Seiten

Mittwoch, 20. Dezember 2017

"Ein schwindelnd All von Sternen gleichen Baus" - Werner Zemps Gedicht "Schnee"

Von Werner Zemp (1906-1959) kenne ich nur dies eine Gedicht, wiewohl er - vor allem wohl in der Schweiz - durchaus bekannter gewesen sein mag.

Die folgenden Zeilen berühren mich immer sehr, wenn ich sie wieder einmal lese, weniger durch ihre dichterische Qualität, die durchaus, finde ich, vorhanden ist, als vielmehr durch eine Ehrlichkeit, die das lyrische Ich in seinen Worten vermittelt. Da ist ganz viel Authentizität, die sich sonst in diesem Ausmaß selten mitvermittelt, wenn es unter anderem sich einer Wortneuschöpfung bedient, der Sternentrauer, um seine Stimmung wiederzugeben:

Schnee

Als ich ans Fenster trat, begann´s zu schnein:
Vom Fenster aus kann ich den Garten sehn,
Den Hauch versunkner Sommer fühlen,
Bald werden wieder blau die Lilien blühen,
Ein alter Mann wird zwischen Blumen stehn.
So viel geschieht, und niemand weiß den Grund:
Zuhöchst sah ich´s gleich Bienenschwärmen wallen
Und dann wie Blüten durch die Bäume fallen
Und jäh verlöschen, Stern für Stern, am Grund.
Dann nichts mehr - nur noch abertausend Flocken,
Ein schwindelnd All von Sternen gleichen Baus.
Wie letztes Jahr bin heftig ich erschrocken
Was je mir war, lösch in der Hand mir aus.
Vielleicht lebt ich - wer weiß? - zu lang allein.
O Sternentrauer jenseits aller Namen!
Wir spannen noch das Nichts in einen Rahmen -
Als ich ans Fenster trat, begann´s zu schnein.

Beeindruckend finde ich jene Stelle, als von Schneeflocken bildhaft als Bienenschwärmen die Rede ist, und in der Folge von Schneeflocken als Sternen, was sicherlich auf ihre Kristallstruktur Bezug nimmt. Da mag man gern über den Fehler Zemps hinwegsehen, dass es ja gerade das Erstaunliche ist, dass nicht eine Schneeflocke in ihrer Struktur einer anderen gleicht.

Wir spannen noch das Nichts in einen Rahmen - das Fenster genau ist jener Rahmen, in den wir das Nichts, nämlich die Schneeflocken, die verlöschen, spannen. Gewiss aber weist - und diese Doppelsinnigkeit verleiht dem Gedicht seine Tiefe - dieser Rahmen und das Nichts auf uns Menschen, deren Tun Ähnlichkeit haben mag mit der Tatsache, dass wir meinen, noch das Nichts in einen Rahmen spannen zu müssen (wie so manches), ein Nichts, das vielem, was wir tun, entspricht und dem Nichts der Schneeflocken gleicht. -
Was sich gewiss nicht verallgemeinern lässt: Ein Goethe hätte diesem Satz nicht zugestimmt, zu Recht, wenn man auf sein Leben schaut. Aber der große Alte aus Weimar war auch eine Ausnahme, an der sich durchaus wieder mehr Menschen auf- und ausrichten sollten.

Der Schluss des Gedichtes bleibt offen, lässt aber vermuten, dass diese Ausrichtung für das lyrische Ich nicht gilt. Ob dieses Gedicht eine Seite von Werner Zemp wiedergibt, weiß ich leider nicht, es könnte durchaus sein, zu überzeugend ist mir dieses Gedicht geschrieben.

Mittwoch, 29. November 2017

Mit links neue Kapazitäten erschließen!

Es mag schon über 25 Jahre her sein, dass der Leiter eines Fortbildungsseminares im Fach Sport während einer Fortbildungsveranstaltung von einer Untersuchung erzählte, die man mit Hilfe von Tischtennisspitzensportlern durchgeführt hatte:

Die Teilnehmer waren in zwei Gruppen aufgeteilt worden. Die eine Gruppe trainierte wie gewohnt intensiv, Rechtshänder mit rechts, Linkshänder mit links.

Die zweite Gruppe trainierte intensiv auch mit ihrer ungewohnten Hand.

Wer als Rechtshänder schon einmal mit der linken Hand Tischtennis gespielt hat - man kann meiner Erfahrung nach sagen: spielen musste - weiß, dass man spätestens nach fünf Minuten das übergroße Bedürfnis verspürt, wieder "normal" spielen zu dürfen. Vergleichbar ist es mir übrigens auch im Fußball ergangen: mit links kicken zu müssen ist einfach nur eine Qual.

Überraschend aber war das Ergebnis der beiden Tischtennisgruppen, vor allem, wenn man bedenkt, dass gerade bei Spitzensportlern meist nur noch Verbesserungen im Nano-Bereich zu erzielen sind, weil sie als austrainierte Leistungssportler ohnehin an der Grenze ihres Leistungsvermögens agieren.

Der Veranstaltungsleiter aber berichtete:

Die Verbesserungen, sprich Trainingsergebnisse der Gruppe, die auch mit ihrer schwachen Gegenhand gearbeitet hatte, waren bei ihrer starken Hand signifikant höher als bei jener Gruppe, die nur mit ihrer ohnehin starken Hand trainiert hatte.

Obwohl die Gruppe, die beidseitig gearbeitet hatte, doch ihre starke Hand deutlich weniger trainiert hatte, waren die Forschritte auch bei der starken Hand klar erkennbar.

Leider weiß ich nichts Genaueres mehr über diese Untersuchung, aber glaubhaft und überzeugend ist ihr Ergebnis, denn mit der sogenannten schwachen Hand sind in relativ kurzer Zeit erhebliche Fortschritte zu erzielen. Das heißt, dass im Bereich der motorischen Gehirnrinde ganz viel geschehen kann, weil einfach noch viel Kapazität da ist und Verbesserungsmöglichkeiten binnen kurzer Zeit möglich sind, im Vergleich zu den ausgereizten und ausgravierten Räumen der Gehirnrinde, die die Gravuren der "guten" Hand aufzeichnen.

Da aber das Gehirn untereinander verschaltet ist und Veränderungen sich auf das Gesamthirn übertragen und die Verbindung zwischen den beiden Gehirnhälten, das corpus callosum eine erhebliche Rolle spielt in Bezug auf ganzheitliches Lernen und Lernzuwächse überhaupt, verwundert das Ergebnis der Untersuchung keineswegs.

Es ist also nur zu empfehlen, dass wir immer wieder Dinge sehr bewusst mit unserer sogenannten schwächeren Hand tun und auch im Hinblick auf Lernen und Fühlen neue Bahnen gehen.

Überhaupt kann es sehr segensreich sein zu erkennen, dass es viel Raum gibt für neue Bahnen; normalerweise liegen sie im Dunkel unseres Bewusstseins. Auf einmal, wenn wir auch die ungewohnte Seite einbeziehen, richten wir nicht mehr unsere Blicke auf die gewohnten Anziehungspunkte, wir denken vor dem Einschlafen den Tag noch einmal rückwärts, wir verwenden die Maus mit der anderen Hand und spülen mit links.

Mit der Zeit könnten wir feststellen, dass wir Dinge mit "links machen", die sonst immer so aufwändig waren und auch unsere Sinne und unser Denken sich ungewohnte Areale erschließen.

Freitag, 24. November 2017

Seniles Schauspiel. - Lass einfach gut sein, Horst!

Horst Seehofer schreckt wirklich vor nichts zurück: Nachdem er wieder etwas Oberwasser aufgrund der Komplimente für seine Verhandlungsführung in Berlin bekommen hat und sein Ego durch seine parteiinternen Claqueure (mittels intensiver Gespräche) zu voller Größe wieder hat aufrichten lassen, spielt er nun in München mit seiner Partei Jamaika, das neue Spiel, bei dem alle verlieren. Dass allerdings Waigel, Stoiber und Stammler sich für dieses senile Schauspiel missbrauchen lassen, ist nachgerade unverständlich.

Jeder weiß, wie Horst Seehofer agiert. Damit er Söder schaden kann, scheute er nicht davor zurück, Ilse Aigner aus Berlin nach Bayern zurückzubeordern, um sie als Konkurrentin gegen Söder aufzubauen, oder Guttenberg zum Wahlkampf nach Bayern einfliegen zu lassen. Erfolgreich war beides nicht, höchstens teuer.
Nun schreckt er auch nicht davor zurück, die politische Kultur in Deutschland weiter den Bach runtergehen zu lassen. Nun nämlich darf die CSU bis zum 4. Dezember warten, was der große Alte zu gebären gedenkt, eine Zumutung sondergleichen, die auch die diversen Gremien der CSU der Lächerlichkeit preisgibt. Sie alle werden ja von dem großen Vorsitzenden am Nasenring durch die Polit-Manege gezogen, genauer gesagt: vorgeführt.
Als ob man dieses Gremiums der CSU-Altersriege bedürfte, um eine klare Entscheidung zu fällen, die schon längst überfällig ist.

Wer in Mannschaftssportarten auf Zeit spielt, wird verwarnt. Das hätten Waigel, Stoiber und Stammler auch tun sollen, anstatt dieses Seehofer-(Zeit)-Spielchen mitzuspielen. Vielleicht hat ihr Ego ihnen ja auch den klaren Blick verstellt. Auf einmal sind sie wieder wichtig.

Man fragt sich: Was will denn dieser Achtunsechzigjährige eigentlich noch? Vielleicht doch noch Ministerpräsident bleiben? Auf jeden Fall Parteivorsitzender? Oder doch auch beides?
Warum nicht?

Nur übersieht man dabei den Wähler.

Der hat von diesen Ego-Spielen geriatriegefährdeter Politiker einfach nur die Nase voll.
Und ich bin überzeugt, er lässt sich das immer weniger gefallen.

Man möchte Söder, soweit man ihn sich als Ministerpräsidenten wünscht, eigentlich nur raten, es nicht zu werden, denn der Seehofer-Negativsog könnte bis zur Bayern-Wahl 2018 anhalten.
Und darüber hinaus.

Man mag es solchen Parteien wie der CSU, die sich solche Spielchen erlaubt und in der offensichtlich niemand in der Lage ist, sie zu unterbinden, wenigstens aber Kritik zu üben, wünschen.
Diese Art von Polit-Theater ist einfach nur eine Zumutung.

Mehr und mehr zeigt sich: Eine Kultur, die als Demokratie gedacht war, geht ihrem Untergang entgegen, weil sie eben keine ist, sondern dazu dient, dass sich einige wenige zelebrieren.
Angesichts einiger Politiker, die wirklich dem Volk dienen und nicht sich selbst, ist das bedauerlich.
Vielleicht sollte man ein Verfahren finden, in dessen Rahmen man Menschen wählen kann. Wählt man Parteien, wählt man automatisch solche Politiker wie Seehofer, Dobrindt und Co. mit.

Dienstag, 14. November 2017

Minister aus den Emiraten: Deutsche Moschee-Kontrolle zu lasch! Spiegel- und Focus-online berichten.

Mag es Bequemlichkeit sein oder ein verkommener Begriff von Liberalität zusammen mit der Tatsache, dass Merkel-Deutschland unter Führung dieser Frau drängende Probleme seit Jahren nicht mehr angeht
Man muss sich schon verwundert Augen und Ohren reiben, dass ein Minister aus den Emiraten unter anderem den unten zitierten Satz in gewiss mahnender und vielleicht auch tadelnder Absicht so deutlich aussprechen muss.

Auf Spiegel-online wird Scheich Nahjan Mubarak Al Nahjan aus den Vereinigten Arabischen Emiraten folgendermaßen zitiert:

"Man kann nicht einfach eine Moschee öffnen und jedem erlauben, dorthin zu gehen und zu predigen. Es muss eine Lizenz dafür geben" (auch Focus-online berichtet).

Bekanntlich hat die Bundesregierung in der Vergangenheit tatenlos zugesehen, wie annähernd 1000 Imame aus der Türkei, ausgerechnet durch den demokratieresistenten Erdogan finanziert, hier ihr (Un)Wesen trieben; sie hatte ihnen ja selbst die Lizenz erteilt. Ob jene Imame, die wegen ihrer Spionage für die Türkei in Sachen Gülen abgezogen wurden, nicht längst wieder da sind - wen kümmert das hierzulande, wo fast tatenlos zugehört und -gesehen wird, wenn in Moscheen Aussagen aufgezeichnet werden wie: "Demokratie ist für uns nicht bindend. Uns bindet Allahs Buch der Koran."

Dass Deutschland 1984 unter dem CSU-Innenminister Zimmermann einen Vertrag mit der Türkei über eine Zusammenarbeit mit der „Türkisch-Islamischen Union der Anstalten für Religion“ (Ditib) abgeschlossen und offensichtlich wichtige Dinge nicht geregelt hat - jene Lizenz, die ich eben angesprochen habe -, ist typisch für die blauäugige Biedermeier-Politik Deutschlands. Was mich in diesem Zusammenhang auch interessieren würde, ist, was aus der zu Beginn dieses Jahres ausgesprochenen Forderung des CSU-Bundestagsabgeordneten Alexander Radwan, Leiter des Arbeitskreises „Islam“, geworden ist, Deutschland solle diesen Vertrag kündigen. Diese Partei tut sich ja des Öfteren durch Maximal-Forderungen hervor, die aber doch meistens auf dem Müll der Geschichte landen.

Hinweisen möchte ich hier nochmals auf die Rolle des von der Bundesrepublik wohlwollend finanziell unterstützten Ditib, der ja auch Pilgerreisen nach Mekka organisiert, auf denen, so berichtete Panorama 3 ein Teilnehmer ein Propaganda-Bild des türkischen Präsidenten RecepTayyip Erdogan mit: „Mein Führer, gib uns den Befehl und wir zerschlagen Deutschland“, unterschrieb.

Wen wundert all das noch, wo doch Merkel den Saudis die Bundeswehr anbiederte, damit sie deren Militär ausbilde, und Waffen in Mengen an Saudi Arabien verkauft, an ein Land, das bekanntlich den Terrorismus schlimmster Sorte auf der Welt finanziert und mittels militanter Salafisten dieses Land unterwandert.

Wie man das mit dem C der CDU in Übereinstimmung bringt, von dem ganz normalen Menschenverstand, dem sich da alles sträubt, ganz zu schweigen, verstehen in diesem Land schon lange viele nicht mehr. Ich verstehe nur nicht, warum genau diese so vielen eine in so wichtigen Dingen blinde und zugleich handlungsunfähige Frau gewählt haben.

Nun zimmert sie sich wieder eine Regierung zurecht, um weiter in Deutschland politisch manschen zu können. Dieses Zurechtzimmern dürfte ihr nicht schwerfallen, da sie sich allen Positionen der Grünen, der FDP und der CSU anschließen kann. Eigene Standpunkte hat diese Frau bekanntlich nur in Ausnahmefällen.

Was man nicht alles tut, um die mächtigste Frau der Welt zu bleiben.

Tatsächlich gibt es Leute, die glauben, dass sie 2021 freiwillig in den Ruhestand geht. Man kann nur hoffen, dass sie baldmöglichst das absehbare Schicksal Horst Seehofers ereilt. Aber wer in dieser degenerierten CDU sollte Entsprechendes bewerkstelligen können?

Samstag, 11. November 2017

Ohne Untergrund geht gar nix! - Ich habe die Straßenbauer bewundern gelernt. - Das sind echte Könner!

Ehrlich gesagt, habe ich sie bewundern gelernt, die Männer, die mit tonnenschweren Betonkanalrohren jonglieren und sie zentimetergenau 6 bis 7 Meter tief im Boden versenken, genau ineinander verpasst. Das muss man erst mal hinbekommen, der Untergrund muss stimmen, die exakte Tiefe, vor allem, wenn an der Oberfläche der Kanaldeckel die richtige Höhe haben muss, und dann dürfen keine weiteren Rohre und Leitungen, die in unterschiedlichen Höhen die Straße queren oder parallel laufen, beschädigt werden, weder beim Aushub der Erde noch beim Einsetzen der Spundwände, auch nicht bei ihrem oft, weil sie sich zu fest mit dem Erdreich verbunden oder verkantet haben - mühseligen Heraushämmern, dass es den Bagger vor Anstrengung hinten anlupft, auch nicht beim Wiederverfüllen und Verdichten des Erdreichs über den verlegten Rohren.
Da werden mit dem Bagger bis auf den Zentimeter vorhandene Kanalrohre und Leitungen freigelegt, dass man nur staunen kann, wie gekonnt die Leute arbeiten und welche Qualität die modernen Bagger aufweisen. Vom Führerhaus werden die einzelnen Schaufeln oder Verdichter gewechselt, ohne dass irgendjemand noch Hand anlegen muss.
Chapeau jedenfalls!

Weiter unten sieht man: Die Arbeit ist getan, die Straße darf jetzt etwas zur Ruhe kommen, samt den Anwohnern (unglaublich übrigens, wie relativ geräuschgedämpft heutige Bagger arbeiten):



Hier steht sie noch aus, die Arbeit (die Bilder lassen sich für den, der Genaueres sehen möchte, in der Regel großklicken):


Und ein, zwei Wochen später sieht es so aus - work in progress:


Die Spundwände sichern die Rohrverlegung in bis zu 7 Meter Tiefe ab. Ihr Abstand muss genau stimmen und das Einsetzen ist Zentimeterarbeit:


Manchmal wollen sie nicht weit genug rein, dann hilft der Bagger nach:



Und aufpassen auf die Finger(!):


Die Zusammenarbeit der Männer hab ich übrigens bewundern gelernt, da verlässt sich einer auf den andern, denn: Einmal ein falsche Baggerbewegung und der Kollege ist schlimmstenfalls Matsch.

Nun kommt das Wichtigste (ein normaler PKW ist leichter). Da könnten spielend 4 Leute drin sitzen und der Bagger würde nur lächeln:



Vorsicht, da steht einer(!):



Kommunikation ist wichtig, ob per Zeichensprache oder verbal (manchmal hab ich mich gewundert, wie die Arbeiter sich verstehen bei dem Lärm, aber mittlerweile glaube ich, die haben sich so eine Art Tele-Akustik zugelegt):


Teilweise ist es ein echtes Gezirkel, aber die Leute haben die Ruhe weg. Manches Rohr will noch mal einen längeren Blick auf den Himmer werfen - verständlich:



Verständlich, wenn man sein Schicksal sieht (mach´s gut die nächsten 40, 50 Jahre):



Vielleicht sollten wir unseren Straßen und den Männern, die da für uns arbeiten und sicherlich nicht überbezahlt werden, ab und an mal dankbar sein. Wo sie uns doch einiges ermöglichen


und genau hier momentan arbeiten:



Samstag, 28. Oktober 2017

Reformationsgeschichte als Heimatkunde. Von Ohrfeigen auf der Kanzel und einem Einschussloch im Messgewand . . .

Von einem Raubritter, der Monstranzen zu Geld machte, von Kollekten, die während der Predigt gesammelt und gleich an Arme und Bedürftige verteilt wurden und warum die Frau eines Lutheraners zur Strafe des öffentlichen Steintragens verurteilt wurde, von dem Vorwurf, Kinder in deutscher Sprache zu taufen, sowie einem Heiligenholz, das zum Mittelpunkt einer Auseinandersetzung wurde:
Die Jahrzehnte, die auf Luthers 95 Thesen folgten, ließen an Turbulenzen nichts zu wünschen übrig, Handgreiflichkeiten, Gefängnisstrafen, Vertreibungen inclusive – darüber berichtet ein liebevoll gestaltetes Buch.
mehr hier

Freitag, 27. Oktober 2017

Was Christian Lindner und Helene Fischer gemeinsam haben!

Authentisch wie eine Litfaß-Säule, frei wie eine Marionette ihres medialen Egos, gestylt bis zum Anschlag, makellos, perfekt vermarktet.

In der gestrigen Lanz-Sendung ging Christian Lindner ausnahmsweise seiner eigenen Perfektion auf den Leim, indem er sich, mit dem Rücken zum Publikum im Kreis der anderen Gesprächsteilnehmer sitzend, mehrfach bewusst umdrehte und das Publikum in seiner unnachahmlich gekonnten Weise mit einbezog, bewusst zu ihm sprechend, so dass Markus Lanz sich irgendwann einen leisen Seitenhieb nicht verkneifen konnte, indem er zu erkennen gab, dass das professionelle Styling doch vielleicht übertrieben sei. Danach unterließ die personifzierte FDP diese lächerliche Attitüde.

Eigentlich schien mir die Zeit langsam zu Ende zu gehen, da Politiker suggerieren wollten, sie seien perfekt und hätten auf alles eine Antwort, aber die neuen zahmen Wilden à la Macron und Lindner setzen wieder auf Hochglanz-Politur und darauf, auf alles eine Antwort zu haben, wobei man sich nicht täuschen lassen sollte: 


Helene Fischer spricht ihr zigtausendfaches Publikum ganz vertraut mit Ihr Lieben an, erzählt Persönliches und spielt gekonnt auf der Klaviatur des Ach, wie lieb wir uns doch alle sind
Hochglanz und diese Art warmer Herzlichkeit scheinen sich offensichtlich nicht ausschließen. - So jedenfalls tickt unsere Zeit. - Mit wie vielen ihrer Fans sie allerdings tatsächlich in Liebe zu tun haben wollte, lassen wir mal dahingestellt.

Klar ist Deutschlands Helene eine sympathische Erscheinung, wenn auch ihre Stimme immer irgendwie gleich klingt, ob sie das Ave Maria singt oder atemlos durch die Nacht rauscht. Ihr Markenzeichen, das Ton-Absackenlassen, dieses Abkrächzen am Ende einer Liedzeile oder wo es sich eben ergibt, ist in wirklich fast jedem Lied vielfach zu hören ist. 

Man kann sich auch nur schwer darüber hinwegtäuschen, dass ihre Lieder duchgängig die gängigen sprachlichen Hülsen, Klischees und Versatzstücke verwenden, wenn auch im topaktuellsten musikalischen Gewand, und gerät die Musik wie in den letzten so erfolgreichen Produktionen wie z.B. Herzbeben bewusst aus dem Takt, so ist das Absicht  und sie wird umso effektiver wieder eingefangen.
 

Klar kann man durch die Halle schweben und Pirouetten drehen, warum nicht, wo es der Körper doch hergibt. Der gibt auch her, sich fast nackt zu zeigen wie in ihrem letzten vehement promoteten Video. Noch ist ein gewisses Steigerungspotential da. Nackt geht auch.
Nur: 


Mitmachen muss sie das nicht, immer mehr ein Abziehbild ihrer selbst und damit dieser Gesellschaft zu werden, jedermanns Helene. Es gibt Beispiele großer Künstler, die sich nicht so maßlos vermarktet und selbst aufgegeben haben. Gleiches gilt auch für große Politiker.

Wie sehr hat alle Welt betont, dass sich die Pfiffe der Fußballfans im letztjährigen Pokalfinale im Rahmen ihres Halbzeitauftritts nicht gegen unser aller Helene gerichtet haben. Doch sie haben sich sehr wohl auch gegen sie gerichtet, denn nicht wenige haben ihr auch sagen wollen: Hier hast Du nichts verloren. Dräng dich nicht überall rein. Dieses Stadion will dich nicht!

Nicht, dass Leute wie Christan Lindner und Helene Fischer mediale Clowns sind, aber sie sind Klone, medial zurechtgestutzte Klone. Und es ist eben ein Kennzeichen dieses Klon-Daseins, dass diese Menschen das Gefühl haben, sie verwirklichten sich selbst und seien frei. Weder ein so intelligenter Mensch wie die personifzierte FDP kann dieser Narzissmus-Falle widerstehen noch ein sich so herzlich-warm gebendes Pin-up-Angebot wie Helene Fischer. 

Zu jeder Phase seines Sprechens - und er spricht gekonnt, frei, gern - supervisiert sich Christian Lindner selbst, nimmt jede Nuance wahr, auch wo eine Aussage die gekonnte Spur verlässt - gleich nimmt er mögliche Einwände vorweg -, hat den Interviewer im Blick, das Publikum, ganz Deutschland. Da müssen sich die Steinmeiers, Özdemirs, Dobrindts, Klöckners und von der Leyens, die auch auf diesem Zug mitfahren, ziemlich weit hinter ihm anstellen, obwohl sie sich doch auch so sehr bemühen, so bemüht unauffällig bemühen.

Allerdings: Christian Lindner bemüht sich gar nicht um Unauffälligkeit, im Gegenteil, wie zigtausende Wahlkampfplakate zeigten, und hat alles im Griff, und wenn es nicht so wäre, würde er auch das Gegenteil gekonnt vermarkten. Immer smart. Gern leicht, aber dennoch erkennbar gekünstelt lächelnd. 

Irgendwie sehen seine Gesichtszüge für mich dann ziemlich eingefroren aus.

Ich bin sicherlich nicht der Einzige, der annimmt, dass diese Seifenblasen irgendwann platzen.
 

In Wahrheit suchen Menschen nicht solche Menschen.
 

Aber auf der Suche nach sich selbst ist die Gefahr groß, dass man solch illuminierte Seifenblasen toll oder zumindest gut findet. Man kann in solchen Zeitgenossen endlich ausleben, was einem selbst verwehrt ist. Das garantiert, dass man sich selbst nie findet.

Ich hatte in der letzten Zeit die leise Hoffnung, unsere Gesellschaft würde und wollte solche Politikertypen - in der Musikszene ist es sicherlich anders - und Menschenmasken nicht mehr produzieren.

Vielleicht aber fallen doch weniger auf die Lindners und Fischers unserer Zeit herein, als man momentan anzunehmen geneigt ist. 

Dass sie auch andere Seiten haben, steht außer Frage und dass sie ihre mondäne Hochglanzseite leben, berechtigt im Übrigen nicht dazu, sie in irgendeiner Weise zu verachten. Ich möchte nur sagen: Ich lege keinen Wert auf solche Zeitprodukte. 

Wobei ich gern darauf verzichte, deren dunkle Seiten, wie wir sie alle haben, sehen zu müssen; eins ist gewiss: Je hochgeglänzter sie sich geben, desto dunkler sind diese Seiten (je höher die Berge um einen See, desto tiefer und dunkler ist er, auch wenn man es nicht sieht). Das gilt auch für die tolle Helene und den tollen Christian, selbst wenn sie alles tun, davon abzulenken. Im Endeffekt nützt das niemandem, im Gegenteil.

Dienstag, 24. Oktober 2017

Hallo Euro-Parlamentarier: Wo ist unser Geld geblieben? - Bitte Aufforderung unterzeichnen!

Ich kenne einige Leute, bei denen das Geld Richtung Monatssende knapp wird und das, obwohl sie eh nur das Notwendigste kaufen. Und in den letzten Wochen hab ich zweimal erlebt, dass Leuten an der Kasse des Supermarkts ein paar Cent gefehlt haben. - Von wegen reiches Deutschland. Für immer mehr gilt das nicht!

Bitte unterschreiben!



Wir wollen wissen, wofür unser Geld ausgegeben wird. Unterschreibt den Appell für Transparenz über alle Ausgaben der Europaabgeordneten.

Sonntag, 15. Oktober 2017

Angela Merkel: Warum eine so defizitäre Mutti solch ein „Erfolgsmodell” sein kann!

Selten habe ich eine zutreffendere Analyse in Bezug auf das Merkel-Syndrom gehört, wie sie im teilweise hier aufgezeichneten You-Tube-Beitrag vorliegt. Hans-Joachim Maaz zeigt auf, worin die Tragik der Merkel-Wiederwahl besteht, wobei er auch auf den frühkindlichen Bildungswahn eingeht, dem in unserer Gesellschaft die Bedeutung zukommt, die notwendige frühkindliche Bindung, vor allem zu den Eltern, zu ersetzen. Diese Erziehung aber sichert Schein-Muttis, wie Merkel eine ist, die Macht.

Zwei Punkte vorweg: Die folgenden Ausführungen von Hans-Joachim Maaz habe ich einem Gespräch entnommen, das Eva Hermann im Rahmen der Wissensmanufaktur mit ihm und Andreas Popp führte.

Ich habe bewusst Ausführungen zur frühkindlichen Erziehung mit hineingenommen, weil sie deren Auswirkungen in gebotener Kürze klar benennen. Darauf basieren im Anschluss weitere Analysen im Hinblick auf Angela Merkel.

Zu der Tatsache, dass sie wiedergewählt worden ist, äußert sich Maaz zunächst wie folgt, und auch wenn er zu Beginn einen psychoanalytischen Begriff einführt, um seine Sicht deutlich zu machen, lohnt es sich auch für den, der allem Theoretisieren abhold ist, genau hinzuhören, denn seine Analyse ist bemerkenswert {anmerken möchte ich noch, dass ich Ergänzungen meinerseits in geschweifte Klammern gesetzt habe}:


Man muss den Begriff der Übertragung verstehen: 

Wir übertragen alle, ohne das wir das merken, frühe Erfahrungen, so wie wir geprägt wurden, auf andere Personen und natürlich sind prominente Personen, Politiker, also alles, was irgendwie oben ist, geeignet, sowohl Hoffnungen, Erwartungen, aber auch Enttäuschungen zu übertragen.
Das hat einen wichtigen Sinn: Wenn man Hoffnungen und Erwartungen überträgt, dann muss man das eigene Defizit nicht erleiden {sich also der Erfahrungen, die man in der frühen Kindheit gemacht hat, bewusst zu werden}. Und wenn man Hass oder Enttäuschungen überträgt, dann muss man nicht die eigene Problematik, wie man voller Hass ist, also die Kränkungen, nicht erleben, weil man die jetzt projizieren kann auf einen anderen.


Frau Merkel, ich würde sie heute bezeichnen als eine Politikerin, die im Grunde Opium für das Volk bedeutet. Und zwar in dem Sinne, dass sie den Anschein erweckt, mit solchen Phrasen wie alternativlos oder wir schaffen das, dass wir nicht in einer schwerwiegenden gesellschaftlichen Krise sind.


Merkel als personifizierte Illusion: Es geht so weiter!

 
Im Grunde brauchten wir Politiker, die uns helfen, darüber nachzudenken und Entscheidungen zu treffen, wie wir denn weiterleben können. Denn so wie jetzt können wir nicht weiterleben. Und Frau Merkel verkörpert aber diese Illusion, wir könnten so weiterleben, es geht so weiter. Und ich glaube, das ist für viele Menschen im Übertragungssinne eine falsche Hoffnung, eine Illusion, es könnte alles so bleiben.
Und deshalb wird sie wiedergewählt, und das halte ich für eine große Tragik, weil damit im Grunde genommen für die nächste Zeit das verpasst wird, was wir begreifen müssten, die Veränderungen, wir müssten nach neuen Lebensformen suchen, nach neuen sozialen Projekten suchen. Und das wird {durch die Wiederwahl Merkels} erstmal wieder zunichte gemacht (. . .)


Es gilt, zwischen Erziehung und Beziehung zu unterscheiden


{4.25´} Wir wissen, und das ist überhaupt kein Thema mehr, das ist wissenschaftlich so ausreichend gesichert, dass es schon erschreckend ist, wie wenig das in der Öffentlichkeit und vor allen Dingen in der Politik zur Kenntnis genommen wird, dass die ersten Lebensjahre des Kindes darüber entscheiden, wie er später als Mensch, als erwachsener Mensch, als Persönlichkeit aufgestellt ist.
 

Also es geht um die Qualität der ersten Beziehungserfahrungen.
 

Wir unterscheiden ganz deutlich mittlerweile zwischen Erziehung und Beziehung. 
Erziehung ist immer negativ behaftet, weil autoritär das Kind zum Objekt gemacht wird und Beziehung wäre von vorneherein eine Subjekt-Subjekt-Beziehung zwischen Erwachsenem und Kind. Und die Qualität der Beziehungen, die dem Kind angeboten wird - und das differenzieren wir nach mütterlichen und väterlichen Beziehungsqualitäten -, entscheiden darüber, wie dieser Mensch sich entwickeln kann, und das Häufigste, was heute der Fall ist, ist ein narzisstisches Defizit, und das heißt, das Kind wird nicht mehr bestätigt als das, was es ist, sondern, was es werden soll.
 

Es wird nicht um seiner selbst willen geliebt und das hinterlässt eine schwere psychische Last, die man dann später versucht zu kompensieren durch besondere Anstrengungen, durch Leistungen.

Die Tragik ist: Man kann sich Liebe nicht verdienen. Wenn sie nicht gegeben ist, ist sie eben für alle Zeit verloren, aber die Anstrengung, die Menschen dann unternehmen {um diese nicht erhaltene Liebe nach- und einzuholen} bleiben hoffnungslos, {sie} werden eigentlich süchtig, weil es nie mehr die Befriedigung geben kann, die verloren gegangen ist.


{6.15´} Deshalb ist die Frage der Frühbetreuung der Kinder die entscheidende Frage für die Gesellschaftsentwicklung und für die Zukunft. Wenn wir die Kinder schlecht behandeln, sie narzisstisch nicht ausreichend bestätigen {gemeint ist hier: die Liebe zu sich selbst zu fördern und ihre ureigene Individualität wahrzunehmen}, haben wir später Süchtige in jeder Form, Leistungssüchtige, aber auch, wer gekränkt wird als Kind, wer nicht so geliebt wird, hat eine berechtigte Empörung, einen Hass. 


Hass, den man nicht losgeworden ist!


Das ist ja die Quelle, weshalb dann Menschen krank werden! Sie belasten sich mit ihrem Hass, den sie gegen die Eltern oder gegen die verantwortlichen Beziehungspersonen nicht losgeworden sind und später ist das die Quelle dann auch für allen möglichen Fremdenhass; Andersdenkende werden gehasst oder Politiker, der Nachbar oder der Partner selbst wird gehasst, projektiv, um die Spannung loszuwerden.


Die Tragik ist: Es ist eine berechtigte Empörung da {eben weil dem Kind Liebe fehlte, weil es werden musste, wie andere es haben wollten}, die aber leider unberechtigt am falschen Objekt später abreagiert wird. Und das ist, sozial gesehen, eine Tragik (. . .)


DDR-Verhältnisse in ganz Deutschland

 
{7.45´} Ich bin entsetzt darüber, dass im Grunde genommen DDR-Verhältnisse in ganz Deutschland, was die Frühbetreuung anbetrifft, {anzutreffen sind} und dass ökonomische Zwänge, kann man fast sagen, dahin führen, dass Kinder nicht mehr gut frühbetreut werden.
 

Ich habe ja den Begriff der Normopathie gefunden, wenn wir von flächendeckenden Problemen ausgehen.
Also ist das, dass die Fehlentwicklung, das Kranke, das Gestörte nicht mehr als solches wahrgenommen wird, sondern für normal gehalten wird, normo-pathisch, nur weil dann die Mehrheit betroffen {ist}. Wenn ich so bin wie die anderen und es da keinen Unterschied gibt, dann glaubt man, das ist alles in Ordnung, das ist richtig, und merkt nicht, wie im Grunde genommen die Mehrheit dazu beiträgt, dass die Gesellschaft sich fehlentwickelt.
 

Das haben wir: Wir haben eine süchtige, narzisstische Gesellschaft, eine grenzenlose, die im Grunde genommen die Natur zerstört, die sozialen Verhältnisse kaputt macht, ganz abgesehen von den persönlichen Schicksalen, die also mit Krankheit und Beschwerden {verbunden} sind.

Der üble Trick bezüglich Bildung und Bindung

 
{9.00´} Die Qualität der Frühbetreung - und das ist ein übler Trick, wenn wir von früher Bildung sprechen -. also Kleinstkinder brauchen keine Bildung, sie brauchen Bindung.  

Bindung heißt, eine gesicherte Beziehung, natürlich in erster Linie zur Mutter, weil die Mutter hat einen Bindungsvorlauf durch Schwangerschaft, Geburt, Stillzeit, was schon ungefähr 50 Prozent ausmacht von dem, was das Kind an positiver Bindung braucht. Also diese Bindung, dass eine Mutter in der Lage ist zu vermitteln Du bist mein Kind, ich liebe dich, so wie du bist, ich werde mich um dich kümmern, ich nehme dich an, ich verstehe dich, ich will auch herausfinden, wer du bist und nicht dir sagen, wie du sein sollst, und wir wissen, früh gut gebundene, das heißt bestätigte, narzisstisch im besten Sinne gesättigte Menschen, die bilden sich von selbst, das Bildungsbedürfnis ist ein Naturbedürfnis. 

Also ein gut gebundenes Kind wird die Welt neugierig erobern wollen; es braucht keine Nötigung zur Bildung und dieser üble Trick, dass man glaubt, man kann Bindung durch Bildung ersetzen, ist im Moment der i-Punkt einer tragischen Entwicklung (. . .)
 

Frau Merkel eignet sich hervorragend als defizitäre Mutter
 

{14.00´} Wenn die frühe Bindung nicht stabil ist, dann heißt das, der Mensch weiß nicht, wer er ist, was er will, was er kann, er weiß nur, was er soll. 
Deshalb ist die Gefahr, sich in Gruppen zusammenzufinden, die dann vorgeben, das und das zu machen ist jetzt richtig, weil ich selber nicht mehr weiß. Und dasselbe betrifft die Frage der Ethik (. . .)
 

(Eva Hermann: Deutschland hat gewählt, Frau Merkel bleibt Kanzlerin, die Ausnahmeerscheinung. Man nennt sie ja auch Mutti Merkel - warum eigentlich Mutti, passt das? - Maaz:)
 

{15.42´} Weil sie nicht wirklich Mutter ist. Weder als Frau noch in ihrer Politik.
 

Die zentrale Qualität der Mütterlichkeit ist ja Empathie, zu verstehen, verstehen zu wollen, wie es dem anderen geht. Ich erinnere, ich glaube es war eine Sylvester-Ansprache, 2014 vielleicht, wo sie gewarnt hat vor Pegida: Geht da nicht hin, das sind Menschen, die haben Kälte und Hass im Herzen! Geht da nicht hin!
Also, das ist eine gewisse Form von Hetze. Man hetzt gegen Menschen auf.
 

Als Regierungschefin - und als mütterliche - wäre sie meiner Einschätzung nach verpflichtet zu sagen und zu tun: 
Ich muss zur Kenntnis nehmen, da gibt es offensichtlich Menschen, die haben Probleme, die haben Kälte und Hass im Herzen, kann man sagen, wenn das so ist, ja. Das macht mir Sorge, das macht mir als Regierungschefin Sorge. Das muss doch etwas mit unserer gesellschaftlichen Situation zu tun haben - und wenn ich mütterlich wäre, erst recht.
 

Da sind „Kinder”, denen geht es schlecht, die sind angstvoll oder hassvoll - wo kommt denn das her, die werden ja nicht so geboren und sie leben in diesem unseren Land. Und es muss etwas mit diesem unserem Leben in diesem Land zu tun haben!
 

Das wäre mütterlich.
 

Jetzt bekommt sie aber fast ironisch abwertend, manchmal auch so verlogen liebevoll den Titel Mutti, als Übertragungstitel, und den verstehe ich so:
 

Viele Menschen haben eben keine wirklich gute Mütterlichkeit erfahren, sie sind defizitär geblieben, und da eignet sich Frau Merkel wieder hervorragend als eigentlich defizitäre Mutter - in der Übertragung.
 

Man muss die Paradoxie verstehen: Wenn sie eine wirklich gute mütterliche Frau wäre, vielleicht sogar noch mit erotischer Ausstrahlung oder sowas {raunendes Lachen im Auditorium}, wäre sie für die meisten Menschen so bedrohlich, weil sie genau das nicht erlebt haben. Sie wären also erinnert an ein Defizit und würden mit der eigenen Problematik zu tun haben. 
Da sie das aber nicht ist, können sie in Ruhe Mutti Mutti sein lassen, in der Illusion, so wie es ja auch die meisten Kinder dann gemacht haben: Wenn die Mütter nicht gut waren, hat das Kind ja nicht verstehen können, das liegt an der Mutter, sondern hat immer gedacht: Es liegt an mir; ich bin nicht gut genug, ich bin nicht liebenswert und haben angefangen zu rödeln, um zu beweisen.
 

Ich glaube, dieses Thema spielt eine Rolle, dass Frau Merkel auf ihre Art und wie sie Politik macht, den Anschein erweckt: Es ist alles gut.
 

Als gute Mutter müsste sie ja auch das Bedrohliche, die Angst aufgreifen, das Hassvolle, das da ist, aufgreifen und verstehen, und da sie das nicht tut, bleiben die Menschen unbelastet davon, oberflächlich, deswegen dieser Begriff Opium für das Volk

Es wird also zugedeckt damit, da sie nicht wirklich regiert, nicht wirklich entscheidet, keine wirkliche visionäre Entwicklung für die Zukunft hat, die ja immer in unserer Situation schmerzlich, bitter, hart sein müssen. Das müsste man uns, den Bürgern zumuten (. . .)

(19.40´) Seehofer hat´s ja versucht, so ein bisschen zu bellen gegen Mutti (. . .)
 

Vielleicht ist ein gutes Beispiel dieses sogenannte Duell, wo ich sage, das ist ja eher ein Duett gewesen, mit Martin Schulz und so:
 

Wie offensichtlich ein Mann, der Erfolge hat, an der EU-Spitze stand, gegenüber Mutti Merkel - Entschuldigung - wie ein Hündchen ist, ganz brav, ganz angepasst. Als ich das sah, war mir klar, die SPD hat überhaupt keine Chance. Er hätte antreten müssen, er hätte wirklich angreifen müssen, er hätte die ganzen Fehler, die Frau Merkel gemacht hat benennen müssen und angreifen müssen. 
Gut, ich weiß, die SPD war mit an der Regierung, aber er hätte zumindestens sagen können: 
Ja, wir waren, die SPD, mit in der Regierung, wir mussten manche Dinge mitmachen, weil es die Koalition verlangt hat, aber jetzt ist zu Ende, jetzt packe ich mal aus: das und das und das. - 
Das wäre eine Chance für die SPD gewesen und das hat er nicht gemacht, nicht nur, weil er, denke ich, ideologisch eingeschränkt ist, sondern weil er auch Angst vor Mutti hat. Er muss, bin ich ziemlich sicher, ein bedeutendes Mutterproblem haben (. . .  Gesamtlänge 52.54´)


https://www.youtube.com/watch?v=P3dCH_tUOD4&feature=em-subs_digest 


Montag, 9. Oktober 2017

Wer kann diese lächerliche Politik noch ernst nehmen?

Es ist schon unglaublich, was der deutschen Bevölkerung zugemutet wird und mit welcher versuchten Ernsthaftigkeit sich Merkel und Seehofer selbst vorführen und so tun, als nähmen sie sich selbst noch ernst. Niemand aber, der in der deutschen Öffentlichkeit Gewicht hat, erlaubt sich endlich einmal für dieses politische Schmierentheater ein klares Wort.

Da inszeniert sich ein bayrischer Papiertiger, der immer Mühe hat, wenigstens auf dem Bettvorleger zu landen, mit seinem Obergrenzen-Gedöns. Die Kanzlerin lehnt das monatelang strikt ab, und dann setzen sich beide Parteien zusammen, wollen mit der größten Selbstverständlichkeit ernst genommen sein und bieten etwas an, was das Wort Obergrenze vermeidet, aber die Zahl 200 000 enthält. – Nun hat Seehofer seine Zahl, aber nicht das Wort.

Geht´s eigentlich noch lächerlicher?

Seehofer wird mittlerweile kaum noch so ernst genommen wie Erdogan - und den nimmt außerhalb der Türkei niemand mehr ernst; und es soll mittlerweile eine ganze Reihe von CDUlern geben, die jeden Tag eine Kerze anzünden, dass Merkel einmal inhaltlich klare Aussagen treffe und Politik gestalte; nicht wenige bezweifeln allerdings, ob sie das innerhalb von vier Jahren lernen könne - oder wolle.

Bevor es das Theater in Gebäuden gab, gab es auf Jahrmärkten den Bänkelsang, oft verbunden mit gespielten Szenen, sogenannten Moritaten und standardisierten Abläufen, in denen ein Hanswurst auftrat, gern auch in einer Haupt- und Staatsaktion; manchmal gab es auch noch eine zweite und dritte Person, was halt dem Besitzer einer Bank, auf der er auftrat, so an Personal zur Verfügung stand.

Tatsächlich konnte der Bänkelsang auch durchaus anspruchsvoll sein, meist aber blieb er auf Seehofer-Niveau: Theaterdonner mit inhaltlichen Versatzstücken.
Seehofer wird nun nach der geschwisterlichen Einigung eine Weile stillhalten, bevor er bei Gelegenheit wieder anfängt, senil zu stänkern (man kann nur hoffen, dass es der bayrischen Bevölkerung endgültig reicht). Die Kanzlerin wird ihn ignorieren - zwei Jahre oder länger, kein Problem -, bevor man sich dann zusammmensetzt und einen Kompromiss findet, der darüber hinwegtäuschen soll, dass beide Parteien längst kein Gesicht mehr haben, also weder sie noch ihre Spitzenfunktonäre eines verlieren können.

Tatsächlich gab es im Übrigen auch fahrende Komödiantinnnen wie eine Friederike Caroline Neuber, in der Zeit Lessings hochgeschätzt. Sie schrieb selbst Stücke und setzte der theatralischen Jahrmarktsmännerwirklichkeit, die vor allem mit Zoten, Rülpsen, Furzen und ähnlichen Äußerungen Theater machte, etwas durchaus Anspruchsvolles entgegen.
Vielleicht hätte Angela Merkel sich mit dieser Neuberin, wie sie genannt wurde, befassen sollen, denn diese Frau hatte Mut, die Dinge beim Namen zu nennen.

Wenn jemand Jahre seines eigenen Lebens vergurkt, ist das seine Sache. Angela Merkel legt dieses Land seit 12 Jahren zunehmend lahm; längst überfällige Probleme geht sie nicht an, seien es der Pflegenotstand, das zukunftsunfähige Rentensystem, ausstehende Maßnahmen zur zeitgerechten Digitalisierung, die veraltete Infrastruktur Deutschlands, Mietnotstand etc. Ab und an macht jemand darauf aufmerksam. Mittlerweile wollen ein Drittel der Bundesbürger sie nicht mehr als Kanzlerin. - Wie sehr Heine recht hatte, wie tief Deutschland schlafen kann.
Momentan hat man eine leise Hoffnung, es könne aufwachen. Leider aber hat das Schicksal Menschen wie Merkel mit Eigenschaften ausgestattet, die weit raffinierter als die Vorstellungskraft ihrer Mitbürger sind.

Normalerweise wird ein Zug von einer Lokomotive gezogen. Aber Merkel, das ist ein großer motorisierter Schlafwagen.

Wirtschaftlich blüht dieses Land, das verdankt es seinen Bürgern.

Dass dieses Land es aber nur zu solch einer so handlungsunfähigen und konzeptionslosen Bundeskanzlerin gebracht hat . . . wer kann das wirklich erklären?

Samstag, 7. Oktober 2017

Nehmt, dass ichs ertrage, mir das Leben, das Göttliche mir vom Herzen. - Hölderlins ehrliches, ketzerisches Flehen.

Friedrich Hölderlins Spiritualität findet sich in seinem Werk auf Schritt und Tritt. Sie hebt sich wohltuend ab von jener oft so falschen, künstlich getunten des Wassermannzeitalters.

Hölderlin führt uns zu Urworten. Seine Worte, die er verwendet, stellen Beziehungen her zu den Ursprüngen des Seins, zu Griechenland, zum Osten -  und dennoch ist ihm Germanien so wichtig, sein Vaterland, seine Schwäbische Heimat.

Oft lassen seine Strophen, wenn man ein erstes Verständnis hergestellt hat, uns neue Türen wahrnehmen. Man geht wohl in Gedanken durch sie hindurch, aber Hölderlins Verse - wie jene in Der blinde Sänger - haben oft eine neue Qualität zur Folge, eine neue Qualität der Sicht auf das Leben.

Wer Interesse hat: hier.

Montag, 25. September 2017

Die CSU hat ein Problem: Horst Seehofer!

Da Horst Seehofer, auch wegen seines hochflexiblen Rückgrats Horst Drehhofer genannt, die CSU ist und davon auch selbst überraschenderweise nicht überzeugt werden muss, merkt die es nicht, wie ihr großer Vorsitzender sie und zugleich sich selbst aussitzt. Ganz wie das seine christliche Schwester Angela mit ihrem Ein-Frau-Betrieb tut (was ja auch legitim ist, wo er doch ihr gehört).

Bis zu Ingolstadts berühmtestem Senioren scheint es sich noch nicht so recht herumgesprochen zu haben, dass viele Bayern seine politischen Kapriolen schlicht satt haben. 
Da war mal die eine Sache, dass man eine Kanzlerin - selbst wenn sie Angela Merkel heißt - auch auf einem CSU-Parteitag nicht am Nasenring durch die Manege zieht, da war der Maut-Klamauk, den mittlerweile selbst viele CSUler als Eigentor ansehen (leider hat die EU dem Ganzen keinen Riegel vorgeschoben, wie nicht wenige hofften), da war das Obergrenzen-Gedöns, das ab irgendeinem Zeitpunkt einem nur noch vorkam wie das Trillerpfeifen im Affenkäfig, und als selbst der adlige Ex-Doktor und Ex-Verteidigungsminister für den Wahlkampf nach Bayern eingeflogen wurde, weil unser Horst seinen verhassten Kronprinzen und Finanzminister geschwächt sehen wollte, haben doch selbst gestandene Mannsleute (von den bayrischen Frauleuten einmal ganz abgesehen) in Bayern nur noch mit dem Kopf geschüttelt.

Das heißt im flächengrößten Land der Bundesrepublik noch nicht, dass ein Bayer nicht doch noch ein Kreuz bei der CSU macht, aber dass es dann tatsächlich doch nur 38,8 Prozent wurden, das hat den Horst - ich vermeide es, mit Bruno Jonas hier nochmals von Vollhorst zu sprechen - dann doch vor den laufenden Kameras am Wahlabend nochmal zu Höchstform auflaufen lassen müssen. 
Immer wenn es eng wird, hat dieser Mann ja die Fähigkeit, die Wortkeulen auszupacken. Das kann er. Aber das könnte auf Dauer der CSU ganz abträglich sein, die letztendlich genauso wie die CDU nach frischem Wind, sprich Personal lechzt. Nur traut sich eben niemand laut zu lechzen, weder in der CDU noch in der CSU. Erfahrungsgemäß überlebt man lautes Lechzen in christlichen Parteien nicht.
Vielleicht gelingt unseren christlichen Parteien - ein Alleinstellungsmerkmal, das sich als Werbegag auch überholt hat - im Rahmen der nächsten zwanzig, dreißig Jahre (glaubt jemand ernsthaft, Angela Merkel hört 2021 auf? Warum sollte sie?), neues Personal aus dem Hut zu zaubern, bevor beide Parteien sich auf geriatrischem Wege selbst zerlegen. Solange kann Horst erfolgreich weitermachen, denn eines steht fest:

Von allen im Bundestag vertretenen Parteien hat in der letzten Legislaturperiode keine der CDU so erfolgreich geschadet wie die CSU mit ihrem Obergrenzen-Horst (und warum sollte sich das ändern?!). Da hat ihr selbst nichts genützt, dass sie mit dem Entwicklungsminister Gerd Müller den, wie ich ernsthaft finde, fähigsten Minister des Kabinetts stellte - kaum jemand hat seine konstruktive Arbeit so erfolgreich totgeschwiegen wie die CSU selbst (vielleicht, weil er gebürtiger Schwabe ist) -, weil sie zugleich den unfähigsten stellte, den Maut-Experten aus Peißenberg.

Jedenfalls verkündete Obergrenzen-Horst noch am Wahlabend vollmundig, „dass wir alles tun werden und keinen falschen Kompromiss eingehen werden, damit wir unseren Bayernplan in den Gesprächen in Berlin durchsetzen werden.“

Das wird voll lustig.

PS Die CDU hat übrigens auch ein Problem. Aber die das muss jetzt erst mal den Regierungs-Rekord von Kohl knacken (irgendwoher müssen ja berufliche Motivationen kommen, wenn sie sich aus der Sache selbst und Freude an der Arbeit schon lange nicht mehr ergeben).

PPS Und noch eine Frage, die mich auch bewegt: Wofür braucht Christian Lindner als FDP 80 Sitze?

Mittwoch, 20. September 2017

Im Kind ist Freiheit allein. In ihm ist Frieden. – Friedrich Hölderlins Bemerkungen zur Kindererziehung.

34-jährig bricht Friedrich Hölderlins geistig-seelische Erkankung erkannbar aus. Zwei Jahre später liefert ein Freund ihn - wir schreiben das Jahr 1806 - in das Tübinger Clinicum ein. Nach seiner Entlassung - die Behandlung muss traumatisch und für Hölderlin immer wieder entsetzlich gewesen sein - gewährt ihm ein ortsansässiger Schreinermeister, der ihn sehr verehrte, eine Bleibe im dadurch so bekanntgewordenen Hölderlinturm am Neckar, bis er 73-jährig stirbt.
Am Himmel Deutschlands war er ein Komet, den kaum jemand zur Kenntnis nahm. Erst viel später hat man erkannt, dass er der europäischen Kultur, Europa, den Himmel erhellte. Einmalig in seinem Strahlen.

Mit dem ein oder anderen Post möchte ich ihn Interessierten näherbringen, auch deshalb, weil es keinen Dichter gibt, der seine deutsche, vor allem auch seine schwäbische Heimat so in den Mittelpunkt seines Schaffens rückte mit Gedichten wie Der Neckar, Heidelberg, Stuttgart, Am Quell der Donau, Die Heimat, Der Rhein, Der Main, Unter den Alpen gesungen und zahlreichen anderen mehr.
Wobei man vorsichtshalber anmerken muss, dass nur wenige seiner Gedichte sich einfach so lesen lassen. Hölderlins mit zunehmendem Alter immer eigenwillig werdender Satzbau, sein emphatischer Stil, seine vielen mythologischen Bezüge, die in seine Zeilen integrierten philosophischen Reflexionen, seine Metrik, die sich gern an den griechischen Hexameter oder auch die asklepiadeische Ode anlehnen - von der des Öfteren eigenwilligen Kommasetzung einmal abgesehen -, lassen einen beim ersten Lesen oft etwas oder gar ziemlich ratlos zurück, wobei die spürbare Atmosphäre die meisten Leser dennoch gefangen nimmt.

Einer der wenigen, die ihm in Deutschland zunächst nahestanden und der ihm auch eine Hauslehrerstelle beschaffte, war Schiller. In dessen Zeitschrift Thalia veröffentlichte er 1793 ein Fragment namens Hyperion - übersetzt Der Darüber-Hingehende. Dann jedoch verließ Hölderlin Jena und Schiller fluchtartig, was Letzterer ihm ziemlich verübelte und - gleichsam als beleidigte Leberwurst - in den Horen nicht gerade freundliche Zeilen ihm hinterhersandte, wobei man wissen muss, dass in Deutschland weite Kreise immer wussten, auf wen da jeweils angespielt wurde.

Für Hölderlin war die Trennung ein Segen. Durch sie fand er zu seinem ureigenen Stil, der sich zunächst vor allem in der endgültigen Fassung des Hyperion zeigte, zwar ein Briefroman und damit in Prosa verfasst, vielleicht aber das lyrischste Prosawerk deutscher Sprache.

Vieles ist darin thematisch wichtiger als Hölderlins bzw. Hyperions Zeilen zur Kindheit - zumindest sind sie in der Sekundärliteratur kaum beachtet -, aber ich finde sie dennoch sehr beeindruckend und für manchen, der die aktuelle frühkindlich-erzieherische Gängelei der Kinder so überzogen, ja schädlich findet wie ich, vor allem auch das viel zu frühe Zwingen ins abstrakte Denken, sprechen sie insofern an, als dass sie das Herz erwärmen, wie es sein könnte, was also eine angemessene Erziehung zu beachten hat.
Klar ist manches, gerade auf dem Hintergrund einer Zeit, in der Kinder mit dem Smartphone in der Hand geboren werden, in gewisser Weise idealisiert.
Dennoch wird deutlich, wie wichtig es ist, Kindern möglichst lange Kindheit zu lassen. Den Frieden der Kindheit bringt nichts wieder. 

Man muss kein Montessori-Jünger sein, um zu wissen, wie wichtig zunächst das ist, was das Kind ins Leben mitgebracht hat und was sich entwickeln will, bevor die Erwachsenenwelt - immer noch geschieht dies viel zu oft - dieses wertvolle Gut zertrümmert.

Die zitierte Stelle findet sich zu Beginn des Romans, im zweiten Brief an Bellarmin. Da blickt der Erzähler, blickt Hyperion vom Ende her zurück auf all das, was er erlebt hat, was im Roman geschildert wird: die Freundschaft mit dem weisen Lehrer Adamas, die Erfahrungen einer unendlichen Liebe zu Diotima, das In-den-Krieg-Ziehen, verleitet durch den Freund Alabanda, der Tod Diotimas, die das gern verhindert hätte und an gebrochenem Herzen stirbt, auch weil Hyperion sich meinte, zu Beginn des Krieges von ihr lossagen zu müssen; die Niederlage im Freiheitskampf der Griechen gegen die Türken; der endgültige Verlust des Freundes. Auf all das blickt der Erzähler zurück, auf die Erfahrungen seiner exzentrischen Bahn, wie Hölderlin das Leben im Thalia-Fragment des Hyperion das Leben nennt und ihm wird bewusst, wie wertvoll Kindheit ist:



Ruhe der Kindheit! himmlische Ruhe! wie oft steh ich stille vor dir in liebender Betrachtung, und möchte dich denken! Aber wir haben ja nur Begriffe von dem, was einmal schlecht gewesen und wieder gut gemacht ist; von Kindheit, Unschuld haben wir keine Begriffe.

Da ich noch ein stilles Kind war und von dem allem, was uns umgibt, nichts wußte, war ich da nicht mehr, als jetzt, nach all den Mühen des Herzens und all dem Sinnen und Ringen?

Ja! ein göttlich Wesen ist das Kind, solang es nicht in die Chamäleonsfarbe der Menschen getaucht ist.

Es ist ganz, was es ist, und darum ist es so schön.

Der Zwang des Gesetzes und des Schicksals betastet es nicht; im Kind ist Freiheit allein.

In ihm ist Frieden; es ist noch mit sich selber nicht zerfallen. Reichtum ist in ihm; es kennt sein Herz, die Dürftigkeit des Lebens nicht. Es ist unsterblich, denn es weiß vom Tode nichts.

Aber das können die Menschen nicht leiden. Das Göttliche muß werden, wie ihrer einer, muß erfahren, daß sie auch da sind, und eh es die Natur aus seinem Paradiese treibt, so schmeicheln und schleppen die Menschen es heraus, auf das Feld des Fluchs, daß es, wie sie, im Schweiße des Angesichts sich abarbeite.

Aber schön ist auch die Zeit des Erwachens, wenn man nur zur Unzeit uns nicht weckt.

O es sind heilige Tage, wo unser Herz zum ersten Male die Schwingen übt, wo wir, voll schnellen feurigen Wachstums, dastehn in der herrlichen Welt, wie die junge Pflanze, wenn sie der Morgensonne sich aufschließt, und die kleinen Arme dem unendlichen Himmel entgegenstreckt.

Wie es mich umhertrieb an den Bergen und am Meeresufer! ach wie ich oft da saß mit klopfendem Herzen, auf den Höhen von Tina, und den Falken und Kranichen nachsah, und den kühnen fröhlichen Schiffen, wenn sie hinunterschwanden am Horizont! Dort hinunter! dacht ich, dort wanderst du auch einmal hinunter, und mir war, wie einem Schmachtenden, der ins kühlende Bad sich stürzt und die schäumenden Wasser über die Stirne sich schüttet.

Seufzend kehrt ich dann nach meinem Hause wieder um. Wenn nur die Schülerjahre erst vorüber wären, dacht ich oft.

Guter Junge! sie sind noch lange nicht vorüber.

Daß der Mensch in seiner Jugend das Ziel so nahe glaubt! Es ist die schönste aller Täuschungen, womit die Natur der Schwachheit unsers Wesens aufhilft.

Und wenn ich oft dalag unter den Blumen und am zärtlichen Frühlingslichte mich sonnte, und hinaufsah ins heitre Blau, das die warme Erde umfing, wenn ich unter den Ulmen und Weiden, im Schoße des Berges saß, nach einem erquickenden Regen, wenn die Zweige noch bebten von den Berührungen des Himmels, und über dem tröpfelnden Walde sich goldne Wolken bewegten, oder wenn der Abendstern voll friedlichen Geistes heraufkam mit den alten Jünglingen, den übrigen Helden des Himmels, und ich so sah, wie das Leben in ihnen in ewiger müheloser Ordnung durch den Aether sich fortbewegte, und die Ruhe der Welt mich umgab und erfreute, daß ich aufmerkte und lauschte, ohne zu wissen, wie mir geschah – hast du mich lieb, guter Vater im Himmel! fragt ich dann leise, und fühlte seine Antwort so sicher und selig am Herzen.
(…)
O ich war ein glücklicher Knabe!

Es ist erfreulich, wenn gleiches sich zu gleichem gesellt, aber es ist göttlich, wenn ein großer Mensch die kleineren zu sich aufzieht.

Ein freundlich Wort aus eines tapfern Mannes Herzen, ein Lächeln, worin die verzehrende Herrlichkeit des Geistes sich verbirgt, ist wenig und viel, wie ein zauberisch Losungswort, das Tod und Leben in seiner einfältigen Silbe verbirgt, ist, wie ein geistig Wasser, das aus der Tiefe der Berge quillt, und die geheime Kraft der Erde uns mitteilt in seinem kristallenen Tropfen.

Wie haß ich dagegen alle die Barbaren, die sich einbilden, sie seien weise, weil sie kein Herz mehr haben, alle die rohen Unholde, die tausendfältig die jugendliche Schönheit töten und zerstören, mit ihrer kleinen unvernünftigen Mannszucht!


Da erübrigt sich jeder Kommentar.

Donnerstag, 14. September 2017

Bein Tätowieren wandern Nano-Teilchen in die Lymphknoten!

Es ist zwar noch ungeklärt, was mit den Farbstoffen aus Tätowierungen, die an den Körper abgegeben werden, geschieht, aber dass sie diesem guttun, ist äußerst unwahrscheinlich.

Im Spektrum-Newsletter ist zu lesen:

Mit Hilfe von Röntgenfluoreszenz hat eine Arbeitsgruppe um Andreas Luch vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) die Bestandteile von Tattoopigmenten im menschlichen Körper verfolgt. Demnach landet ein beträchtlicher Teil der Farben aus der Haut in anderem Gewebe, besonders den Lymphknoten, berichtet sie in "Scientific Reports". Problematisch daran ist die Größe der Teilchen: Während mikrometergroße Pigmentkörnchen wie vorgesehen in der Haut bleiben, lösen sich vor allem Nanoteilchen und wandern in Blut und Lymphe durch den ganzen Körper. Diese Nanoteilchen verhalten sich wegen ihrer geringen Größe chemisch manchmal anders als größere Partikel, so dass völlig unklar ist, welche Gefahr von ihnen ausgeht.

Wer mehr lesen möchte: hier 

Wissentlich hinznehmen, dass sich unverdauliche Substanzen in den Körper einlagern, halte ich allerdings für schwachsinnig. Da braucht man auf Rauchen oder ungesunde Ernährung auch nicht zu verzichten . . .

Donnerstag, 7. September 2017

Glaubt mit Vernunft! – Benedikts Regensburger Rede wird immer bedeutsamer.

Mit Benedikts Rede verhält es sich wie mit gutem Wein: je älter, desto besser, desto mehr treten ihr Wahrheitsgehalt und ihre Bedeutung zu Tage. Ja, sie wird immer aktueller. Am 12. September jährt sie sich zum elften Mal, und da Benedikt vielleicht nicht mehr allzu lange unter uns weilt, seien an dieser Stelle die Gedanken gewürdigt, die der emeritierte Papst zu Recht in den Mittelpunkt gerückt sehen wollte.
Dass dies zunächst misslang, ist den Reaktionen auf seine Rede, dem fast weltweiten Hype seitens des orthodoxen Islam geschuldet, der sich aus zahlreichen islamischen Staaten fulminant Stimme verlieh; u.a. erklärte der stellvertretende Parteivorsitzende der regierenden türkischen AKP, Salih Kapusuz, der Papst sei durch seine Worte „in derselben Kategorie mit Führern wie Hitler und Mussolini in die Geschichte eingegangen“.

Wer weiterlesen möchte: hier

Donnerstag, 31. August 2017

Bad Kissingen, fast schon ein wenig herbstlich:



Womöglich der letzte richtig warme Sonnentag in diesem Jahr. 27, 28 Grad hat´s gestern gehabt, im Rosenpark blühen herbstlich die Rosen,


alle Cafés am Kurpark bestens besucht und beide Dampferle voll Rohr unterwegs zur Saline und wieder zurück.


Handyfotos jedenfalls von meiner Tochter. Heute ist sie schon wieder unterwegs zum Studium.
Aber so schöne Erinnerungen bleiben.


Dienstag, 29. August 2017

Pflegestandort Deutschland. Kein Pflege- ein Sanierungsfall.

Man mag den Enthüllungsjournalismus à la Wallraff und seinem Team im Dienste RTLs nicht unberechtigt skeptisch gegenüberstehen. Fakt aber ist, dass das, was der Mann ans Licht der Öffentlichkeit bringt, einen, mehr als einem lieb ist, mitnimmt. Mir jedenfalls erging es so mit der gestrigen Nachrecherche in Sachen Pflegeheimen. Sterben darf man dort nicht, denn als Pflegefall bringt man Geld; aber leben darf man auch nicht. 
Das mag nicht für alle Einrichtungen zutreffen, aber die Bilder, die zu sehen und die Worte, die zu hören waren über den Umgang mit Pflegebedürftigen („im Intimbereich mal drüberfahren, damit es nicht nach Urin stinkt“), insbesondere mit einer Achtzigjährigen, die dreimal innerhalb kurzer Zeit Durchfall hatte und mit der eine alleingelassene Praktikantin nur menschenunwürdig umgehen konnte, obwohl sie sich alle Mühe gab, der Situation gerecht zu werden, weil es nicht einmal genug Handtücher gab und nur ein verrosteter Toilettenstuhl zur Verfügung stand, um die alte Frau, die noch bei klarem Verstand war, nur notdürftig bekleidet über den öffentlichen Bereich der Pflegeeinrichtung ins Bad zu schieben (im Zimmer gab es eine entsprechende Reinigungsmöglichkeit nicht), erschüttern. WELT/N24 berichtet heute darüber.

Mittlerweile scheinen die Zustände, die von Wallraff zum ersten Mal 2014 aufgezeigt worden waren, tatsächlich bis zum Lageso vorgedrungen zu sein und man hat eine Untersuchung eingeleitet.

Eine Untersuchung eingeleitet?

Man weiß, was das nicht nur in Berlin, aber insbesondere dort, heißt.

Den politisch Verantwortlichen tut es nicht weh, wenn tagtäglich Menschen entwürdigt werden.

Müsste dieses Haus der MK-Kliniken nicht schon längst unter staatliche Aufsicht gestellt sein? - Mein Eindruck ist, es dürfte gar nicht mehr für Menschen zuständig sein.
Übrigens betrug der Bilanzgewinn der MK-Kliniken AG, (vormals: Marseille-Kliniken Aktiengesellschaft), Berlin, 2015/2016 satte 13.896.159,80 Euro. Kein Wunder, dass es da für ein paar Handtücher mehr und intakte Toilettenstühle nicht gereicht hat.

Jeder ahnt und weiß es im Grunde, dass das kein Einzelfall ist. Dass die Pflegekräfte in aller Regel angesichts der aufreibenden Arbeit chronisch unterbezahlt sind und sich deshalb auch kein qualifiziertes Personal findet. Dass die Häuser chronisch unterbesetzt sind, damit die Betreiber Kasse machen (so ist das, wenn man solche Einrichtungen meint, privatisieren zu müssen). Dass es ein Lebensende in Würde dort oftmals nicht gibt, wobei bedauerlich ist, dass Häuser, die gut geführt sind, in den Sumpf derjenigen, die geschlossen werden oder zumindest unter ständige staatliche Kontrolle gestellt werden müssten, gezogen werden.

Wie in unserer Gesellschaft Kasse auf Kosten von Menschen und ihrer Würde gemacht wird, ist beschämend. Beschämend, dass der Gesetzgeber und entsprechende Behörden eingreifen müssten. Beschämend, dass beide das in aller Regel nicht tun.

Krankenhäuser kümmern sich, wenn sie Patienten entlassen, denen zu Hause keine Pflege zuteil werden kann, um eine ambulante Betreuung oder ggf. um eine Versorgung in einem Heim. Krankenschwestern allerdings berichten, dass entlassene Patienten immer wieder innerhalb relativ kurzer Zeit aus Pflegehäusern erneut eingeliefert werden, dehydriert und in einem erheblich schlechteren Pflegezustand als bei der Entlassung. Und sie kommen aus Einrichtungen, die genau darauf achten müssten. Das muss man nicht kommentieren.

Bedauerlich ist, dass es in diesem Land so viele Missstände gibt, die nicht angegangen werden. Nur gibt es eben einen Unterschied zwischen auf fahrlässig verzögerte Weise nicht sanierten Straßen, Brücken, Bildungseinrichtungen und alternden Menschen - der scheint allerdings bis zu dem sanierungsbedürftigen Bewusstsein unserer Politiker noch nicht vorgedrungen zu sein. Vielleicht war das vor dem Zeitalter Merkel nicht der Fall. 

Aber wer erinnert sich noch an Zeiten, wo Probleme in diesem Land wirklich angegangen wurden. Gar vorausschauend. 

Donnerstag, 24. August 2017

Polizei sperrt 30 Minuten für eine Entenmutter die Autobahn - mutig und klasse!

 Gefunden in der Münchner tz:

Ein Drama hatte sich auf der Autobahn abgespielt: Die Ente war mit ihrem Nachwuchs gegen 8.15 Uhr über die Fahrbahn gewatschelt. Fünf ihrer Küken wurden dabei jedoch überfahren und getötet. Mit den überlebenden Jungen verschwand die Mutter jedoch in der angrenzenden Grünfläche.

Entenmutter vermisst ihre Küken

Doch dann kehrte das Tier gegen 11.15 Uhr an den Unglücksort zurück. Auf der Autobahn suchte die Ente nach ihren Küken. Sie ließ sich weder verscheuchen noch von Einsatzkräften der Feuerwehr einfangen.
Polizeibeamte entschieden sich für eine ungewöhnliche Aktion: Sie sperrten die Autobahn in einer Fahrtrichtung komplett für 30 Minuten.
Die Entenmutter verschwand dann nach etwa einer halben Stunde wieder in der der angrenzenden Grünfläche.

Freitag, 18. August 2017

Zwei Wege zur Wahrheit.



Die Übereinstimmung

Wahrheit suchen wir beide; du außen im Leben, ich innen
In dem Herzen, und so findet sie jeder gewiss.
Ist das Auge gesund, so begegnet es außen dem Schöpfer,
Ist es das Herz, dann gewiss spiegelt es innen die Welt.

Menschen können über Dinge weidlich philosophieren und oft ist es, liest man deren Ergüsse, so, dass man danach mehr zweifelt am Sinn des Lebens und weniger versteht von all dem als vorher.
Hier, anlässlich Schillers Sinnspruch im Rahmen der Tabulae votivae aus dem von ihm herausgegebenen Musenalmanach des Jahres 1797 finden sich vier Zeilen, die eine wirklich wertvolle Philosophie enthalten, eine Weisheit, die so prägnant ist, dass sie, liest man sie wirklich verstehend, keinen Zweifel lässt.
Zumal Schiller mittels der Überschrift die Richtung des Verstehens vorgibt.

Im Grunde ist es eine Absage an den Dualismus in der Welt. Nur vordergründig ist die Welt dual angelegt, im Grunde existiert eine Über-EIN-stimmung.
Schiller sagt: Der eine schaut nach außen und findet, was ein anderer innen sieht. Beide Vorgehensweisen führen zum selben Ergebnis: Sie sehen den Schöpfer, seine Welt.

Menschen ist selten bewusst: 

Unsere äußere Wirklichkeit enthält den Schlüssel zu allen Rätseln.

Kant verstellte mit seiner Behauptung, dass der Mensch zum Ding an sich, zum Innersten des Seins keinen Zugang habe - für mich der größte philosophische Fake aller Zeiten - vielen Menschen den Zugang, weil sie fortan Kant meinten glauben zu müssen, zu Gott, zu dem Höchsten, dem ultimativen Ding an sich keinen Zugang zu haben. 
Schiller erteilt dem eine Absage, ja, er weist sogar dezidiert darauf hin, dass man nicht die große Weltflucht antreten muss, um die Wahrheit zu erkennen. Es ist, als ob man ihn sagen hört: 
Schau doch den menschlichen Körper an! Gibt es etwas Vollendeteres als ihn? In ihm siehst Du alle Weisheit. Ein geistiges Wunderwerk. So kannst Du alles im Außen finden wie ebenso im Innen. 
Welchen Weg jemand wählt, liegt gewiss in seinem Naturell, in seinen Lebensvoraussetzungen. Eine Gärtnersfrau findet diese Wahrheit vielleicht in einer Margerite, ein Biologe erkennt die Weisheit des Lebens über seine Zellforschung, ein Astronom in der Unerschöpflichkeit des Alls und dessen sich ständig verändernder Beschaffenheit.

Das Äußere der Wirklichkeit führt uns immer nach innen.

Mancher wendet sich nach innen im Sinne von Novalis: Nach Innen geht der geheimnisvolle Weg. In uns, oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten, die Vergangenheit und Zukunft.
Das ist der Weg des Meditierenden, des Betenden, des Gläubigen.

Schiller spricht nicht davon, dass dieser Weg wertvoller oder besser sei als der des Zellforschers, des Astronomen, des Beamten in der KFZ-Zulassungsstelle, der alle Menschen gleich höflich und zuvorkommend behandelt.

Es gibt nur, so sagt Schiller, jeweils eine Voraussetzung: Das Auge bzw. das Herz müssen gesund sein. Das heißt, ihre Wahrnehmungsfähigkeit muss gesund sein. Auch ein Brillenträger oder jemand mit einem Herzkatheter kann in Schillers Sinn gesund sein. Man darf das nicht falsch verstehen.

Keine Frage, dass sich der Mensch um die Gesundheit des Auges und die Gesundheit des Herzens, also um die Fähigkeit einer klaren Aufnahme der Wirklichkeit bemühen muss.
Schiller gibt in der dritten Strophe seines Gedichtes Die Worte des Glaubens den Weg vor:

Und die Tugend, sie ist kein leerer Schall,
Der Mensch kann sie üben im Leben,
Und sollt' er auch straucheln überall,
Er kann nach der göttlichen streben,
Und was kein Verstand der Verständigen sieht,
Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüth.
.
Übung ist notwendig.  

Komm übe, was Du längst begriffen hast, sagt die Stimme der Vernunft zu Nathan dem Weisen, als der Klosterbruder im gleichlautenden Schauspiel Lessings ihm ein Findelkind in die Arme drückt, damit er es aufnehme, ein Christenkind, und das, nachdem die Christen in Darun alle Juden getötet hatten, darunter seine 7 Söhne und seine Frau, verbrannt im Hause des Bruders.
Komm übe, was du längst begriffen hast!

Auch die zweite Strophe von Die Worte des Glaubens darf man nicht falsch verstehen:

Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei,
Und würd' er in Ketten geboren,
Lasst euch nicht irren des Pöbels Geschrei,
Nicht den Missbrauch rasender Toren!
Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht,
Vor dem freien Menschen erzittert nicht!
.
 .
In seinem Ursprung ist der Mensch frei geschaffen bzw. zu einem freien Wesen veranlagt, dennoch ist er nicht frei, wie wir täglich sehen.

Mit des Pöbels Geschrei bezieht sich Schiller auf die Französische Revolution, deren Geschehen er zunächst begrüßte, zumal er geschmeichelt war, wurde ihm als Dreiunddreißigjährigem 1792 doch die Ehrenbürgerschaft der Französischen Nationalversammlung verliehen. Mit dem Ausbruch des jakobinischen Terrors jedoch schloss er sich der Ansicht Goethes an, der ja seinen Herzog im 1. Koalitionskrieg auf Seiten Preußen-Österreichs gegen die Franzosen begleitet hatte und nicht überzeugt werden musste, wie unselig die Folgen ursprünglich berechtigter Forderungen waren.
Frei geschaffen ist der Mensch, aber diese Freiheit hat er verloren und es gilt sie zurückzugewinnen.
Ein Kennzeichen wahrer Freiheit: vor dem wahrhaft freien Menshen muss niemand sich fürchten.
Wer Furcht ausstrahlt, ist nicht frei.
Frei ist nur, wer andere frei sein lässt.

Dass die Menschheit sich in eine Situation manövriert hat, in der so viele Menschen so unfrei sind, dass sie Freiheit mit Macht verwechseln und sich nur frei fühlen, wenn sie andere ihrer Freiheit, ihrer Macht berauben, ist ein Dilemma, aus dem herauszukommen für die Menschheit äußert schwer sein dürfte. Man glaubt jetzt schon zu spüren, was die Bibel prognostiziert:

Wenn ihr nun sehen werdet den Gräuel der Verwüstung stehen an der heiligen Stätte, wovon gesagt ist durch den Propheten Daniel (Daniel 9,27; 11,31) – wer das liest, der merke auf! –,
alsdann fliehe auf die Berge, wer in Judäa ist;
und wer auf dem Dach ist, der steige nicht hinunter, etwas aus seinem Hause zu holen;
und wer auf dem Feld ist, der kehre nicht zurück, seinen Mantel zu holen.
Weh aber den Schwangeren und den Stillenden in jenen Tagen!
Bittet aber, dass eure Flucht nicht geschehe im Winter oder am Sabbat.
Denn es wird dann eine große Bedrängnis sein, wie sie nicht gewesen ist vom Anfang der Welt bis jetzt und auch nicht wieder werden wird.
Und wenn jene Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Mensch gerettet werden; aber um der Auserwählten willen werden diese Tage verkürzt.
Wir sind als Menschheit lange noch nicht am 7. Schöpfungstag angekommen; die Leser meiner Beiträge werden wissen, dass ich der Sicht Hildegard von Bingens zustimme, die der Ansicht ist, wir befinden uns inmitten der biblischen Schöpfungsreise, auf die zu Beginn der Bibel hingewiesen wird und von der viele annehmen, dass sie abgeschlossen sei. - Sie ist auch nicht mit dem Geschehen aus Matthäus 24 zu Ende.

Die Dualität von Pflicht und Neigung repräsentiert einen überholten Bewusstseinszustand

Es ist nicht unsere Pflicht, uns um Freiheit oder um Tugenden zu bemühen. Sowohl Schiller als auch Kant haben sich da meiner Ansicht nach etwas unselig über die beiden Begriffe Pflicht und Neigung den Kopf zerbrochen.

Es kann uns allein die Neigung zu den Tugenden ziehen. Aus Pflicht Freiheit zu leben und zu geben, aus Pflicht tugendsam zu sein oder den heiligen göttlichen Willen zu respektieren, das ist heute zu wenig. Die Zeiten sind vorbei.

Heute gilt es, sich aus freier Entscheidung einem wertvollen Leben zuzuneigen. Gerade heute, wo die breite Masse sich dem Goldenen Kalb verpflichtet fühlt und um Baal tanzt. Verpflichtet einem Suchttanz, um der Wahrheit auszuweichen.

Deshalb sind heute schon die ersten vier Worte Schillers in unserer Welt so bemerkenswert - eine Welt, deren Wahrheit wir wie Schiller verstehen mögen, damit unser Herz immer gesunder werden kann:

Wahrheit suchen wir beide; du außen im Leben, ich innen
In dem Herzen, und so findet sie jeder gewiss.
Ist das Auge gesund, so begegnet es außen dem Schöpfer,
Ist es das Herz, dann gewiss spiegelt es innen die Welt.