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Montag, 29. September 2014

Kore, Heilige Jungfrau der Griechen, Herz der Welt und Seele der Erde.

Über Kali Ma, Urgrund und Mutter der Welt, wie sie in dem Gebet einer tantrischen Schrift bezeichnet wird, bin ich auf die griechische Göttin Kore gestoßen und ihr Bild hat mich fasziniert - vielleicht, weil sie so ganz anders wirkt als die hinduistische Göttin, deren Bild in der westlichen Welt geprägt ist durch ihr zerstörerisches Wesen, ihr alles Leben verschlingendes Sein. Sie steht für die schreckliche, dunkle Mutter, in die Männer gern archetypische Urängste projizieren. Doch wird überliefert, dass Poeten viel mehr innige Rufe des Herzens vernommen haben, wenn sie die Gottheit nicht als Vater, sondern als Mutter verstanden. 
Die Dichter der Kali Ma näherten sich, so lesen wir in Das geheime Wissen der Frauen, einem hervorrragenden und viele wenig bekannte Quellen ausschöpfenden Lexikon, der Göttin in Liebe und es heißt:


Nur im Fühlen ist sie zu erkennen. 
Wie also könnte Mangel an Gefühlen Sie finden?

In wenigen Worten wird hier das Dilemma westlich-männlichen Denkens aufgezeigt, für das unvorstellbar ist, dass Erkennen im Fühlen gründet. Vielleicht bleibt deshalb so vielen Männern der Zugang zu Kali Ma - manche der älteren Namen Kalis finden sich übrigens sogar in der Bibel wieder - versperrt; vielleicht ist darin der Grund zu sehen, dass vor allem ihr zerstörerischer Aspekt, der darauf basiert, dass mütterliches Sein immer auch den Tod, der zum Leben gehört, mit einschließt, so dominieren muss. Nur über das Fühlen nämlich schließt sich in Wirklichkeit auf, dass auch Tod in Liebe gebettet ist. Dieser Zugang aber bleibt westlich geprägtem Erkennen meist verwehrt. 
Dabei heißt es über Kali Ma:" Ohne Tod sind diejenigen, die an der Brust der Mutter des Universums lagen." Schatzhaus des Mitleids wurde sie genannt, Lebensspenderin der Welt. Zugleich aber war sie auch Kundalini, die weibliche Schlange, und glich damit der archaischen Schlangenmutter, der ägyptischen Weltschöpferin. 
Solche Zusammenhänge nun überfordern in aller Regel Theologen und Denker christlicher Provenienz, deren Gottesvorstellung geschichtslos aseptisch ist, keimfrei und nicht wirklich. Auch darin liegen Gründe, warum das Christentum sich heute so schwer tut. Die Welt zerfällt nicht in Heiden und Christen. Bewusstsein fließt durch alle Zeiten.

Zurück zu Kore:
Die ebenmäßigen ausdrucksstarken Züge, die so viel Selbstachtung ausstrahlen, haben mich sogleich fasziniert.




In Das geheime Wissen der Frauen ist zu lesen:
Die Heiligtümer bei Karnak in Ägypten sowie die bei Carnac in der Bretagne waren gigantische Tempel und Bestattungskomplexe, die vor über 5000 Jahren der Göttin Kar oder Kore geweiht waren. In Frankreich gab es vergleichbare Heiligtümer an Orten mit ähnlich klingenden Namen: Kerlescan, Kercado, Kermaria (...)
Car oder Carna war den Römern bekannt als »eine Göttin aus den alten Zeiten«; die archaische Form, in der sie verehrt wurde, hing mit den Karneia-Festen in Sparta und dem klassisch römischen Karneval zusammen. Mitunter tauchte auch die Gottheit Carmenta auf, d.h. »Geist von Car«; ihr wurde die Erfindung des römischen Alphabets zugeschrieben. Ein sehr alter Tempel auf dem Caelius war dieser Göttin geweiht. Eine spätere Abwandlung ihres Namens war Ceres, das Ursprungswort für Wörter wie Korn, Kern, Zerealien, Kardia usw.
Faszinierend, die Bedeutung des Ewig-Weiblichen, wie es sich hier weltweit zeigt; der große Weise aus Weimar wusste schon, warum er es am Ende seines Faust II so eindeutig hervorhebt.
Goethe, der in einem protestantischen Elternhaus aufgewachsen und streng lutherisch erzogen worden war, lässt dennoch sein über fast 60 Jahre hin verfasstes Werk katholisch-marianisch enden: Mit der Mater Gloriosa taucht ganz am Ende Maria auf und zuvor schon ein Doktor Marianus.

Die Gottesmutter wendet sich an das ebenfalls anwesende Gretchen, um der Seele des verstorbenen Faust zu helfen:
Komm! hebe Dich zu höhern Sphären!
Wenn er Dich ahnet, folgt er nach. 
Maria weiß sehr genau, wie Männer zu beeinflussen sind und so kann der Chorus Mysticus singen:
Das Unbeschreibliche,
Hier ist´s getan.
Das Ewig-Weibliche
Zieht uns hinan.
Das gilt für Jahrtausende, die wir überschauen!

Nicht von ungefähr wird das griechische kardia und das lateinische cor - beide bedeuten in ihrer Sprache Herz - von den Namen der vorchristlichen Göttinnen abgeleitet.

Kali Ma, Kore, Maria:  vielleicht EIN Strom kosmisch-weiblicher Energie.

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