruch; er lebt von der Rente seiner Frau und von Erspartem.
Ich weiß nicht, ob er Sinn für weitere Strophen der Annette von Droste-Hülshoff, überschrieben Am Neujahrstage hat:


"Willkommen junger Tag mit deinen Brüdern!
Wo bist du denn, du liebes neues Jahr?" -
Da steht es in des Morgenlichtes Prangen,
Es hat die ganze Erde rings umfangen
Und schaut ihm in die Augen ernst und klar.
"Gegrüßt du Menschenherz mit deinen Schwächen,
Du Herz voll Kraft und Reue und Gebrechen,
Ich bringe neue Prüfungszeit vom Herrn!" -
"Gegrüßt du neues Jahr mit deinen Freuden,
Das Leben ist so süß, und wären's Leiden,
Ach, alles nimmt man mit dem Leben gern."


Ich bewundere Menschen, wie sie ihr Leben meistern und nicht verzagen und wünschte, dass ihre Realität auch unseren Politikern nicht ganz egal ist, dass sie mehr tun, als nur den Alltag und ihr Konto zu verwalten, dass sie dafür Sorge tragen, dass es den Bedürftigen unter uns besser gehen kann, dass viele unserer Schulen nicht mehr so grausam heruntergekommen aussehen oder dass wir z.B. Pflegepersonal so zahlen, dass sich mehr Menschen dafür bereit sind zu qualifizieren.
Klar lässt sich an all dem sparen. Frau Merkel ist das kein Problem. 
Ich frage mich schon, warum wir einen Riesen-EU-Apparat finanzieren müssen, ein viel zu großes EU-Parlament, das uns einen Haufen Geld kostet, weswegen wir nicht in der Lage sind, unsere Gerichte oder auch die Polizei oder unsere Soldaten in Afghanistan angemessen auszustatten
Ich frage mich auch, warum unsere Politiker nicht in der Lage sind, wenn es schon eine Große Koalition gibt, notwendige Neuordnungen vorzunehmen, die längst anfällig sind: die Neuordnung der Bundesländer beispielsweise oder eine Neuordnung des Steuerrechts. Wann, wenn nicht im Rahmen einer Großen Koaltion, wäre das denn besser machbar, wann beispielsweise wäre auch eine Verkleinerung eines überblähten Bundestages machbar?
Wir brauchen dieses Geld für Menschen unter uns, wie meinen Freund und seine Familie, die das Schicksal gebeutelt hat, wir brauchen es für die Ausstattung der Gerichte, der Polizei, unserer Soldaten.
Wann, wenn nicht jetzt, hätte Frau Merkel die Chance gehabt, Wegweisendes, Sinnvolles zu leisten?
Sie tut es nicht.
Übrigens sind die Herren Steinmeier und Seehofer genauso in der Verantwortung.
In einem Kommentar zu meinem letzten Post auf der Freien Welt habe ich geschrieben, dass ich nicht bereit bin, auf Erwartungen zu verzichten, Erwartungen, die ich an unsere Politiker habe, an meine Mitmenschen, an mich.
ich finde, wir sollten auch im neuen Jahr eindringlich immer wieder unsere Stimme erheben, unsere Stimme erheben auch für Menschen, die keine Stimme haben - außer der auf dem Wahlzettel, die ihnen so gut wie nichts nützt.
Was ich allerdings finde, was wir nicht vergessen sollten:
All diese Menschen, Michael Schuhmacher und seine Angehörigen, mein Freund und seine Familie und unsere Politiker sind ein Teil auch von uns. Unsere Politiker repräsentieren auch uns, in gewisser Weise sind sie unser Spiegelbild.
Wenn wir über sie schimpfen, schimpfen wir auch über uns.
Wir haben niemand anderes als sie. 
Wir haben niemand anderes als uns.
Ich finde, wir sollten nicht zurückstehen in unseren Erwartungen und Forderungen.
Und dennoch sollten wir auch die Hand reichen.
Letztendlich reichen wir sie auch uns.
Nur wenn wir versöhnt sind mit uns, könnten wir auch mit dem Leben versöhnt sein, so schwer es auch ist.
Annette von Droste-Hülshoff hat das menschliche Herz, unser Herz, in den Mittelpunkt ihres Neujahrsgedichtes gestellt:
Ihre letzten zwei Strophen gelangen zu einer Versöhnung an einem Ort des Friedens und der Liebe, allerdings nur, indem sie zuvor die Realität unseres Herzens wahrnimmt:

"Du hast den Frieden freventlich vertrieben!
Doch Gottes Gnad' ist grundlos wie sein Lieben:
O kehre heim in dein verödet Haus!
Kehr' heim in deine dunkle wüste Zelle,
Und wasche sie mit deinen Tränen helle,
Und lüfte sie mit deinen Seufzern aus!"
"Und willst du treu die Blicke aufwärts wenden,
So wird der Herr sein heilig Bild dir senden,
Daß du es hegst in Glauben und Vertraun.
Dann darf ich einst an deinem Kranze winden,
Und sollte dich das neue Jahr noch finden,
So mög' es in ein Gotteshäuslein schaun!"


Veröffentlicht auch auf FreieWelt.net
Das ganze Gedicht ist hier nachzulesen

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