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Dienstag, 2. April 2019

"Versäumter Schlaf von einem vorgen Sein". Heute wenig bekannt, aber als Mensch und Dichter unserer Beachtung wert: Christian Wagner

Durch seinen ca. 20 Kilometer vor den Toren Stuttgarts gelegenen Heimatort Warmbronn bin ich des Öfteren gewandert und auch gefahren, ja, habe dort sogar mehrmals Bekannte besucht; leider habe ich nie daran gedacht, mir mal sein Geburtshaus anzusehen, das Ende des letzten Jahrhunderts mit knapper Not dem Schicksal entging, für einen Supermarkt dahingeopfert zu werden - den Bürgern, die sich einsetzten, sei noch im Nachhinein vielmals gedankt.
Als einfacher Bauer konnte Christian Wagner (1835-1918) kaum für den  Unterhalt seiner vielköpfigen Familie sorgen, musste Schulden machen und sich zusätzlich als Holzfäller verdingen. 
Erst im letzten Drittel seins Lebens, als sich Hermann Hesse und andere für ihn einsetzten und ihm zunehmend eine recht große öffentliche Aufmerksamkeit zuteil wurde, ging es ihm besser, ja, er konnte finanziell abgesichert leben.

Für nicht wenige war er ein unbequemer Zeitgenosse, setzt er sich doch für den geschundenen Teil der Menschheit, die Schwarzen ein und weigerte sich, die Weltkriegsgegner Deutschlands, insbesondere die Franzosen, zu diffamieren.

Auch seine religiös-ethischen Gedanken fielen aus dem Rahmen, war er doch ein überzeugter Verfechter der Reinkarnation; darauf verweist auch sein Gedicht Spätes Erwachen, das zeigt, dass dieser Mann nicht, wie üblich, sein vorgeburtliches Sein cancelte und sich nicht an das Verdikt der Katholischen Kirche hielt, die durch Konzilsbeschluss allen Erdenbürgern bis heute verboten hat, an Seelenwanderung zu glauben (Lessing, Goethe, Wilhelm Busch, Michael Ende und viele andere haben sich Gott sei Dank auch nie daran gehalten):


So wie ein Mensch nach lärmendem Gelag
Noch spät zu Mitternacht nicht schlafen mag
Und seine Ruh′ erst findet knapp vor Tag,

Und süß erst schläft bei hellem Morgenschein,
So reichte in die Jugend mir hinein
Versäumter Schlaf von einem vorigen Sein.

O wüßt′ ich doch, was mich nicht schlafen ließ!
Ob mich ein Gott vom Bacchanal verstieß?
Ob ich betrunken kam vom Paradies?


PS: Eine meiner Wagner-Lieblingsstrophen lautet:
Dein ist alles, all der Blumen Glühen,
wenn hervor sie aus sich selber blühen.
All die Rosenknospen auf der Erden,
wenn sie Rosen in dir selber werden.

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