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Freitag, 28. Februar 2020

An das Amtsgericht Berlin Tiergarten. - Sehr geehrter Herr Alexander Kiworr,

Ihr Urteil, eine Frau eine islamische Sprechpuppe zu nennen, sei keine Beleidigung, hat mich fassungslos gemacht, unter anderem, weil Sie meines Erachtens nicht in der Lage sind zu erkennen, wie wichtig es gewesen wäre und gerade in der heutigen Zeit ist, eine Frau, in diesem Falle Sawsan Chebli, die auch noch als politische Amtsträgerin einer zunehmenden aggressiven Öffentlichkeit ausgesetzt ist (und Morddrohungen erhält) vor entwürdigenden Äußerungen von Tim K., einem aus der rechten Szene stammenden und wegen Körperverletzung, Beleidigung und Freiheitsberaubung bereits vorbestraften Menschen zu schützen, der unter anderem auch den Vater von Frau Chebli beleidigte, indem er fragte: "Hat Ihr Vater aus Trieb, religiöser Überzeugung oder wirtschaftlicher Berechnung im Lager zwölf Kinder gezeugt?"

Und ja, ich bezweifle, dass Sie die Voraussetzungen erfüllen, Recht zu sprechen, weil Sie offensichtlich intellektuell nicht in der Lage sind, Worte entsprechenden Sinneinheiten zuzuordnen, damit nicht fähig, deren tatsächlichen diskriminierenden Charakter angemessen zu bewerten und weil Sie für mich offensichtlich kein moralisches Korsett in Ihrem Inneren haben.
Dass Sie sich bei der Urteilsbegründung wie ein Aal entlang der Entscheidungslinie gewunden haben, spricht zudem dafür, dass es Ihnen an innerer Klarheit und Entscheidungsfähigkeit mangelt (siehe dazu der unten verlinkte Magazin-Artikel).

Eine Frau öffentlich als Puppe zu bezeichnen, empfinde ich als entwürdigend. Entwürdigung ist mehr als eine Beleidigung. Letztere fügt einem Betroffenen Leid zu. Jemandem aber die Würde zu nehmen, die mit das Höchste ist, was wir als Menschen besitzen, ist viel gravierender als eine Beleidigung. Deren Tatbestand ist also überreich erfüllt.

Sie kennen aus Ihrer Kindheit Sprechpuppen? Meistens können sie gerade mal ein Wort sagen und das nur, wenn man sie einmal nach vorne und wieder zurückgekippt oder aufgezogen hat. Auch ist der Sprechsound meistens nicht gerade berauschend und man ist doch froh, wenn man das Wort erkennt, das gequakt wird.
Eine Sprechpuppe ist also im Grunde noch weniger als eine Puppe, denn ihr reduziertes, einfältiges Gebrabbel ist offensichtlich.

Eine Frau als eine solche Sprechpuppe zu bezeichnen soll keine Beleidigung sein?
Falls Ihr Vorstellungsvermögen nicht ausreicht, empfehle ich Ihnen die Verfilmung von Momo anzuschauen, und zwar jene Stelle, als ein grauer Herr Momo mit Hilfe der Puppe Bibigirl zu betören versucht - nachzulesen im Übrigen im siebten Kapitel des Romans.

Aber das ist ja nicht alles.
Sie wissen, dass Menschen gern auf Ihr Geschlecht, Ihre Hautfarbe, Ihre Abstammung oder Religion reduziert werden: es ist eine der beliebtesten und erfolgreichsten Diskriminierungsmethoden. Es zählt nicht, was sie als Mensch an Fähigkeiten vor uns ausbreiten, sondern per Begriff werden Sie in eine Schablone gesteckt, reduziert auf Religion, Geschlecht oder Abstammung.

Sawsan Chebli soll also eine islamische Sprechpuppe sein. Ihrer Art der Urteilsbegründung ließe einen fast vermuten, Sie hätten denken oder sagen können: immerhin, keine islamistische Sprechpuppe . . .

Islamisch ruft konnotativ all jene Vorbehalte ab, die bei gewissen Menschen gegenüber vor allem Muslimas  und Muslimen bestehen, bei dem ein oder anderen impliziert das islamistischen Terror und anderes mehr.

Jeder weiß, dass in dem vorliegenden Zusammenhang ganz bewusst dieser Hintergrund mit diesem einen Adjektiv abgerufen wird.

Offensichtlich haben Sie sich vor Gericht von Tim K. überzeugen lassen, dass doch alles nicht so schlimm sei, wie man meinen könnte.
Meine Güte, hören Sie mal einigen Herrschaften auf der Weltbühne zu, wenn sie im Anzug auf Konferenzen salbungsvoll daherreden, gleichzeitig aber ihre Soldaten Tag für Tag beispielsweise in Syrien morden und Krankenhäuer sowie Kindergärten bombardieren.
Sie lassen sich von jemandem wie Tim K. über den Tisch ziehen, nur weil er Ihnen etwas ins Ohr sülzt.

Ich habe Sie spontan in einem ersten Facebook-Kommentar als intellektuelle und moralische Knalltüte bezeichnet. Das tut mir insofern Leid, als dass man denken könnte, ich hätte Sie als Mensch diskriminieren wollen. Das ist nicht der Fall. Als Mensch sind Sie so wertvoll wie Sawsan Chebli, Tim K. und andere mehr.  Fachlich allerdings trifft das Bild einer Knalltüte - im Gegensatz zu dem Bild, das von Frau Chebli entworfen worden ist - meines Erachtens voll zu. Sie kennen die Tüten, die man richtig fett aufbläst, um dann auf sie draufzuhauen, wobei Luft mit einem großen Knall entweicht und die Tüte wie ein schlaffer Sack darniederliegt.
Für mich trifft das auf die Art und Fähigkeit Ihrer Amtsführung zu. Ihr Amt ist per se vom Gesetzgeber ausgerüstet mit einem bestimmten Volumen, das Paragraphen und Werte- sowie moralische Beurteilungsqualitäten enthält. Wenn man nun Ihre Amtsführung in einem Bild erfassen möchte, so zeigt sich, dass Sie viel lamentieren und vorab durchaus Wichtiges erfragen (siehe Artikel). Schlussendlich aber gibt es ledigleich einen großen Knall und es zeigt sich, dass dieses vorhandene  Volumen in keinster Weise durch ein inneres Korsett, bestehend aus juristischem Fundamentalwissen, Moral, einem entsprechenden Wertekanon und klarer Urteilsfindung gespeist wird. Es geht nicht darum, dass Ihnen Mut fehlt; es geht darum, dass Ihnen richterliche Grundvoraussetzungen fehlen.

Sawsan Chebli ist eine Frau, die, wie erwähnt, ein politisches Amt begleitet, in der Öffentlichkeit steht und Morddrohungen ausgesetzt ist. Selbst wenn das nicht so wäre, ist Ihr Urteil ein Unding. Dass Sie aber jemanden, der des besonderen Schutzes als politischer Entscheidungsträger bedarf, so im Regen stehen lassen, das ist unverantwortlich und, wenn man an die Urteile um Renate Künast denkt, fragt man sich, ob die Berliner Justiz nicht einem wertelosen Augiasstall gleicht, zu dessen Inhalt Sie - das ist meines Erachtens offensichtlich - maßgeblich beitragen.

Freudlose Grüße,
Johannes Klinkmüller

Link zum Artikel: hier

Hier übrigens der Kommentar des Freigesprochenen (Video anklicken, Ton anstellen):

https://twitter.com/i/status/1233070473388478468

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Wenn man dann noch bedenkt, dass die Schwester vom Richter stellvertr. Vorstandsvorsitzende der AFD in Steglitz-Zehlendorf ist (https://afd-steglitz-zehlendorf.de/kreisverband/vorstand/), dann fragt man sich wirklich, ob dieser Richter neutral und ohne politische Motivation agiert. Dieses Urteil lässt mich genau das bezweifeln...