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Freitag, 20. Juli 2018

"Denn alles muss zu nichts zerfallen, wenn es im Sein beharren soll." - Goethes Anleitung zum Glücklich-Sein!

Gewiss basiert die Überschrift auf einer ungewöhnlichen Definition des Glücks. Aber Glück ist für mich, wenn ich auf den Stufen des Bewusstseins eine weitere erklommen habe.
 

Goethes Gedicht Eins und alles kann uns, wenn man sich nicht von den ersten beiden Strophen, die sehr esoterisch abgehoben klingen, abschrecken lässt, eine echte Hilfe sein.
 

Die Intensität des Inhalts wird allerdings erst auf dem Hntergrund der Strophen 3 und 4 deutlich.

Hier zunächst das Gedicht:


Eins und Alles
Im Grenzenlosen sich zu finden,                    
Wird gern der Einzelne verschwinden,     
Da löst sich aller Überdruß;
Statt heißem Wünschen, wildem Wollen,        
Statt läst'gem Fordern, strengem Sollen                 
Sich aufzugeben ist Genuß.

Weltseele, komm' uns zu durchdringen!             
Dann mit dem Weltgeist selbst zu ringen     
Wird unsrer Kräfte Hochberuf.                       
Teilnehmend führen gute Geister,                      
Gelinde leitend, höchste Meister,                  
Zu dem, der alles schafft und schuf.

Und umzuschaffen das Geschaffne,
Damit sich's nicht zum Starren waffne,     
Wirkt ewiges lebend'ges Tun.                       
Und was nicht war, nun will es werden     
Zu reinen Sonnen, farbigen Erden,
In keinem Falle darf es ruhn.

Es soll sich regen, schaffend handeln,
Erst sich gestalten, dann verwandeln;
Nur scheinbar steht's Momente still.                   
Das Ewige regt sich fort in allen:
Denn alles muß in Nichts zerfallen,        
Wenn es im Sein beharren will.   


Wenn wir auf die Erde sehen, so nehmen wir wahr, wie die Menschheit im Grunde diesen Planeten umschafft. Explosionsartig haben sich in den letzten Jahrzehnten Gebäude und Bauwerke vermehrt, erbaut dadurch, dass Menschen auf der einen Seite die vorhandenen Materialien der Erde verwendeten, also Steine beispielsweise mittels Zement, also Kalkstein, vermischt mit Ton und Wasser, genommen und an anderer Stelle daraus Bauwerke, sprich Brücken, Freibäder, Hochhäuser, Fußballstadien gebaut haben oder aber mittels Asphalt, also aus Erdöl gewonnenem Bitumen, vermischt mit Gesteinskörnungen, die Landschaft völlig veränderten. Der Mensch begradigte Flussläufe - mittlerweile renaturiert er sie wieder - und gewann und gewinnt dem Meer Land ab, baut Schiffe aus Stahl und Kraftfahrzeuge aus Blech bzw. Aluminium, also aus Materialien, deren Grundsubstanzen ihm die Erde liefert.
 

Soll sich der Mensch tatsächlich so regen, schaffend handeln? Ja, sagt Goethe, gewiss doch, aber in einem Geiste, wie ihn das Vermächtnis altpersischen Glaubens vermittelt, indem er in allem eine höhere Ebene erkennt. Auf diesem Hintergrund hätte der Mensch die Aufgabe, sein Schaffen auszurichten an ethisch-religiösen Maßstäben, was er weitgehend nicht tut. Für viele hundert Millionen Euro z.B. sind in Russland zur gerade zu Ende gegangenen Fußballweltmeisterschaft Stadien gebaut worden, deren nachhaltige Nutzung nicht gegeben ist, ja, in einem Falle überlegt man sich bereits, ein gebautes Stadion gleich wieder abzureißen, weil das auf Dauer kostengünstiger wäre als sein Unterhalt, zumal es in dieser Region niemand braucht (. . .)

Grundsätzlich gehört es zur Aufgabe des Menschen, das Vorhandene zu verwandeln, auch übrigens dadurch, dass er es mit seinem Geist durchdringt. Nicht nur auf der physischen Ebene ist er gehalten zu schaffen und zu verwandeln, sondern auch auf der mental-seelischen, denn indem er Dinge versteht, schafft er auch Raum dem Geist, schafft und schöpft.

In der derzeitigen Phase der Menschheit ist der Mensch jedoch nicht zu verantwortlichem Tun in der Lage, überwiegend jedenfalls nicht (. . .)



wer weiterlesen möchte: hier

Sonntag, 15. Juli 2018

Arm bleibt arm, reich wird reicher. Im blühenden Baden-Württemberg ist jedes 5. Kind von Armut betroffen.

Solche Schlagzeilen gähnen mittlerweile die Menschen an. Zumal man mit Hartz IV ja gut leben kann, wie unser aller Gesundheitsminister Jens Spahn - allerdings nicht aus eigener Erfahrung - weiß.

Anlässlich von 100 Jahren Caritas äußert deren Direktor Oliver Merkelbach in einem Interview:
Das Gesicht von Armut hat sich gewandelt. Mehrfach. Man sieht keine hungernden Kinder oder Kinder in zerlumpten Kleidern. Und doch ist Armut da. Sie zeigt sich in fehlenden Chancen. Im reichen Baden-Württemberg ist  jedes fünfte Kind von Armut betroffen. In Zahlen: 358 000 Kinder. Das ist ein gesellschaftspolitischer Skandal [...] Wir wollen, dass junge Menschen an der Gesellschaft teilhaben, dass sie Entwicklungsmöglichkeiten haben. Entscheidend dabei ist die Bildung. Die beste Armutsbekämpfung verläuft über sie. Das Bildungssystem in Baden-Württemberg selektiert aber immer noch stark nach sozio-ökonomischen Gesichtspunkten. In keinem anderen Bundesland ist der Bildungserfolg der Kinder so stark abhängig vom Elternhaus wie hier [...] 

Arbeitslosigkeit, Teilzeitstellen oder geringfügige Beschäftigungen führen oft in Armut. Auch Kinder sind eine Armutsfalle. Sie trifft vor allem Frauen. Diese haben sich oft ihr Leben lang um andere gekümmert und sind im Alter selbst arm. Da muss sich Grundsätzliches ändern. Ihre Arbeit muss anders bewertet werden. 220 000 Rentnerinnen in Baden-Württemberg leben unter der Armutsschwelle [...]

Wir sind klipp und klar ein Teil der katholischen Kirche. Als langjähriger Pfarrer kenne ich die verfasste Kirche ganz gut. Ich würde mir oft wünschen, dass diese noch stärker den Blick nach außen zu den Menschen außerhalb der Kirchenmauern richtet. In dieser Hinsicht kann die verfasste Kirche von ihrer Caritas etwas lernen.
Dazu allerdings muss man doch zwei Punkte anmerken:

1. Von der Caritas der Erzdiözese München Freising liegen mir Zahlen vor; dort verdienen die 5 höchstbezahlten Führungskräfte 483.149,23 €. - Das macht pro Person im Jahr im Schnitt  96 629,84 Euro.
Durchschnittliches Monatsverdienst: 
8052 Euro.

2. Beide Kirchen, sowohl die Evangelische als auch die katholische weigern sich, umfassende Zahlen bezüglich ihres Vermögens zu nennen; der Politologe Carsten Frerk hat beider Vermögen auf auf 435 Milliarden Euro – 150 Milliarden in Geld und Aktien, 220 Milliarden in Immobilien (ohne Kirchen) und 65 Milliarden in Stiftungen und anderen Vermögenstiteln - geschätzt. Und aus der Kirchensteuer fließen den Kirchen pro Jahr jeweils ca. 5 Milliarden zu (informativer FAZ-Artikel hier)

Selbst von einem Bruchteil könnten einige Kinder satt werden, zusätzliche Lehrer eingestellt und Kinder aus armen Verhältnissen gefördert werden. Stattdessen lassen sich die Kirchen noch ihre Bischöfe vom Staat zahlen (Grundgehalt bis zu 12 000 Euro/Monat).

Sehr caritativ ist das nicht. Und bei Brot für die Welt ist es übrigens nicht viel anders; deren Präsidentin kann sich für 14 339 Euro/Monat Brot kaufen.

Da lässt sich gut über Kinderarmut jammern.

Der Interview-Artikel mit dem Herrn Direktor ist überschrieben: Der Skandal der Kinder-Armut ist geblieben. Allerdings ist auch ein anderer Skandal seit langem geblieben. Die Damen und Herren von Caritas und Brot für die Welt, die Damen und Herren von der EKG und der Katholischen Kirche sollten sich besser da nicht zu Wort melden; ihre Kirchen und Institutionen sind u.a. das Kamel, das nicht durch ein Nadelör kommt.

Donnerstag, 12. Juli 2018

8,6 Mio Rentner erhalten weniger als 800 € + 11,3 Mio erhalten weniger als 1000 €. - Pech gehabt, Rentner interessieren Merkel nicht!

Stand: 12.07.2018 09:25 Uhr

Auf tagesschau.de findet sich folgende Meldung:

Weniger als 800 Euro - damit mussten im Jahr 2016 rund 8,6 Millionen Rentner im Monat auskommen; 11,3 Mio Rentner hatten weniger als 1000 €.
Das Arbeitsministerium verweist darauf, dass viele Rentner noch andere Einkünfte haben.

Merkel kümmert sich um bilaterale Verträge für eine übeschaubare Zahl von Flüchtlingen. Aber 20 Millionen Rentner interessieren sie seit Jahren nicht.

Pflichtgemäß relativiert das Arbeitsministerium deren Situation. - Als ob Rentner freiwillig nach über 40 Jahren Arbeit noch zusätzlich Geld verdienen wollen !!!

Ich fnde Merkel eine Schande für dieses Land. 

Montag, 9. Juli 2018

Vom Sturm in den Gassen und im Stübchen! - Mörike konnte noch keusche Liebesgedichte schreiben.

Heute ist man wieder dankbar, wenn einem nicht Sexualität förmlich aufgezwängt wird, wie das u.a. die sex-sells-Dame Helene Fischer praktiziert - ich schrieb kürzlich darüber.

Und - nein - keusche Liebe ist kein Widerspruch, denn keusch kann nicht nur enthaltsam, sondern schamhaft zurückhaltend bedeuten, und in einer Welt, in der Sexualität auf eine Weise vermarktet wird, dass sie einem schon zu den Ohren rauskommt, weil sie ein Konsumartikel geworden ist, der den Menschen fremder und fremder gegenübersteht und dazu führt, dass sie sich selbst mehr und mehr fremd werden, tut solch ein Gedicht wie das folgende richtig gut. 

Für mich zählen Eduard Mörikes fünf Strophen mit ihrer einfachen Sprache und den kindlichen Bildern zu seinen schönsten Liebesgedichten:

Begegnung

Was doch heut Nacht ein Sturm gewesen,
Bis erst der Morgen sich geregt!
Wie hat der ungebetne Besen
Kamin und Gassen ausgefegt!

Da kommt ein Mädchen schon die Straßen,
Das halb verschüchtert um sich sieht;
Wie Rosen, die der Wind zerblasen,
So unstet ihr Gesichtchen glüht.

Ein schöner Bursch tritt ihr entgegen,
Er will ihr voll Entzücken nahn:
Wie sehn sich freudig und verlegen
Die ungewohnten Schelme an!

Er scheint zu fragen, ob das Liebchen
Die Zöpfe schon zurecht gemacht,
Die heute Nacht im offnen Stübchen
Ein Sturm in Unordnung gebracht.

Der Bursche träumt noch von den Küssen,
Die ihm das süße Kind getauscht,
Er steht, von Anmut hingerissen,
Derweil sie um die Ecke rauscht



Ein Zauber der Liebe kann sich entfalten, wenn Liebe in der Schwebe des Lebendigen bleibt und nicht durch rohe Worte oder Bilder vergewaltigt wird. Ganz fein und zart und andeutend malt uns Mörike die Liebe zweier junger Menschen.

Dass die beiden Schelme, um die es im Folgenden geht, eine stürmische Nacht verbrachten und einen Sturm der Leidenschaft erlebten, während auch im Außen ein Sturm tobte und reinigend durch die Gassen fegte, ist offensichtlich.

Darin liegt ja auch der Reiz, dass Mörike im Innen und Außen diesen Sturm toben lässt und alles Weitere der Phantasie des Lesers überlassen bleibt.

Wenn heute in den Medien Liebe dargestellt wird, dann muss fast zwanghaft immer viel Reißerisches gezeigt werden und gesagt sein. Aber diese oft platten bildlichen und verbalen Liebes(spiel)darstellungen töten nicht nur den Reiz der Liebe, sondern die Liebe selbst.

Liebe will reizend sein, sie will zugleich ein Geheimnis bleiben, denn sie gehört nur den Liebenden. Wenn heute Partner über Details ihrer Liebe öffentlich berichten, geht es ihnen nicht um Liebe, sondern um eigene Zurschaustellung; es ist eine Selbstinszenierung auf Kosten der Liebe; dann kann allerdings zwischen beiden Partnern auch keine Liebe gewesen sein; sie will ja nicht ins Außen sich verpuffen, sondern nach innen wirken.

Unsere Gesellschaft hat weitgehend diese Fähigkeit verloren, Liebe ein süßes Geheimnis sein lassen zu können.

In Wahrheit will niemand über Details des Liebeslebens anderer informiert sein. Liebe lässt sich ohnehin nicht vergleichen. Sie ist für jedes wirklich liebende Paar unvergleichlich.

Keine Worte werden zwischen den jungen Liebenden gewechselt und doch wird so viel zwischen beiden in jenem kurzen Moment der Begegnung kommuniziert. Vielleicht sagen sie sich hier mehr als manche Paare ihr Leben lang.

Mörike ist ein Meister der Andeutung, wie ich es sonst nur von Conrad Ferdinand Meyer kenne, z.B. in jenem wunderbaren Gedicht Stapfen.

So einfach das Gedicht sich liest, so gekonnt ist es geschrieben. Es lebt von seinen Doppeldeutigkeiten und einem Augenblick der Begegnung, für den Mörike so bedeutungsvolle Worte bereit hält, die mehr sagen als 10 Seiten Thomas Mann, wenn da von Zöpfen die Rede ist und von den beiden Schelmen, von Diminutiven, also volksliedhaften Koseformen wie Liebchen und Stübchen.

Wie Mörike am Schluss das süße Kind um die Ecken rauschen lässt, das lässt jeden spüren, wie genau das Mädchen, so jung es ist, weiß, dass der Bursche jeden Zentimeter ihres Körpers mit seinen Blicken aufnimmt; und er weiß, dass sie spürt, wie hingerissen er ist und ihm jeder Zoll ihres Körpers Himmel auf Erden sein will.

Vielleicht finden wieder mehr Menschen zu solchen Lieben zurück.