Eine
kleine Auswahl aus den vielen wunderbaren Herbstgedichten, die es in
der deutschen Lyrik gibt:
Im Nebel ruhet noch die Welt,
Noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
Den blauen Himmel unverstellt,
Herbstkräftig die gedämpfte Welt
In warmem Golde fließen.
23
Jahre war Mörike alt, als er sein „Septembermorgen“ schrieb, das, wie
manches seiner Perlen, ein Kosmos im Kleinen ist. Ungewöhnlich, dass ein
junger Mann so virtuos malen kann. Denn das Gedicht ist weniger ein
Gedicht als vielmehr ein Gemälde. Jede Zeile zaubert ein neues Bild vor
unser Auge.
In
den Tiefen seines Wesens heilen Mörikes Verse, indem sie uns an den
Zyklus des Lebens anschließen, vertrauensvoll anschließen. Dieses
Vertrauen kommt, weil dieses Gedicht nicht schreit, wie so vieles in
unserer Welt, da, wo sie mehr und mehr verkommt. Nein, Mörikes Welt ist
gedämpft. - Weil sie im Herbst so ist und darin besteht ihr Segen.
Und
damit kein Zweifel über des Goldes göttliche Herkunft besteht:
Es ist
warmes Gold.
Die Welt fließt in warmem Gold.
Wer wirklich zu leben vermag, muss fallen können; daran gemahnen Rilkes so feinfühlig geschriebene Verse:
Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.
Fast
wünschte man, dass Trakls Herbstgedicht „Der Herbst des Einsamen“ mit
der ersten Strophe endet; doch es geht weiter und nimmt den so frühen
Tod dieses Dichters, der im Grunde sein Leben lang drogenabhängig war
und wie kaum ein anderer um seine Seele kämpfte, vorweg:
Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle,
Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen.
Ein reines Blau tritt aus verfallner Hülle;
Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen.
Gekeltert ist der Wein, die milde Stille
Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen.
Und hier und dort ein Kreuz auf ödem Hügel;
Im roten Wald verliert sich eine Herde.
Die Wolke wandert übern Weiherspiegel;
Es ruht des Landmanns ruhige Gebärde.
Sehr leise rührt des Abends blauer Flügel
Ein Dach von dürrem Stroh, die schwarze Erde.
Bald nisten Sterne in des Müden Brauen;
In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden,
Und Engel treten leise aus den blauen
Augen der Liebenden, die sanfter leiden.
Es rauscht das Rohr; anfällt ein knöchern Grauen,
Wenn schwarz der Tau tropft von den kahlen Weiden.
Christian
Morgenstern schrieb einige Herbstgedichte. Das folgende spricht vom
Winterwerden, auf das uns der Herbst vorbereiten möchte, und der
Geisteshelle, die an Stelle der Sommerhelle nun die Gelände kärt; im
Herbst beginnt sich die Natur auf geistige Weise zu adeln:
Sieh, des Herbstes Geisteshelle
klärt und adelt die Gelände;
Erdenbreiten, Himmelswände
kost dieselbe lautre Welle.
O du glückversunken Säumen,
eh' die Sommerfarben sterben!
O du letztes Liebeswerben
aus den unbegriffnen Räumen!
Dass mir so die Seele leuchte,
wann ich einst des Winters werde!
Und in meines Auges Feuchte
spiegelt sich der Schmelz der Erde.
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