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Mittwoch, 13. Mai 2009

Über den Umgang mit Gerüchten. - Die drei Siebe des Sokrates.


Mit den Morgengedanken im Radio ist es so wie mit manchen Predigten: Man ist nur zu faul aufzustehen, sonst würde man die Kirche verlassen bzw. den Knopf drehen - oder aber sie gehen einem nicht aus dem Kopf und melden sich immer wieder.
Letzteres ist mir kürzlich widerfahren mit den im Folgenden wiedergegebenen Morgengedanken von Peter Kottlorz, dessen angenehme Stimme und unaufdringliche Sichtweisen ich mag. Sie wollen nicht überzeugen, sondern anregen:


„Lügen haben kurze Beine, Gerüchte aber haben Flügel“. An diesen Spruch musste ich denken, als ich in der Zeitung gelesen habe, wie ungreifbar manche Gerüchte sind und wie lange sie sich halten.
Johannes Baptista Sproll, der 7. Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart war ein streitbarer und tapferer Mann. Über ihn wurde, bevor er Bischof werden sollte, das Gerücht gestreut, er habe ein Kind. Dieses Gerücht war eine gezielte Intrige von Leuten, die ihn als Bischof verhindern wollten. Erst in diesen Tagen, als das Geheimarchiv des Vatikans zu Forschungszwecken geöffnet wurde, konnte nachgewiesen werden wie dieses Gerücht in die Welt kam und als Wichtigstes: dass nichts an diesem Gerücht dran war. Bischof Sproll hatte kein Kind. Es ist schon erschreckend, wie wenig man sich gegen Gerüchte wehren kann und wie lange sie sich halten können. Im Fall von Bischof Sproll sage und schreibe 80 Jahre!
Manche sehen Gerüchte gar in der Nähe der Wahrheit, quasi als deren Vorbote. Und manchmal ist ja auch was an ihnen dran. Aber andererseits ist das Risiko doch zu groß, dass ich, wenn ich ein Gerücht weitergebe, mich an übler Nachrede beteilige oder schlimmstenfalls mit am Rufmord schuldig werde.
Sensible und verantwortungsvolle Menschen werden deshalb nicht als Kellner oder gar Köche in der Gerüchteküche tätig. Einer dieser Gerüchteverweigerer war der Philosoph Sokrates.
Als eines Tages sein Schüler Kritias aufgeregt zu ihm kam und sagte: „Sokrates, hast du schon gehört...“, unterbrach er ihn und sagte: “Lass mich sehen, ob das, was du erzählen willst durch die drei Siebe geht.“ „Drei Siebe?“, fragte Kritias voll Verwunderung. „Ja, mein Freund, drei Siebe. Das erste Sieb ist die Wahrheit. Ist das, was du mir erzählen willst wahr?“ „Nun, ich weiß nicht, ich hörte es erzählen und...“, „aber vielleicht hast du es im zweiten Sieb geprüft, im Sieb der Güte? Ist das, was du mir erzählen willst, wenn schon nicht als wahr erwiesen, wenigstens gut?“ Zögernd sagte Kritias: „Nein, das nicht, im Gegenteil...“, und wieder unterbrach ihn der Weise „Lass’ uns auch das dritte Sieb noch anwenden, ist es notwendig mir zu erzählen, was dich so erregt?“ „Notwendig nun gerade nicht...“ „Also“, lächelte Sokrates, „wenn das, was du mir erzählen willst weder wahr noch gut noch notwendig ist, so lass es begraben sein und belaste dich und mich nicht damit!“


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