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Samstag, 11. Juli 2015

Wege der Einweihung: Die Feuertaufe Dantes in seiner 'Göttlichen Komödie' - nur so gelangt er zu Beatrice.

In der Bibel sind die Evangelisten den vier Elementen zugeordnet, so der Evangelist Markus zum Beispiel dem Tierkreiszeichen des Löwen und dem Element Feuer. Der Löwe steht für die transformierende Kraft im Menschen hin zu Mut und Stärke und Liebe und nicht von ungefähr beinhaltet der Name Markus den des Kriegsgottes Mars, der Irrungen und Wirrungen mit sich bringen kann, aber den Menschen zu großer Kraft und Liebe führen will.
Das Zeichen des Evangelisten Lukas ist der Stier und das Element Erde, Johannes ist ursprünglich dem Skorpion und dem Wasser zugeordnet.
Aus der Bibel wissen wir, dass eine Seele zum Jordan kommen und getauft werden muss. Und das mit dem Wasser umzugehen, ein Meister des Wassers zu sein, nicht so einfach ist, muss Petrus erfahren, der kläglich untergeht und der Hand Jesu bedarf, um nicht in seinen eigenen Ängsten zu ertrinken.
Die bedeutendsten Weisen aller Zeiten haben uns wissen lassen, dass diese Einweihungswege mit großen Prüfungen verbunden sind, was erklärt, warum Hiob so leiden musste, Johannes Paul II, Nelson Mandela, Sokrates und andere mehr. Ihre Leiden waren fast übermenschlicher Natur, man denke nur an die 27 Jahre des Nelson Mandela hinter Gittern, mittels derer die Apartheid-Regierung ihn brechen wollte, aber doch nicht konnte. So wurde er zu einem unvergessenen und unübersehbaren Symbol gegen Rassismus und für mehr Menschlichkeit auf unserem Planeten.
Es ist im Übrigen nicht Gott, der sich diese Leiden ausgedacht hat, sondern mit dem Verlassen des Paradieses hat sich vor Äonen von Jahren die Menschheitsseele für diesen Weg entschieden, der alle Seelen durch den Tierkreis führt, durch alle Taten, die auch Herakles zu bestehen hatte.

Orthodoxe Christen tun sich mit diesem Wissen schwer; sie können und wollen zum Teil nicht nachvollziehen, dass die zwölf Stämme Israels, die zwölf Jünger und die Taten des Herakles allesamt mit dem Zodiakus zu tun haben, wobei es auch nur bedingt offensichtlich, aber dem, der offen genug ist, einsichtig ist, dass dem Zeichen des Widders z.B.  Herakles' Auseinandersetzung mit dem Eber von Erimanthes, dem Zeichen des Stiers der Stier von Kreta, dem Tierkreiszeichen des Löwen der Löwe von Nemea zuzuordnen ist, alles Kämpfe des Herakles von fast übermenschlicher Natur - die Reihe ließe sich für alle zwölf Tierkreiszeichen und Taten des Herakles fortsetzen; Gleiches gilt im Hinblick auf die Söhne Jakobs. Auch sie stehen für Eigenschaften, die es zu erringen gilt.
Man darf sich keineswegs dadurch irritieren lassen, dass es Menschen gibt, die fahrlässig mit astrologischem Wissen umgehen - man denke nur an Astro-TV und anderes.
Nein, hinter dem Gang der Sonne durch den Tierkreis verbirgt sich eine tiefe Wahrheit.
Deren Missbrauch enthebt uns nicht der Verantwortung, die wirkliche Wahrheit hinter allem Gestrüpp auf der Erde zu suchen.

Auch Dantes Schau der Hölle, des Fegefeuers und des Paradieses bezieht dieses Wissen ein, wie überhaupt der große Florentiner immer wieder auch auf vorchristliche Elemente zurückgreift, gern zum Beispiel auf die griechischen Musen, und sich im Übrigen an keiner Stelle dafür rechtfertigt, weil er weiß, dass das, worüber wir auch im christlichen Glauben sprechen, nach Aussage des höchsten Gottes selbst ja seit allen und für alle Zeiten gilt. Die Abwehr mancher Christen von allem Vorchristlichen, Heidnischen, wie sie es auch nennen, gibt vor allem Aufschluss über ihre Ängste und das fehlende Vertrauen darin, dass Gott ewig und über Raum und Zeit steht - Christus, sein Sohn natürlich genauso, auch wenn er den Menschen erst seit wenigen Jahrtausenden durch Jesus geoffenbart wurde.
Wie kann jemand ernsthaft annehmen wollen, dass es das Christuslicht erst seit etwas mehr als 2000 Jahren geben könne.

Gegen Ende seines Weges durch das Fegefeuer muss Dante sich der Feuer-Einweihung unterziehen und es bedarf des ganzen Einsatzes seines Führers Virgil, damit er nicht vor dieser letzten Schwelle zurückschreckt und alles Bisherige umsonst war, denn der ganze Weg Dantes durch die Hölle und den Berg der Läuterungen hinauf war ein Weg seiner Seele, der immer auch ein körperlicher war - der Schriftsteller Dante trennt nicht in Körper und Seele (um es hier in Kürze so zu formulieren).

Wie immer in solchen Situationen und vor einer weiteren Schwelle findet sich in der divina commedia ein Engel, ein Bote des Höchsten, auch hier - wie schon vorher im Rahmen der Etappen des Läuterungsberges - auf einer der Seligpreisungen verweisend ("Selig die, die reines Herzens sind")  und es heißt  - in der Übersetzung Hermann Gmelins:
So stand die Sonne, und der Tag ging nieder,
Als uns der Engel Gottes freudig nahte.
Am Rande stand er außerhalb der Flamme
Mit dem Gesang: »Beati mundo corde«,
Und einer Stimme, mächtiger als unsre.
Dann sprach er: »Ehe euch das Feuer brannte,
Dürft ihr nicht weiter gehen, heilige Seelen;
Ihr müßt hinein und drin die Lieder hören.«
So sagt' er uns, als wir ihm näher traten.
Weshalb ich, als ich seine Worte hörte,
Wie einer ward, den man zu Grabe leget.
Mit angehaltnen Händen drang ich vorwärts,
Zum Feuer blickend, und erfüllt mit Bildern
Von Leibern, die ich einst gesehn im Brennen.
Der Engel lässt keinen Zweifel: An diesem Feuer führt kein Weg vorbei, Dante muss durch diesen lodernden Wall hindurch. Gewiss hatte er - wenn man die Kommentare liest, bekommt man mit, wie brutal es damals unter Menschen zuging - Zeitgenossen gesehen, die bei lebendigem Leibe verbrannt worden waren. Das wird ihm diese Feuerprüfung gewiss nicht leichter gemacht haben.
Intuitiv ist ihm klar, dass er alles loslassen muss, was er noch mit sich führt, so wie wenn er stirbt und zu Grabe gelegt wird. - Als Tote können wir nichts mitnehmen, wir müssen alles Irdische loslassen. 
Diese Prüfung verlangt Dante alles ab, buchstäblich alles!
Die Qual ist unermesslich - incendio senza metro, ohne Maß, wie er schreibt.
Die Feuereinweihung bedeutet Tod und höchste Taufe zugleich.
Dantes Führer, Statius und Virgil - vor allem Letzterer - erkennen die große Gefahr, in der sich ihr irdischer Sohn befindet, doch vor diesem letzten Schritt zurückzuschrecken, und Virgil versucht ihn zu überzeugen, indem er ihn darauf aufmerksam macht, dass er in Wahrheit gar nicht sterben könne und seinem Führer doch vertrauen solle. Als Beispiel führt er an, dass er auch ihm, Virgil, habe vertrauen können, als sie Geryon in der Hölle begegnet waren, jenem von Herkules getöteten König, der zu seinen Lebzeiten seine Gäste tückisch überwältigt und seinen Stieren zum Fraße vorgeworfen hatte; schließlich waren sie ja sogar auf dessen Rücken ein Stück weit durch die Hölle gereist; auch damals hatte er doch, um die Brutalität Geryons wissend, Virgil vertraut:
Es wandten sich zu mir die guten Führer,
Worauf Virgil mir sagte: »Sohn, hier oben
Kannst du nur Qualen, doch den Tod nicht finden.
Denk doch zurück, denk doch zurück, ich habe
Dich unversehrt auf Geryon geleitet
Und soll es hier so nah bei Gott nicht können?
Glaub mir gewiß, daß, wenn du in dem Innern
Von diesen Flammen tausend Jahre bliebest,
So könntest du auch nicht ein Haar verlieren.
Und wenn du meinst, ich könnte dich wohl täuschen,
So geh nur hin und hol dir selber Glauben
Mit eigner Hand am Saume deines Mantels.
Laß ab, laß ab von allen deinen Ängsten,
Das Feuer war bereits so heiß, dass Dante, wenn er den Saum seines Kleides berührt hätte, normalerweise sich hätte verbrennen müssen. Trotz dieser Hitze aber war er nicht gefährdet - außer durch seine Angst!
Komm her und gehe weiter ohne Zagen.«
Doch ich blieb stehen, gegen mein Gewissen.
Als er mich immer stehn sah, steif und reglos,
Sprach er ein wenig zornig: »Sohn, o siehe
Die Mauer zwischen dir und Beatrice.«
Virgil greift zum letzten Mittel: Denk doch, hinter dem Feuer wartet Beatrice auf dich!
Ich wandte mich zum Führer bei dem Namen,
Der immerdar in meinem Geiste grünet.
Worauf er mit dem Haupte nickte, fragend:
»Wie, wollen wir hier stehen bleiben?« lächelnd,
Wie über Kinder, die ein Apfel fesselt.
Dann ging er vor mir her, hinein ins Feuer,
Und bat, daß Statius hinter uns sollt folgen,
Der erst uns eine lange Strecke trennte.
Als ich darin war, hätte ich mich zur Kühlung
Am liebsten in ein kochend Glas geworfen;
So war der Brand darinnen ohne Maßen.
Mein lieber Vater hat, um mich zu trösten,
Mir immer von Beatrice nur gesprochen,
Und sagt': »Mir scheint, ich seh schon ihre Augen.« 
Und wieder führt ein Engel sie weiter und die Stimme erklingt: Kommt, Gesegnete meines Vaters!
Uns führte eine Stimme im Gesange
Jenseits, und wir, die wir nur auf sie lauschten,
Sind vorgetreten, wo wir steigen konnten.
»Venite, benedicti patris mei«, -
Klang es aus einem Lichte, das dort drüben
So stark erglänzt', daß ich's nicht schauen konnte.
»Die Sonne weicht«, sang sie, »es kommt der Abend,
Ihr dürft nicht rasten, müßt den Durchgang suchen,
Solang der Westen sich noch nicht verfinstert.«
Das war eine der Lektionen gewesen, die Dante zu lernen gehabt hatte: Zeit ist ein kostbares Gut. Sie  zu vertändeln, das geht gar nicht. Die göttlichen Angebote haben ihre Zeitfenster. 
Auch Virgil hatte das zu lernen gehabt, und so sputeteten sie sich, vor Sonnenaufgang den Durchgang zur nächsten Ebene und das richtige Nachtlager zu finden.
Das gelingt ihnen und am Ende dieses Tages wird sich Virgil von Dante verabschieden. Bis zum Ende des Läuterungsberges, auf dessen Spitze sich das iridische Paradies befindet, das Dante in der Folge betreten wird - es ist noch nicht das himmlische -, hat er ihn geleiten dürfen; nun werden Mathilde und Beatrice und der heilige Bernhard die Führung übernehmen. Aber die Worte, die Virgil Dante noch mitgibt, sind zu berührend, als dass ich auf sie am Ende dieses Posts verzichten möchte; in der Übersetzung Otto Gildemeisters lauten sie:
Sieh da, die Sonne deine Stirn verklären,
Sieh Gras und Blumen, sieh die Bäume stehn,
So diese Fluren aus sich selbst gebären.
Bis froh dich jene schönen Augen sehn,
die weinend mich zu dir zu kommen baten,
Magst hier du sitzen oder dich ergehn.
Nicht warte mehr auf meine Wink' und Raten:
Dein Will ist frei, gesund, gerad'  in sich;
ihm nicht zu folgen wäre nicht geraten.
Drum krön' ich nun mit Kron' und Mitra dich.
Als Leser nimmt man fast etwas wehmütig von Virgil Abschied und findet seine Worte unglaublich tapfer, denn leicht ist es ihm bestimmt nicht gefallen, zu seinem Platz im Fegefeuer zurückzukehren und den schönsten Teil des Weges Dante allein ziehen zu lassen. Doch macht diesen großen Toten, der doch auch so sehr lebt, glücklich, dass er Dante so weit bringen konnte, dass dieser nun sein eigener König und Bischof ist, über die Maßen gestärkt durch den Weg durch Hölle und Fegefeuer und geweiht durch die Feuertaufe.
Nun kann er sich freuen auf jene Augen, die ihn so sehr ersehnen.
Die Augen der Beatrice.

2 Kommentare:

Matthias hat gesagt…

Guten Tag Johannes,

Wie an dem Tag, der Dich der Welt verliehen,
Die Sonne stand zum Gruße der Planeten,
bist als bald und fort und fort gediehen,
nach dem Gesetz, wonach Du angetreten.

So mußt Du sein! Dir kannst Du nicht entfliehn,
So sagten schon Sybillen, so Propheten
und keine Zeit und keine Macht zerstückelt;
geprägte Form, die lebend sich entwickelt.
(Goethe)

Liebe Grüße
Matthias

Johannes G. Klinkmüller hat gesagt…

Herrlich, ja!

Gar manches Herz verschwebt im Allgemeinen,
Doch widmet sich das edelste dem Einen.
(auch aus "Urworte - orphisch")