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Dienstag, 28. April 2020

Rilkes "Leichen-Wäsche" und "Der blinde Knabe"


Rilkes Gedicht "Leichen-Wäsche" liegt in der Tradition und seinem Verfahren der Anonymisierung von Christus. Letzteres ist aus den "Christus-Visionen" und eben einem Gedicht wie jenem, dem man den Titel "Der blinde Knabe" gegeben hat, bekannt. 
Im folgenden Gedicht ist Jesus als solcher nur aufgrund der ein oder anderen Zutat - dem Essig also oder der Bezugnahme auf sein Kreuzeswort "Mich dürstet" - als dieser zu erkennen, sonst könnte auch irgendeine andere Leiche auf dem Tisch liegen und gewaschen werden:

Leichen-Wäsche
Sie hatten sich an ihn gewöhnt. Doch als
die Küchenlampe kam und unruhig brannte
im dunkeln Luftzug, war der Unbekannte
ganz unbekannt. Sie wuschen seinen Hals,
und da sie nichts von seinem Schicksal wußten,
so logen sie ein anderes zusamm,
fortwährend waschend. Eine mußte husten
und ließ solang den schweren Essigschwamm
auf dem Gesicht. Da gab es eine Pause
auch für die zweite. Aus der harten Bürste
klopften die Tropfen; während seine grause
gekrampfte Hand dem ganzen Hause
beweisen wollte, daß ihn nicht mehr dürste.
Und er bewies. Sie nahmen wie betreten
eiliger jetzt mit einem kurzen Huster
die Arbeit auf, so daß an den Tapeten
ihr krummer Schatten in dem stummen Muster
sich wand und wälzte wie in einem Netze,
bis daß die Waschenden zu Ende kamen.
Die Nacht im vorhanglosen Fensterrahmen
war rücksichtslos. Und einer ohne Namen
lag bar und reinlich da und gab Gesetze.
............Aus: Der neuen Gedichte anderer Teil

Mir persönlich macht das nichts, wenn jemand auf den Spuren des Goldenen Kalbs wandelt oder atheistisch unterwegs ist. Das ist jedermanns eigene Sache. Für mich ist Christus auch kein Religionsstifter - schon deshalb nicht, weil ich ihn nicht dem Verständnis der Christlichen Kirchen ausgeliefert oder für irgendeine Religion vereinnahmt sehen möchte -, sondern eine Bewusstseinsstufe, die ich mit > von Liebe durchtränkter Weisheit < bezeichnen möchte.
Von daher tut mir die Rilkesche Darstellung schon etwas weh - vielleicht könnte ich auch sagen: Ich empfinde leisen Ekel, weil ich dieses Bewusstsein, das mit dieser Wesenheit auf der Erde weilte und für sie meines Erachtens bitter notwendig war, sehr schätze.

Viele schmücken sich ja mit Rilkeschen Engeln und seinem Gott, der allerdings ohne Christus, den Rilke eben nicht nur ablehnt, sondern auch verspottet, ein Allah ist, der nunmal, ihm einen Sohn zu unterstellen, vehement ablehnt (was bekanntlich jedem Gott auch freisteht).
Jedenfalls sollte man darum wissen, wenn man diesen Dichter, der, wie kaum ein anderer ein unglaubliches Gefühl für Worte hatte und so vereinnahmend zu schreiben vermag, so gern Poesiealben zieren lässt.

Hier noch eine seiner "Christus-Visionen", überschrieben "Der blinde Knabe":


An allen Türen blieb der blinde Knabe,
auf den der Mutter bleiche Schönheit schien,
und sang das Lied, das ihm sein Leid verliehn:
"Oh hab mich lieb, weil ich den Himmel habe."
Und alle weinten über ihn.

An allen Türen blieb der blinde Knabe.

Die Mutter aber zog ihn leise mit;
weil sie die andern alle weinen schaute.
Er aber, der nicht wußte, wie sie litt,
und nur noch tiefer seinem Dunkel traute,
sang: "Alles Leben ist in meiner Laute."

Die Mutter aber zog ihn leise mit.

So trug er seine Lieder durch das Land.
Und als ein Greis ihn fragte, was sie deuten,
da schwieg er, und auf seiner Stirne stand:
Es sind die Funken, die die Stürme streuten,
doch einmal werd ich breit sein wie ein Brand.

So trug er seine Lieder durch das Land. 

Und allen Kindern kam ein Traurigsein.
Sie mußten immer an den Blinden denken
und wollten etwas seiner Armut weihn;
er nahm sie lächelnd an den Handgelenken
und sang: "Ich selbst bin kommen euch beschenken."

Und allen Kindern kam ein Traurigsein.

Und alle Mädchen wurden blaß und bang.
Und waren wie die Mutter dieses Knaben,
der immer noch in ihren Nächten sang.
Und fürchteten: wir werden Kinder haben, -
und alle Mütter waren krank

Da wurden ihre Wünsche wie ein Wort
und flatterten wie Schwalben um die Eine,
die mit dem Blinden zog von Ort zu Ort:
"Maria, du Reine,
sieh, wie ich weine.
Und es ist seine
Schuld. In die Haine
führ ihn fort!"

Bei allen Bäumen blieb der blinde Knabe,
auf den der Mutter müde Schönheit schien,
und sang das Lied, das ihm sein Leid verliehn:
"Oh hab mich lieb, weil ich den Himmel habe -"
Und alle blühten über ihm.
.........Aaus: Elf Christus-Visionen (geschrieben zwischen 1896 und 1898)

PS: Die Veröffentlichung steht inhaltlich in Zusammenhang mit meinem Methusalem-Post:

Wir alle sind Elis.
Selten hat ein Autor solche Tiefendimensionen menschlicher Existenz angesprochen.

Freitag, 24. April 2020

Sie sind nicht so seriös, wie Sie tun, Dr. Angela Merkel, im Gegenteil. Und Gleiches gilt für das RKI - die Wahrheit sieht anders aus! (Und Markus Söder: auch gut zuhören!)

Schon mal vorab das Fazit von Professor Christof Kuhbandner (Uni Regensburg):

  1. Die berichteten Zahlen zu den Neuinfektionen überschätzen die wahre Ausbreitung des Coronavirus sehr dramatisch. Der beobachtete rasante Anstieg in den Neuinfektionen geht fast ausschließlich auf die Tatsache zurück, dass die Anzahl der Tests mit der Zeit rasant gestiegen ist. Es gab also zumindest laut den berichteten Zahlen in Wirklichkeit nie eine exponentielle Ausbreitung des Coronavirus.
  2. Die berichteten Zahlen zu den Neuinfektionen verbergen die Tatsache, dass die Anzahl der Neuinfektionen bereits seit in etwa Anfang bis Mitte März sinkt.
  3. Die Anzahl der Todesfälle sinkt ebenfalls bereits seit Anfang April, was durch die irreführende übliche Darstellung der pro Tag neu hinzugekommenen Todesfälle verborgen wird. Zudem spiegelt der Verlauf der Todeskurve womöglich nur den Verlauf der durch die Testanzahl dramatisch nach oben verzerrte Kurve der Neuinfektionen wider.

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