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Montag, 31. Dezember 2018

Trag dein Licht in die Welt!

"Trag dein Licht in die Welt", so hat eine liebe Freundin von mir eines ihrer Bilder genannt, mit dem ich alle Leserinnen und Leser grüßen und ein neues Jahr wünschen möchte, das ereignisreich in einem ganz positiven Sinne ist, in dem sich für uns alle immer wieder ganz freudvolle Augenblicke ereignen und Begegnungen stattfinden, die uns bereichern!

 


Mehr Bilder von Sigrid Jupitz aus dieser Serie und weitere, z.B. aus der Einhorn-Serie, findet ihr hier

Freitag, 28. Dezember 2018

Laß mich für die Erde / Sinnen, daß sie werde / Durch und durch verschönt! - Friedrich Rückerts ganz persönlicher Weltgesang.

Selten habe ich ein Gedicht gelesen, das thematisch so viel anspricht, so vielschichtig ist. Es ist wohl so wie jener Mann, der es geschrieben hat, der 50 Sprachen beherrschte und aus 44 Sprachen Texte übersetzte, der 10 Kinder zeugte, wobei seine auch durch die Vertonung von Gustav Mahler so bekannt gewordenen Kindertotenlieder zeigen, wie sehr er unter dem Tod zweier litt. 
Er hat über 1000 Gedichte geschrieben, was ein Leistungs-, aber noch kein Qualitätsnachweis ist. Als kleiner Anhaltspunkt aber sei gesagt, dass er mit einigen seiner Gedichte eigentlich in jeder Gedichtanthologie zu finden ist.
Das folgende findet sich nicht unter denen, die dort anzutreffen sind; wenn es nach mir ginge, stünde es dort. Es berührt mich schon gleich zu Beginn, wenn es über das eigene Leben und sein Verhältnis zur Welt heißt: Wo du mir geschwunden, / Hab' ich dich gefunden / Inniger in mir. - Worte, die mich berühren, weil sie eine Erfahrung betreffen, die auch ich gemacht habe: Wenn die Welt schwindet, die Vorstellung, die sich die Menschen und man selbst von ihr macht - und das geschieht eben manchmal und vor allem durch leidvolle Erfahrungen -, dann findet man etwas, was wert ist, Welt genannt zu werden und es ist möglich, dem Leben so produktiv-schöpferisch zu begegnen, wie Rückert das in der letzten Strophe tut.

Vorausschicken möchte ich zum besseren Verständnis noch, dass Rüster eine andere Bezeichnung für Ulmen sind, Brodem ausströmender Dunst bzw. Dampf und Unke eine recht flache Kröte, bauchseits mit Warnfarben, an der Oberfläche braun-grau-schwarz.


Friedrich Rückert (1788 - 1866)
 Waldstille.
..Tief im Walde saß ich,
Und die Welt vergaß ich,
Die nie mein gedacht;
Mich in mich versenkt' ich,
Und mein Sinnen lenkt' ich
In des Daseins Schacht.
...Welt, ich dein vergessen?
Erst dich recht besessen
hab' ich fern von dir.
Wo du mir geschwunden,
Hab' ich dich gefunden
Inniger in mir.
..Wie durch Bachkrystallen,
Dir mit Wohlgefallen
Schau' ich auf den Grund.
Du bist nicht so böse,
Wie du mit Getöse
Selbst es thuest kund.
..Draußen im Gewirre
Kann man werden irre,
Welt, an sich und dir;
Fern von deinem Rauschen
Kann ich dich belauschen
In mir selber hier.
..Leise hör' ich flüstern
Jedes Blatt der Rüstern,
Jegliches Gefühl
Sich im Busen regen,
Wie die Winde legen
Sich im Laubgewühl.
..Einen leisen Odem
Hör' ich, der den Brodem
Haucht hinweg vom Tag.
Du bist ohne Schleier,
O Natur, und freier
Geht mein Herzensschlag.
..Durch des Waldes Stille
Tönt die Sommergrille,
Und die Unk im Sumpf;
Lauter oder leiser,
Keine Stimm' ist heiser,
Keine Stimm' ist dumpf.
..Wer den Ton gefunden,
Der im Grund gebunden
Hält den Weltgesang,
Hört im lauten Ganzen
Keine Dissonanzen,
Lauter Uebergang.
..O Natur, du große
Mutter die im Schooße
Viele Kinder hält!
Lächelst recht von Herzen,
Wenn sie fröhlich scherzen,
Wie dir's wohlgefällt.
..Wenn die Kinder streiten,
Schlichtest du beizeiten,
Brauchest deine Macht;
Wenn sie sich verlaufen,
Sammelst du den Haufen
Doch zu dir bei Nacht.
..Deine Sonne wecket
Alles was bedecket
Goldner Schlummerduft.
Wache Lebenstriebe
Wiegst du ein in Liebe:
Wiege, Brautbett, Gruft!
Deine Arbeitsbienen,
..Kunsttrieb gabst du ihnen
Statt der Liebeslust.
Aber beide Flammen
Gossest du zusammen
In des Menschen Brust.
..Wo die beiden ringen
Werden sie bezwingen
Leben und den Tod,
Sich zum Himmel schwingen,
Und zur Erde bringen
Ew'ges Morgenroth.
Geisteswaffenschärfung,
Stoffes Unterwerfung,
Welterobrungskunst;
Hier den Forst zerschmettert,
Was ihn dort beblättert,
Stürmische Liebesbrunst.
..Auch der Haß ist Liebe,
Schöpfend mit dem Siebe
Statt der Schal' im Born.
Als ich hassen wollte,
Fühlt' ich nur, es schmollte
Kind'scher Liebeszorn.
..Du verzeihst den Kindern,
Aber weißt zu hindern
Ihre Unart auch.
Der ist wohlerzogen,
Dessen Hochmuthswogen,
Legt von dir ein Hauch.
..Laß mich auserkornen
Meinen blindgebornen
Bruder nicht verschmähn!
Was der Maulwurf wühlet,
Hat der Mensch gefühlet
Oder eingesehn.
..Was der Vogel singet,
Was die Quelle springet,
Was die Blume blüht,
Was die Schöpfung rauschet,
Mutter, nur belauschet
Hab' ich dein Gemüth.
..Laß mich für die Erde
Sinnen, daß sie werde
Durch und durch verschönt!
Laß mich sie verklären,
Daß im Chor der Sphären
Sie mit Freude tönt!

Dieses Gedicht hat eine unglaubliche Tiefe: hier mehr

Sonntag, 23. Dezember 2018

Stefan Sell: "Gehirnwäsche, die wir seit Anfang der 90er Jahre erleben". Umverteilung ist angesagt - und Sell ist kein Sozialist!

Sell macht darauf aufmerksam, dass Rentenabsicherung von Leuten gemacht wird, die Beamte sind und ihre sichere Rente haben - entsprechend geht es dann selbst Menschen, die 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben und jetzt kaum mehr von ihrer Rente leben können - nachzufragen bei Krenkenschwestern, einfachen Gemeindearbeitern, Kassiererinnen . . .

Donnerstag, 20. Dezember 2018

Beeindruckend dieser Karl May, er kann nicht nur Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi Effendi, er kann mehr/Meer !

Wie das Meer
Sei still in Gott, still wie das Meer!
Nur seine Fläche streift der Wind,
und tobt als Sturm er noch so sehr,
wiss, dass die Tiefen ruhig sind.
Sei weit in Gott, weit wie das Meer!
Es wogt nicht bloß am heim'schen Strand,
und wird dir's auch zu glauben schwer,
wiss, drüben gibt's doch wieder Land.
Sei tief in Gott, tief wie das Meer!
Nach dort, wo dich die Welt vergisst,
sei dein Verlangen, dein Begehr,
wiss, dass die Tiefe Höhe ist.
Ja, sei, mein Herz, stets wie das Meer
in Gott so still, so tief, so weit!
Dann landest du nicht hoffnungsleer
am Küstensaum der Ewigkeit.
...............
Karl May (1842 - 1912)

Donnerstag, 13. Dezember 2018

Und lass so lang ein Leben währen kann / Die Liebe währen.

        Marie Luise Kaschnitz (1901-1974)
Die Ewigkeit

Sie sagen, dass wir uns im Tode nicht vermissen
Und nicht begehren. Dass wir hingegeben
Der Ewigkeit, mit anderen Sinnen leben
Und also nicht mehr von einander wissen.

Und Lust und Angst und Sehnsucht nicht verstehen,
Die zwischen uns ein Leben lang gebrannt,
Und so wie Fremde uns vorübergehen,
Gleichgültig Aug dem Auge, Hand der Hand.

Wie rührt mich schon das kleine Licht der Sphären,
Die wir ermessen können, eisig an,
Und treibt mich dir ans Herz in wilder Klage.

O halt uns Welt im süßen Licht der Tage,
Und lass so lang ein Leben währen kann
Die Liebe währen.
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Dienstag, 11. Dezember 2018

Romantik kann gefährlich sein, wenn sie träge macht, wenn Stille zur Totenstlle wird.

Friedrich Lenaus Gedichte - der österreichische Autor lebte von 1802 bis 1850 - zeigen dieses Dilemma auf. In seinen Sonetten, die vom Wind, vom Regen von den Glocken und vom Kind erzählen, spricht er beispielsweie von einem vor sich hinschlummernden Wald, in dem sogar die Vögel schweigen, er spricht von regungslosen Disteln, von Himmel und Erde, welche diffus ineinander versunken sind. Nichts hat das gemein mit der so erwünschten Hochzeit von Himmel und Erde. Beispiehaft sei hier das Sonett Stimme des Windes zitiert:

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1.  Stimme des Windes

In Schlummer ist der dunkle Wald gesunken,
Zu träge ist die Luft, ein Blatt zu neigen,
Den Blütenduft zu tragen, und es schweigen
Im Laub die Vögel und im Teich die Unken.

Leuchtkäfer nur, wie stille Traumesfunken
Den Schlaf durchgaukelnd, schimmern in den Zweigen,
Und süßer Träume ungestörtem Reigen
Ergibt sich meine Seele, schweigenstrunken.

Horch! überraschend saust es in den Bäumen
Und ruft mich ab von meinen lieben Träumen,
Ich höre plötzlich ernste Stimme sprechen;

Die aufgeschreckte Seele lauscht dem Winde
Wie Worten ihres Vaters, der dem Kinde
Zuruft, vom Spiele heimwärts aufzubrechen.
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Wind ist in den Mythen immer mit Geistigem verbunden, und so darf man, wenn von dem Vater die Rede ist, durchaus an den göttlichen denken, der seinem Menschenkind zuruft: Komm heim!

In seinem 4. Sonett nimmt Lenau Bezug darauf, dass Kinder aus einer geistigen Welt kommen, nicht einfach, wie mancher annehmen mag, ein physisches Produkt sind, in das sich eine Seele verirrt. 
Lenaus Bezugnahmen zum Paradies und zum Himmel sind allerdings nur als Möglichkeit und als Vergleich gestaltet, doch hat man  den Eindruck, dass er im Lauschen des Kindes mehr als nur ein Möglichkeit, die der Konjunktiv II suggeriert, sieht:
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4. Stimme des Kindes

Ein schlafend Kind! o still! in diesen Zügen
Könnt ihr das Paradies zurückbeschwören;
Es lächelt süß, als lauscht es Engelchören,
Den Mund umsäuselt himmlisches Vergnügen.

O schweige, Welt, mit deinen lauten Lügen,
Die Wahrheit dieses Traumes nicht zu stören!
Laß mich das Kind im Traume sprechen hören
Und mich, vergessend, in die Unschuld fügen!

Das Kind, nicht ahnend mein bewegtes Lauschen,
Mit dunklen Lauten hat mein Herz gesegnet,
Mehr als im stillen Wald des Baumes Rauschen;

Ein tiefres Heimweh hat mich überfallen,
Als wenn es auf die stille Heide regnet,
Wenn im Gebirg die fernen Glocken hallen.


Ja, Lenau deutet es an, die Welt muss schweigen, damit dieses Kind zu hören ist. 

Wovon er zu seiner Zeit noch nicht sprechen kann - deshalb der versteckte Konjunktiv II in lauschte, der immer auch Nicht-Wirklichkeit souffliert - ist, dass die Menschheit sich auf eine Stufe hin zu entwickeln beginnt, auf der sie die Stimme des inneren göttlichen Kindes nicht mehr nur im Traume hört. Die Stille der Erde wird transparenter; denn auch wenn genau das Gegenteil der Fall zu sein scheint, wenn Lüge im Weißen Haus hoffähig geworden ist und weltweit immer mehr dominiert: genau dann ist auch die Gegenbewegung da, nämlich, dass in Menschen Stille spricht. 

Lenau weiß darum, weil in der Romantik die Stille auch eine dunkle Seite zeigt – genau deshalb! Das ist ein großes Verdienst der Romantik. Weil die Stille dadurch sich in ihrer wahren ganzheitlichen Gestalt zeigt, kann auch ihre klare Seite deutlicher zutage treten. Noch geschieht es bei Lenau in Form einer Ankündigung, die Wortwahl des zweiten Terzetts macht es deutlich: Das Heimweh hat überfallen – noch ist es ein zu passiver Vorgang, der dem Menschen widerfährt, noch hallen in seinem zweiten Sonett die Glocken, die aus der Stille kommen, in der Ferne, aber sie sind spürbar, fast vor dem Durchbruch, im Menschen klar zu tönen.

Auf diesem Weg zu klarem Bewusstsein, das Romantiker oft so sehr herbeisehnten, aber noch nicht ganz verstanden – mit Ausnahme von einem Novalis, möchte ich sagen – sind die Menschen unserer Tage und sie sollten sich von den Trumps und Putins dieser Erde, die morden und lügen, und denen, die so blitzgescheit daherreden wie ein Harald Lesch oder ein Bestseller-Philosoph wie Richard David Precht, aber nichts von der Kraft des Geistes verstehen, der in den Menschen zur Entfaltung kommen kann – oder keinen Mut haben, sich zu ihm zu bekennen -, nicht irritieren lassen. Es ist ein inneres Vermögen der Menschen, das sich mehr und mehr entwickelt, das im Übrigen die Enge der Konfessionen und die Falschheiten einer dubiosen Esoterik hinwegfegen wird.
mehr zu allen vier Sonetten: hier