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Freitag, 7. November 2014

Am Tage meiner Geburt war Gott krank . . .

Ein sehr ehrliches Gedicht von César Vallejo, das allerdings nichts über Gott, viel aber über den Verfasser selbst aussagt, genauer gesagt, über das lyrische Ich, das sich hier äußert; keineswegs immer möchte ja der Verfasser mit dem Ich identifiziert werden, das hier Kunde von sich gibt; wenn es auch gewiss kein Zufall ist, dass César Vallejo diese Zeilen geschrieben hat. 

Letztendlich kann das lyrische Ich nur sehr bedingt etwas über den Tag der Geburt aussagen, spiegeln doch die folgenden Zeilen allein sein Bewusstsein in Bezug auf diesen Tag der Geburt zu dem Zeitpunkt wieder, als es die folgenden Zeilen schrieb:


Am Tage meiner Geburt

war Gott krank ...

Alle wissen es, dass ich lebe,

dass ich kaue ... Und wissen nicht,

warum durch meine Verse,

als dunkler Abgeschmack des Sarges,

die verschlissenen Winde pfeifen,

entrollt von der Sphinx,

der ewigen Fragerin in der Wüste ...


Am Tage meiner Geburt

war Gott krank, 

schwer krank. 


Ein Gedicht, mit dem das  lyrische Ich einen zentralen dunklen Schatten in sich berührt, vielleicht sogar einholt.

Mit der eigentlichen Realität Gottes hat das, wie gesagt, nichts zu tun, es sei denn insofern, als jener jetzt immerhin nicht mehr tot ist, wie bei Nietzsche . . . nur noch krank. 


Das lässt für die Menschheit hoffen, dass sie irgendwann den gesunden Gott in sich entdeckt, wenn es so weiter geht.

Ich meine das im Übrigen gar nicht bissig oder ironisch.

Wenn Vallejo von verschlisssenen Winden schreibt, meint er das ja auch nicht ironisch. Wenn er solche Worte wählt, gibt er im Grunde selbst preis, wie subjektiv das ist, was er empfindet, was er sieht. Er verheimlicht das gar nicht, will es auch nicht. 

Bei Nietzsche war klar, dass die Menschen Gott getötet haben; warum er in obigen Zeilen krank ist, bleibt unklar. Es klingt fast danach, als ob das lyrische Ich zum Ausdruck bringen wolle, dass, wenn so ein Wesen wie er auf die Welt kommt, Gott wirklich krank sein muss . . .
Das allerdings wäre eine Aussage, die bis ins Mark der Welt geht. Das Wesen Mensch - ein krankes Wesen?
Gott - ein kranker Gott?

So ist es für mich nicht. Vielmehr ist es so, dass die Freiheit, die der Mensch in Bezug auf seine Existenz hat, ihn nahezu überfordert. Menschsein ist kein Experiment. Es ist verbunden mit höchster Verantwortung.
Wenn Menschen über Gott sprechen, sprechen sie in Wirklichkeit sehr oft über sich selbst, über die Dimensionen ihrer Erkrankung und das krank machende Bild, das sich ihre Seele von Gott macht.

2 Kommentare:

Matthias hat gesagt…

Lieber Johannes,
ich schicke dir diesen link,
http://www.matthiaschenk.de/?p=573

Mit freundlichen Grüßen
Matthias Lübke

Johannes G. Klinkmüller hat gesagt…

Was für ein wunderscöhönes Zitat von Dante.

Und was die Erfahrung betrifft: Das ist wohl wahr!

LIebe Grüße,
Johannes