Seiten

Sonntag, 18. Mai 2014

Glaube, Hoffnung, Liebe - Warum wir so viel Glauben und Hoffnung brauchen, damit die Liebe eine Chance hat. - Worte wieder Heuchelei und Scheinheiligkeit!


In Ödön von Horváths bemerkenswerten Roman Jugend ohne Gott geht ein Lehrer während der Zeit des Nationalsozialismus einen steinigen Weg zur Wahrheit. Es sind einige Stationen, die er durchlaufen muss, um zu erkennen:

Einst dachte ich, Gott hätte tückische stechende Augen - Nein, nein!
Denn Gott ist die Wahrheit.


Und doch scheint das ganz und gar nicht glaubwürdig.
Kurz zuvor war er in das Haus eines Schülers gerufen worden, der Selbstmord begangen hatte. Es war ein Schüler, dessen kalte, stechende Augen ihn dazu verlanlasst hatten, ihn als Fisch zu bezeichnen. Was der Lehrer wusste, war, dass auch dieser ihn als Fisch bezeichnet hatte, als er zu dem Lehrer sagte:


"Wissen Sie denn nicht, Herr Lehrer, was Sie in der Schule für einen Spitznamen haben? Haben Sie ihn nie gehört? Sie heißen der Fisch." Er nickt mir lächelnd zu.
"Ja, Herr Lehrer, weil Sie nämlich immer so ein unbewegliches Gesicht haben. Man weiß nie, was Sie denken und ob Sie sich überhaupt um einen kümmern. Wir sagen immer, der Herr Lehrer beobachtet nur, da könnt zum Beispiel jemand auf der Straße überfahren worden sein, er würde nur beobachten, wie der Überfahrene daliegt, nur damit ers genau weiß, und er tat nichts dabei empfinden, auch wenn der draufging -"


Zum damaligen Zeitpunkt hatte das gestimmt. Der Lehrer war jener römische Hauptmann gewesen, der ihm auf einem Bild, das im Wohnzimmer seiner Eltern hing, aufgefallen war, der dastand und zusah, wie Jesus gekreuzigt wurde, obwohl er wahrnahm, dass hier kein Mensch stirbt, sondern ein Gott.

Doch obwohl er die Möglichkeit als Offizieller der Besatzungsmacht gehabt hätte, die Kreuzigung zu abzubrechen, tat er nichts; er stand da.

Der Lehrer wusste, dass er auch so einer war. Zu zu vielem hatte er geschwiegen, sich schon als Lehrer im Unterricht nicht von den Meinungen des Radios distanziert, das damals als Volksempfänger das Bewusstein der Menschen manipulierte; er hatte im Rahmen des Zeltlagers geschwiegen, als er sich hätte zu seinem eigenen Verhalten bekennen müssen, was ihn hätte sehr schlecht dastehen lassen. Er hatte sich nicht zur Wahrheit bekannt, obwohl dadurch vielleicht hätte ein Menschenleben gerettet werden können.

Nun war dieser Schüler tot, und zu den Beamten, die ihn hatten holen lassen redet er über diesen Schüler, der im Rahmen eines Zeltlagers einen Mitschüler erschlagen hatte, dass jener

zuschauen wollte, wie ein Mensch kommt und geht. Geburt und Tod, und alles, was dazwischen liegt, wollt er genau wissen. Er wollte alle Geheimnisse ergründen, aber nur, um darüberstehen zu können - darüber mit seinem Hohn. Er kannte keine Schauer, denn seine Angst war nur Feigheit. Und seine Liebe zur Wirklichkeit war nur der Haß auf die Wahrheit. 


So weit so gut, wenn dann nicht die Innensicht des Lehrers sich aufgetan hätte und es heißt:

Und während ich so rede, fühle ich mich plötzlich wunderbar leicht, weil es keinen T mehr gibt.
Einen weniger!
Freue ich mich denn?
Ja! Ja, ich freue mich!
Denn trotz aller eigenen Schuld an dem Bösen ist es herrlich und wunderschön, wenn ein Böser vernichtet wird!

Wie kann das sein, dass jemand sich Sekunden später zur göttlichen Wahrheit bekennt, doch offensichtlich auf dem richtigen Weg ist und hier sich noch freut, dass ein Mensch vernichtet wird?
Sich dabei wunderbar leicht fühlt, offensichtlich wie befreit?

Des Rätsels Lösung liegt in der Natur der menschlichen Seele.

Dabei muss ich an meine eigene Kindheit denken, an mein überreligiöses Elternhaus und all die religiösen Menschen jener Kirchengemeinde, in der meine Eltern aktiv waren, die mich damals umgaben, die sich alle zu Gott bekannten, alles nahezu Heilige.
Ja, so war es: Wer sich zu Gott bekannt, wer sich bekehrt hatte, hatte sich von allem Bösen abgewandt, denn er war ja rein gewaschen mit dem Blut Jesu, das am Kreuz für uns alle vergossen war, damit wir selig werden; wie oft und immer wieder hatte ich das vernommen.

Nur war das nicht die Realität der Menschen, die mich umgaben, und ihres Herzens. In ihrem Herzen waren weiterhin üble, so genannte böse Gedanken. 
Was allerdings der Fall war, war die Tatsache, dass diese Menschen meiner Umgebung unter einem unglaublichen Druck standen, denn natürlich war ihnen alles Böse abhold, aller Neid, alle Eifersucht, aller Geiz, alles Reden hinter dem Rücken anderer . . . sie waren ja Nachfolger, Jünger, Bekehrte.

Als Kind nahm ich die Realität dieser Menschen wahr, dass sie über die Gebete der anderen lästerten, dass sie hinter dem Rücken über andere sprachen, dass sie tratschten, eifersüchtig waren, auf Pöstchen und Posten im Kirchenvorstand aus . . .

In meiner Realität hatte das dazu geführt, dass ich wusste, dass dieser Gott, an den diese Menschen glaubten, inclusive meiner Eltern, nicht mein Gott sein konnte; das konnte er nicht sein.
Damals hatte ich beschlossen, mich von diesem Gott abzuwenden und später für mich zu klären, was es mit ihm auf sich habe.

Was aber hier der Lehrer denkt - und damit zurück zu ihm -, ist für mich absolut befreiend - obwohl man es als wirklich übel bezeichnen könnte -, denn er  macht aus seiner Seele keine Mördergrube, er zensiert seine Gedanken nicht, er lässt sie zu.

Wie absolut wichtig!
Wie absolut wichtig für seine weitere Entwicklung.

Denn nur so kann er die wahre Realität seiner Seele erkennen.
Nur so muss er nicht so scheinheilig werden wie viele andere, die so etwas denken, aber doch nicht denken dürfen, mit der Folge, dass sie nicht mehr wahrnehmen können, was in Wahrheit in ihnen ist.
Damit negieren sie die göttliche Wahrheit. Denn ihre Seele ist von Natur aus göttlich und will, so glaube ich heute, zu dieser Realität zurückkehren.
Doch dies geht nur, indem wir zulassen, wie es in Wahrheit in uns aussieht.

Wir sind keine Heiligen.
Noch lange nicht.

Glaube Hoffnung Liebe - diese drei
aber die Liebe ist die größte unter ihnen (Paulus)

Und damit wir dahin kommen, bedarf es Glauben, Glauben, Glauben und Hoffnung, Hoffnung, Hoffnung, damit Liebe in uns werden kann!

Paulus weiß, warum diese Reihenfolge so wichtig ist: 
Erst kommt der Glaube, dann kommt die Hoffnung und dann kommt manchmal lange nichts oder nur fallweise in bestimmten Situationen, bis immer mehr und immer häufiger in uns die Liebe einziehen kann. 

Aber das ist ein langer, ein dornenreicher Weg. Dafür steht die Dornenkrone.
Wer ahnt, an wie vielen Zacken wir noch hängen bleiben können, ahnt auch, wie wichtig Glauben ist, wie wichtig Hoffnung ist.

Keine Kommentare: