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Freitag, 27. Oktober 2017

Was Christian Lindner und Helene Fischer gemeinsam haben!

Authentisch wie eine Litfaß-Säule, frei wie eine Marionette ihres medialen Egos, gestylt bis zum Anschlag, makellos, perfekt vermarktet.

In der gestrigen Lanz-Sendung ging Christian Lindner ausnahmsweise seiner eigenen Perfektion auf den Leim, indem er sich, mit dem Rücken zum Publikum im Kreis der anderen Gesprächsteilnehmer sitzend, mehrfach bewusst umdrehte und das Publikum in seiner unnachahmlich gekonnten Weise mit einbezog, bewusst zu ihm sprechend, so dass Markus Lanz sich irgendwann einen leisen Seitenhieb nicht verkneifen konnte, indem er zu erkennen gab, dass das professionelle Styling doch vielleicht übertrieben sei. Danach unterließ die personifzierte FDP diese lächerliche Attitüde.

Eigentlich schien mir die Zeit langsam zu Ende zu gehen, da Politiker suggerieren wollten, sie seien perfekt und hätten auf alles eine Antwort, aber die neuen zahmen Wilden à la Macron und Lindner setzen wieder auf Hochglanz-Politur und darauf, auf alles eine Antwort zu haben, wobei man sich nicht täuschen lassen sollte: 


Helene Fischer spricht ihr zigtausendfaches Publikum ganz vertraut mit Ihr Lieben an, erzählt Persönliches und spielt gekonnt auf der Klaviatur des Ach, wie lieb wir uns doch alle sind
Hochglanz und diese Art warmer Herzlichkeit scheinen sich offensichtlich nicht ausschließen. - So jedenfalls tickt unsere Zeit. - Mit wie vielen ihrer Fans sie allerdings tatsächlich in Liebe zu tun haben wollte, lassen wir mal dahingestellt.

Klar ist Deutschlands Helene eine sympathische Erscheinung, wenn auch ihre Stimme immer irgendwie gleich klingt, ob sie das Ave Maria singt oder atemlos durch die Nacht rauscht. Ihr Markenzeichen, das Ton-Absackenlassen, dieses Abkrächzen am Ende einer Liedzeile oder wo es sich eben ergibt, ist in wirklich fast jedem Lied vielfach zu hören ist. 

Man kann sich auch nur schwer darüber hinwegtäuschen, dass ihre Lieder duchgängig die gängigen sprachlichen Hülsen, Klischees und Versatzstücke verwenden, wenn auch im topaktuellsten musikalischen Gewand, und gerät die Musik wie in den letzten so erfolgreichen Produktionen wie z.B. Herzbeben bewusst aus dem Takt, so ist das Absicht  und sie wird umso effektiver wieder eingefangen.
 

Klar kann man durch die Halle schweben und Pirouetten drehen, warum nicht, wo es der Körper doch hergibt. Der gibt auch her, sich fast nackt zu zeigen wie in ihrem letzten vehement promoteten Video. Noch ist ein gewisses Steigerungspotential da. Nackt geht auch.
Nur: 


Mitmachen muss sie das nicht, immer mehr ein Abziehbild ihrer selbst und damit dieser Gesellschaft zu werden, jedermanns Helene. Es gibt Beispiele großer Künstler, die sich nicht so maßlos vermarktet und selbst aufgegeben haben. Gleiches gilt auch für große Politiker.

Wie sehr hat alle Welt betont, dass sich die Pfiffe der Fußballfans im letztjährigen Pokalfinale im Rahmen ihres Halbzeitauftritts nicht gegen unser aller Helene gerichtet haben. Doch sie haben sich sehr wohl auch gegen sie gerichtet, denn nicht wenige haben ihr auch sagen wollen: Hier hast Du nichts verloren. Dräng dich nicht überall rein. Dieses Stadion will dich nicht!

Nicht, dass Leute wie Christan Lindner und Helene Fischer mediale Clowns sind, aber sie sind Klone, medial zurechtgestutzte Klone. Und es ist eben ein Kennzeichen dieses Klon-Daseins, dass diese Menschen das Gefühl haben, sie verwirklichten sich selbst und seien frei. Weder ein so intelligenter Mensch wie die personifzierte FDP kann dieser Narzissmus-Falle widerstehen noch ein sich so herzlich-warm gebendes Pin-up-Angebot wie Helene Fischer. 

Zu jeder Phase seines Sprechens - und er spricht gekonnt, frei, gern - supervisiert sich Christian Lindner selbst, nimmt jede Nuance wahr, auch wo eine Aussage die gekonnte Spur verlässt - gleich nimmt er mögliche Einwände vorweg -, hat den Interviewer im Blick, das Publikum, ganz Deutschland. Da müssen sich die Steinmeiers, Özdemirs, Dobrindts, Klöckners und von der Leyens, die auch auf diesem Zug mitfahren, ziemlich weit hinter ihm anstellen, obwohl sie sich doch auch so sehr bemühen, so bemüht unauffällig bemühen.

Allerdings: Christian Lindner bemüht sich gar nicht um Unauffälligkeit, im Gegenteil, wie zigtausende Wahlkampfplakate zeigten, und hat alles im Griff, und wenn es nicht so wäre, würde er auch das Gegenteil gekonnt vermarkten. Immer smart. Gern leicht, aber dennoch erkennbar gekünstelt lächelnd. 

Irgendwie sehen seine Gesichtszüge für mich dann ziemlich eingefroren aus.

Ich bin sicherlich nicht der Einzige, der annimmt, dass diese Seifenblasen irgendwann platzen.
 

In Wahrheit suchen Menschen nicht solche Menschen.
 

Aber auf der Suche nach sich selbst ist die Gefahr groß, dass man solch illuminierte Seifenblasen toll oder zumindest gut findet. Man kann in solchen Zeitgenossen endlich ausleben, was einem selbst verwehrt ist. Das garantiert, dass man sich selbst nie findet.

Ich hatte in der letzten Zeit die leise Hoffnung, unsere Gesellschaft würde und wollte solche Politikertypen - in der Musikszene ist es sicherlich anders - und Menschenmasken nicht mehr produzieren.

Vielleicht aber fallen doch weniger auf die Lindners und Fischers unserer Zeit herein, als man momentan anzunehmen geneigt ist. 

Dass sie auch andere Seiten haben, steht außer Frage und dass sie ihre mondäne Hochglanzseite leben, berechtigt im Übrigen nicht dazu, sie in irgendeiner Weise zu verachten. Ich möchte nur sagen: Ich lege keinen Wert auf solche Zeitprodukte. 

Wobei ich gern darauf verzichte, deren dunkle Seiten, wie wir sie alle haben, sehen zu müssen; eins ist gewiss: Je hochgeglänzter sie sich geben, desto dunkler sind diese Seiten (je höher die Berge um einen See, desto tiefer und dunkler ist er, auch wenn man es nicht sieht). Das gilt auch für die tolle Helene und den tollen Christian, selbst wenn sie alles tun, davon abzulenken. Im Endeffekt nützt das niemandem, im Gegenteil.

2 Kommentare:

Elke hat gesagt…

Oh, jetzt fand ich die Kommentarfunktion.

Mich hat auch Helene Fischer nie angesprochen. Zu perfekt. Man kann sich noch nicht mal wünschen, so zu sein wie sie. Auch dann nicht, wenn man bedenkt, wieviel Kohle sie verdient. Aber sie weiß auch, dass ihre Glanzzeit irgendwann zu Ende ist. Ihr Altern kommt auch und so nimmt sie mit, was sie kriegen kann. Ich hoffe nur, dass sie ihr Geld zusammenhält. Viele Künstler oder Sportgrößen können es nicht. Vielleicht schließt es sich ja aus. Kunst und Geld, Sport und Geld geht wohl nicht zusammen.

Johannes G. Klinkmüller hat gesagt…

Zweifellos ist sie jemand, der nirgends aneckt und nicht anecken möchte, das liebe Mädchen halt. Das ist Erziehungs- und Typsache und ich möchte das gar nicht kommentieren; es ist eben auch immer abhängig von dem eigenen Bewusstsein und Wollen.

Womit ich Probleme habe, ist, dass Erfolg ständige Steigerung provoziert, und wenn man diesen Weg mitgeht, dann fängt man an, sich zu verkaufen, ein schleichender Prozess. Ich finde es ziemlich überflüssig, dass Helene Fischer in ihrem Video fast nackt daherkommt. Und auf der Bühne teilweise einen auf sexuelles Biest macht. Immer öfter, soweit ich das beurteilen kann. Klar, man kann das machen ... es ist halt der übliche Weg. Andrea Berg macht das auch. Als 50-Jährige sich noch mit Gewalt so beinfrei und sexy geben zu wollen: für mich passt es einfach nicht. Schade, um das Menschliche in diesen Menschen.

Vor allem Helene Fischer beeinflusst eben auch immens stark ihre jugendlichen weiblichen Fans. Die meinen dann, dass sei cool und ahmen es nach. Die Übersexualisierung unserer Gesellschaft aber führt gewiss nicht ins Glück.