Seiten

Montag, 30. Dezember 2019

Nur mir, nur Gott gehört mein Leib. / Mir steht ein andrer Himmel offen ... - Richard Dehmels Romanze "Silvesternacht"


Silvesternacht. Viel’ Glocken läuten.
Fern graut die Großstadt her. Zwei Menschen sehn
den Dunst des Horizontes leuchten
und drüber die Millionen Sterne stehn.
Zwangvoll, um ein Weib nicht zu berühren,
lehnt ein Mann auf eisernem Balkone,
sagt mit trunknem, heiserm Ton,
während im Hause Gläser klirren:

Dort schläft im Dunst mein Eheweib,
und Du – besiehst mit mir die Sterne.
Und hinter uns trinkt Jemand Haut-Sauternes,
dem du gehörst mit deinem Leib,
mit deinem hoffnungsvollen Leib.
Himmel, Himmel, o könnt ich blind sein!
Lea! blind sein! noch einmal Kind sein!
Oh, du kennst wohl nicht dies Grauen:
klar und kalt wie Gott durchschauen:
nur aus Leid ist Glück zu bauen.
Alles Leid ist Einsamkeit,
alles Glück Gemeinsamkeit –

Er stockt. Die Glocken rings verstummen;
es ist, als ob die Sterne summen.
Die Stirn erhebend sagt ein schwangres Weib:

Nur mir, nur Gott gehört mein Leib.
Mir steht ein andrer Himmel offen,
als ihn die Leidenden ermessen.
Hast du dein eignes Wort vergessen:
Gott ist der Mensch, auf den wir hoffen?!
Uns ging kein Paradies verloren,
es wird erst von uns selbst geboren.
Schon reist in manchem Schoß auf Erden
ein neuer Menschensohn – der sagt:
so ihr das Himmelreich nicht in euch tragt,
könnt ihr nicht wie die Kindlein werden!

Es glitzern die Millionen Sterne;
zwei Menschen schauen in die Ferne.

Richard Dehmel hat in "Zwei Menschen", einem Roman in Romanzen, drei Umkreisen, bestehend aus jeweils 36 Gedichten/Romanzen zu jeweils 36 Versen, ein eindrucksvolles Kunstwerk geschaffen, das, 1903 veröffentlicht, seinen Ruhm als Dichter und Repräsentant deutscher Lyrik begründete. Manchesmal ist der Ton manchem zu Recht zu exaltiert, insgesamt aber wissen immer wieder einzelne Romanzen zu beeindrucken, so auch obige Romanze Silvesternacht, die deutlich macht, dass zwischen aller Jubel-Trubel-Stimmung es auch menschlich Bewegendes und bewusst Menschliches gibt. 
Aus der Sammlung Erster Umkreis: Die Erkenntnis)

Samstag, 28. Dezember 2019

"Meine Oma ist ´ne alte Umweltsau!" - Haben manche Leute (der WDR) eigentlich alle Maßstäbe verloren?

Gewiss ist das folgende Video vom WDR gelöscht worden und die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt äußerte, dass man betroffen sei, dass es so aussehen könne, als ob man Kinder instrumentalisiert habe. Die Aktion habe eine Satire auf die „zuweilen hysterische Klimadiskussion“ sein sollen, so der Sender per Facebook.

Davon abgesehen, dass das Wort "Satire" immer dann herhalten muss, wenn offensichtlich ist, dass Leute  Maßstäbe verloren haben:
Bedrückend ist, dass erwachsene Menschen Kinder mit so viel Engagement ein Lied singen lassen, das, alte Menschen als Sau zu bezeichnen, die sie ja nunmal aufgrund ihres Verhaltens offensichtlich sind, in der Seele von Kindern verankert.
Und dass diesen Kindern zugleich soufliert wird, dass es einem Gag zuliebe okay ist, alle älteren Menschen in Bausch und Bogen über einen Leisten zu scheren. 

Das soll den erwachsenen Produzenten samt dem Dirigenten nicht aufgefallen sein, dass sie Kinder von Wertschätzung und Respekt wegerziehen?

Die Scheinheiligkeit mancher Erwachsener ist einfach erschreckend. 

Für einen vermeintlichen Gag und Einschaltquoten opfert man die Erziehung zu Werten, deren Verlust in unserer Gesellschaft schon lange beklagt wird. Aber dann bei passender Gelegenheit über diesen Verlust jammern . . .




Freitag, 27. Dezember 2019

"... still versanken im Strom des Schauens zwischen uns die Schranken" - Richard Dehmels "Liebe"

Liebe

Du sahst durch meine Seele in die Welt,
es war auch deine Seele: still versanken
im Strom des Schauens zwischen uns die Schranken,
es ruhten Welt und Du in Mir gesellt.

Dein Auge sah ich liebevoll erhellt:
Erleuchtung fluteten, Erleuchtung tranken
zusammenströmend unsre Zwiegedanken,
in Deiner Seele ruhte Meine Welt.

Und selig fühlten wir, die blind und kalt
die Welt entzwein durch Lüste und durch Hehle,
vereint als Lauterkeiten unsre Fehle

durch dieses Blickes tiefe Lichtgewalt.
Denn Liebe ist die Freiheit der Gestalt
vom Wahn der Welt, vom Bann der eignen Seele.

Richard Dehmel, Liebe
Aus der Sammlung Lebensblätter

Richard Dehmel (1863-1920) war in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhundersts ein deutschlandweit bekannter Autor, der heute nahezu in Vergessenheit geraten ist. Damals war er - man möchte fast sagen - eine literarische Instanz und es wird berichtet, dass er vor über tausend Menschen mit anderen Literaten zusammen seine sozialdemokratisch orientierten Gedichte vortrug, die vielfach vertont und also auch gesungen wurden, u.a. im berühmten Münchner Kabarett Die Elf Scharfrichter.
Überregional bekannt geworden war er 1896, weil er wegen Verletzung religiöser und sittlicher Gefühle im Rahmen seines Gedichtes »Venus Consolatrix« gerichtlich verurteilt worden war.
Zumeist werden, wenn überhaupt, seine Gedichte, die die Arbeiterbewegung unterstützten, in Anthologien abgedruckt. Doch schrieb er auch viele Gedichte, die sich mit der Liebe zwischen Mann und Weib - Dehmel spricht zuallermeist von der Frau als Weib -, aber auch Gedichte, die sich mit der Sinnhaftigkeit des Lebens beschäftigen und bisweilen einen durchaus spirituellen, um nicht zu sagen okkulten Tonfall aufweisen. Wiederholt zum Beispiel werden die Toten in die Gedankengänge der Lebenden mit einbezogen.
Er schrieb, der Stimmung der damaligen Zeit gemäß, auch deutsch-nationale Gedichte, und es kommt nicht von ungefähr, dass er sich - immerhin 51 Jahre alt - 1914 als Kriegsfreiwilliger meldete. Bis 1916 war er an der West- und der Vogesenfront im Einsatz.
1920 verstarb er an einer Thrombose, möglicherweise als Folge einer Kriegsverletzung

Mehr mehr von ihm lesen möchte > Die Deutsche Gedichtebibliothek

Dienstag, 24. Dezember 2019

"Heut zündet uns das Herz die Sterne an / und Stille legt sich über alle Meere" - Sternenstille. Ein Weihnachtsgedicht von Constanze.

Auch heute werden noch wunderschöne Gedichte geschrieben:

Heut zündet uns das Herz die Sterne an
und Stille legt sich über alle Meere,
es scheint, als ob die letzte Erdenschwere
zerstiebt im funkelnden Gestirneplan
und aufgeht nur in lichten Augenblicken,
im klaren Schauen mag die Einheit glücken,
Vergangenes und Hoffendes in eins
zu einem leuchtenden Gesicht erhoben,
es lächelt nah und fern und von ganz oben
und birgt die Stimme eines ganzen Seins,
die Schönheit ist und Liebe – nur dies eine
auf Gottes großer, heller Sternenbahn,
aufflammt, entfacht mit Feuer selbst das Kleine
und weist die Richtung jedem Lebenskahn –
du himmlisch Ausgestreuter gibst dir Ehre,
legst still dein Herz heut über alle Meere!

("Sternenstille". Von Constanze am 23.12. veröffentlicht auf ihrem Blog Das poetische Zimmer https://bit.ly/2MnPodb)

Montag, 23. Dezember 2019

Als Deutscher muss man sich für diese Bundesregierung, für Heiko Maas und Angela Merkel schämen. Sie kuschen vor Mördern!

Putin und Assad lassen in Syrien seit Tagen Zivilisten zusammenbomben. Möge der Himmel diese Grausamkeiten Ihnen bald vergelten. - China ist nicht minder beteiligt. - Erschreckend finde ich ebenfalls, dass die Welt zusieht und schweigt!



PS.  Wie mir eine liebe Freundin heute Abend mitteilte, hat sie auf Bayern 5 gehört, wie der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Bedfort-Strohm die Zustände in Syrien angeprangert hat. Den genauen Wortlaut kenne ich nicht, aber immerhin hat wenigstens einer Flagge gezeigt. Schön wäre es vor allem dann, wenn er klar angesprochen hätte, dass zu viele heutige Regenten hundert- ja tausendfache Mörder sind.
Diese Tatsache muss als Bewusstsein in die Welt. Und sagen können es nur die, die nicht gleich umgebracht werden . . .

Samstag, 21. Dezember 2019

Wertvoller Panorama Beitrag: Selbst die Parteien, allen voran die christliche CDU und die ach so seriöse FDP - kaufen Likes.


  • Es lässt sich festhalten, dass u.a. unsere politischen Parteien bewusst Bürger irreführen . . . Aber dann in der nächsten Debatte wieder über Werteverfall jammern . . . was für Heuchler !!!
  • Es wird immer deutlicher, dass sich unsere Form der Parteiendemokratie überholt hat.
  • Politische Verbände, die zu solchen Mitteln greifen, haben im öffentlichen Raum nichts verloren!
  • Hier kannst Du den Beitrag anklicken/anschauen 






























Freitag, 20. Dezember 2019

"Christus wird in Armut und Niedrigkeit geboren!" - Søren Kierkegaard und warum die fette Gans und das Fest-Gedröhne nicht zu Weihnachten passen. -

Wenn es nach Søren Kierkegaard geht, könnte der Pfarrer zum 4. Advent oder in der Christ-Vesper eine Scheibe Brot hochhalten und sagen: "In diesem Moment müssen sich auf unserer Erde Menschen, wie wir hier, diese eine Scheibe Brot teilen. Jesus wurde von Beginn an für einen schmalen Weg geboren. Und ich predige über diesen schmalen Weg, der ich auf dem breiten mich befinde - wie die meisten von uns hier . . ."

Søren Kierkegaard in Zur Selbstprüfung der Gegenwart empfohlen
Christus ist der Weg. Das sind seine eigenen Worte, so muß es wohl die Wahrheit sein.
Und dieser Weg ist schmal. Das sind seine eigenen Worte, so muß es wohl Wahrheit sein. Ja, ob er es auch nicht gesagt hätte, es würde doch Wahrheit sein. Hier hast Du ein Beispiel davon, was »predigen« im höchsten Sinne ist. Denn ob Christus auch nie gesagt hätte: »die Pforte ist eng, und der Weg ist schmal, der zum Leben führet«, – sieh ihn an, und Du siehst gleich: der Weg ist schmal. Und eine ganz anders stetige und ganz anders eindringliche Verkündigung dessen, daß der Weg schmal ist, ist ja dies, daß sein Leben jeden Tag, jede Stunde, jeden Augenblick ausdrückt: der Weg ist schmal – als wenn sein Leben es nicht ausgedrückt, und er dann einige Male verkündigt hätte: der Weg ist schmal. Du siehst hier zugleich, daß es der größtmögliche Abstand von der wahren Christentums-Verkündigung ist, wenn ein Mann, dessen Leben täglich und stündlich und in jedem Augenblick das Gegenteil davon ausdrückt, etwa eine halbe Stunde lang das Christliche predigt. Eine solche Verkündigung verwandelt das Christliche in sein gerades Gegenteil. (. . .)  Es sind nicht zwei Wege da, ein leichter, gebahnter, auf dem der Verkündiger wandelt, während er verkündet, daß »der Weg« schmal sei, nämlich der wahre Weg, der Weg, auf dem er nicht wandelt, so daß seine Verkündigung die Menschen einladet, Christo auf dem schmalen Wege nachzufolgen, während sein Leben, was natürlich eine weit größere Macht ausübt, sie einlädt, dem Verkündiger aus dem leichten, gebahnten Wege nachzufolgen. Ist das Christentum? Nein, christlich sollen Leben und Verkündigung dasselbe ausdrücken, nämlich dieses: »der Weg« ist schmal.
Und dieser Weg, welcher Christus ist, dieser schmale Weg, ist schmal in seinem Anfange.
Christus wird in Armut und Niedrigkeit geboren! fast wird man versucht, zu denken, es sei nicht ein Mensch, der da geboren wird – er wird in einem Stalle geboren, in eine Krippe gelegt, und, wunderlich genug, wird ihm doch schon als Kind von den Machthabern nachgestellt, so daß die armen Eltern mit ihm flüchten müssen. Das ist in Wahrheit sogar ein merkwürdig schmaler Weg, denn wenn man in Hoheit geboren wird, z.B. als Thronerbe, ja, dann kann es wohl geschehen, daß man den Nachstellungen der Mächtigen ausgesetzt ist; aber in einem Stalle geboren werden – das ist Armut und Dürftigkeit, die drückend genug sein kann; dann pflegt man aber sonst auch von den Nachstellungen der Mächtigen befreit zu sein.
Aber wie er bei der Geburt nicht zur Hoheit bestimmt scheint, so bleibt es auch ungefähr wie es im Anfang war: er lebt in Armut und Niedrigkeit, hat nicht, da er sein Haupt hinlege.
Dies würde wohl schon genug sein, um, menschlich geredet, von einem Wege zu sagen, daß er schmal sei. Und doch ist dies noch das Leichteste auf dem schmalen Weg.
Ganz anders schmal ist der Weg, und gleich von Anfang an. Denn sein Leben ist gleich von Anfang an eine Versuchungsgeschichte; die Versuchungsgeschichte ist nicht bloß ein einzelner Abschnitt aus seinem Leben, vierzig Tage, nein sein ganzes Leben ist, wie es auch Leidensgeschichte ist, so Versuchungsgeschichte.


Mittwoch, 18. Dezember 2019

"Der Keim kann nur sichtbar werden, wenn er, zunächst eine Weile unsichtbar, unter der Erde wächst." – Geduld in Zeiten der Vorbereitung. Weise Worte einer Gertrud Kolmar.

Für all jene, die eine neue Aufgabe suchen und noch nicht um sie wissen, oder um sie wissen, aber keine Bewegung zu ihr hin sehen: Gertrud Kolmar (1894-1943) schrieb die folgenden Worte ihrer in die Schweiz emigirierten Schwester aus ihrem ihr zwangsverordneten Judenhaus in der Speyererstraße 10 - und es sei noch angemerkt, dass sie nicht nur für Dreißigjährige gelten, denn neue Aufgaben kommen in jedem Alter auf uns zu, solange jedenfalls, solange wir bereit zu neuen Aufgaben sind (und das kann auch mit neunzig noch sein):
"Ich kann es verstehen, dass Du gleichsam nach einer neuen Aufgabe hungerst. Ich weiß auch, wie sehr die eigene Leistung erfreut; aber ich sehe heute (was ich nicht immer sah), daß die Zeit der Vorbereitung auf diese Aufgabe, diese Leistung, die noch völlig im Dunkel stecken, ebenso wichtig und wertvoll ist. Der Keim kann nur sichtbar werden, wenn er, zunächst eine Weile unsichtbar, unter der Erde wächst. Das hat mir, als ich selbst jünger war, keiner gesagt; aber vielleicht ist es gut, daß ich es Dir heute sage. Vielleicht ist für Dich jetzt die Zeit der Vorbereitung gekommen, auch wenn Du selbst kaum darum weißt. Denn wenn ich jetzt Deine Briefe lese, habe ich manchmal ein Gefühl, das ich nie hatte, wenn Du früher hier mit mir sprachst; es scheint mir, daß du eine Wanderung angetreten hast, die ich den "Weg nach innen" nennen möchte. (Gibt es nicht ein Buch von Hermann Hesse mit mit dem gleichen oder einem ähnlichen Titel?) "Bereit sein ist alles." Ich halte das Bereitsein zur Leistung für mindestens ebenso wichtig wie die Leistung selbst und die Leistung ihrerseits für viel wichtiger als den Erfolg, den sie zeitigt. Ich denke dabei nicht bloß an den Erfolg im schlechten, sondern auch an den Erfolg im guten Sinne, und es mag Dich am Ende merkwürdig berühren, wenn ich gestehe: die Tatsache, daß mein Schaffen anderen Menschen etwas gibt, macht mir, so erfreulich sie ist, doch nicht solche Freude wie das Schaffen selbst. Es geht mir mit meinen kleinen Werken wie einer Mutter mit ihrem neugeborenen Kind; natürlich freut sie sich über die Begeisterung des Vaters, der Großeltern, die Glückwünsche der Verwandten, jedoch die Hauptsache bleibt, die größte Freude ist ihr, daß sie es zur Welt gebracht hat. So sind mir meine lieben Dichtungen die beiden letzten (und besten), die, weil noch unveröffentlicht, noch gar keinen Widerhall fanden. Ich spreche hier davon, weil ich eine Bitte an Dich habe: Ich möchte Dir je eine Abschrift von diesen beiden Werken (Verszyklus und Drama) übersenden. Du sollst sie gewissermaßen ins "Depot", in Verwahrung nehmen, da ich nicht weiß, was das Schicksal mit mir selbst vorhat, wohin es mich verschlagen wird."

PS Bei den angesprochenen Werken handelt es sich mit ziemlicher Sicherheit um ihren letzten großen Gedichtzyklus Welten und evtl. um Cecile Renault, ein Schauspiel aus der Zeit der Französischen Revolution. 
Viele Gedichte und Werke von Gertrud Kolmar sind nur erhalten, weil die Dichterin sie anderen Menschen zur Aufbewahrung gab. Sie selbst wurde im Rahmen der sogenannten Fabrikaktion der Nazis wie tausende anderer Juden vom Arbeitsplatz weg verhaftet und verstarb sehr wahrscheinlich auf dem Transport im offenen Viehwagen oder wurde unmittelbar nach ihrer Ankunft in Auschwitz ermordet; ihren schicksalhaften Tod hat sie in mehreren Bemerkungen, auch in Gedichtzeilen, wiederholt vorweggenommen).


Sonntag, 15. Dezember 2019

Wie der Staat/die Groko Bürger willfährig macht: Die Strangulierung von change.org. - Bei der Wahl dürfen Bürger ihre Stimme abgeben. Wehe, sie nutzen sie anders!

Das Finanzamt Berlin begründete den Entzug der Gemeinnützigkeit für Change.org, jener Plattform, in der Bürger Öffentlichkeit für Vorgänge herstellen können, die sie im Argen sehen, damit, dass es bei den über Change.org veröffentlichten Petitionen um „überwiegend politische oder gar Einzelinteressen“ gehe.
Die Senatsverwaltung für Finanzen in Berlin (SPD!) eierte im Übrigen um eine Stellungnahme herum und verwies auf das Steuergeheimnis und das damit verbundene Verbot, sich zu Einzelfällen zu äußern.

Wenn Bürger sich zu politschen Fragen äußern, dient das offensichtlich nicht mehr dem Gemeinwohl. Was
 für ein Schwachsinn! Das Gegenteil ist der Fall. Den Leuten geht es um das gemeine Wohl, das Wohl des gemeinen, also einfachen Mannes und der gemeinen Frau.

Seine Stimme abgeben bei der Wahl, das darf der Bürger, aber wenn er sie behält und sie dazu verwendet, sie gegen Dinge, die falsch laufen, zu erheben, dann ist das Privatinteresse ???

Liebe Politiker aller Parteien! Spart Euch in Zukunft Eure salbungsvollen und fadenscheinigen Worte, wie zum Beispiel, dass ihr Euch engagierte Bürger wünscht etcetc. Und noch etwas:

Liebe Politiker, wenn man jemandem den Status der Gemeinnützigkeit aberkennen sollte, dann Euch. Ihr opfert Euch auf im Kampf für das Wohl des Bürgers. Aber für annähernd 10 000 Euro im Monat - das Smartphone und die Wohung bekommt Ihr noch dazu bezahlt und diverse Aufwandsentschädigungen - hält sich doch Euer sogenanntes Opfer sehr in Grenzen, zumal Ihr später eine Rente bekommt, die weit über dem normalen Einkommen der meisten Bundesbürger liegt (von dessen Rente ganz zu schweigen - hallo Angela M., danke fürs jahrelange Nichtstun).

PETITION PRO CHANCE.ORG UNTERSCHREIBEN: hier

Interessant ist ein Artikel von Panorama :  https://www.tagesschau.de/inland/gemeinnuetzigkeit-101.html 




wahnsinnig un-gemeinnützig . . . Beispiele für Change.org-Petitionen

Samstag, 14. Dezember 2019

"Die heiligen Gesetze werden sichtbar". - Conrad Ferdinand Meyers "Unter den Sternen"


Wer in der Sonne kämpft, ein Sohn der Erde,
Und feurig geißelt das Gespann der Pferde,
Wer brünstig ringt nach eines Zieles Ferne,
Von Staub umwölkt - wie glaubte der die Sterne?

Doch das Gespann erlahmt, die Pfade dunkeln,
Die ewgen Lichter fangen an zu funkeln,
Die heiligen Gesetze werden sichtbar.
Das Kampfgeschrei verstummt. Der Tag ist richtbar.

Conrad Ferdinand Meyers "Unter den Sternen" macht in einfachen jambischen Zeilen, schlicht paargereimt, deutlich, dass der Sonnenkämpfer, der von allen beachtete Sohn der Erde, der mutige mit Staub bedeckte Kämpfer, der die Arenen dieser Welt kennt, mit der Urgewalt der Pferde umzugehen weiß und mit Inbrunst sich weitgesteckten Zielen zuwendet, womöglich nicht jener ist, der den Sternen glaubt, in der Lage also, den Blick nach oben und innen zu wenden.

Erst wenn die äußere Kraft erlahmt, der Tag, auch der Lebenstag sich dem Ende zuneigt, wenn der Sommer dem Herbst und Winter weicht, dann wird Entscheidendes sichtbar. Dann auch zeigt sich, was der Tag angerichtet hat; der Lebenstag ist richtbar. Das Getöse weicht der Einkehr, ein Vorgang, vor dem nicht wenige eine jämmerliche Angst haben. 
Gut, wenn man rechtzeitig solche Gedichte liest, die ver-dichten, um was es geht, sie versteht - und rechtzeitig das innere Lärmen abstellt.
Möglicherweise kann man dann noch Tage auf neue, bewusste Weise ausrichten.



Freitag, 13. Dezember 2019

"... und legte an alles den Maßstab der Ewigkeit"

"... am letzten Sonntag war ich so "durchgedreht", daß ich nachmittags, nach Zimmerreinigung und Strümpfewaschen, etwas tat, was ich mir schon lange nicht mehr erlaubte: nämlich gar nichts. Ich machte es wie in Finkenkrug so oft, setzte mich aufs Sofa und knipste das Licht aus. Und sann im Dunkel ... Und legte - wozu ich im Hellen viel seltener komme- an alle Dinge, alles Geschehen den Maßstab der Ewigkeit ... und vieles von dem, was uns wichtig dünkt, uns einzig beschäftigt, unsere eigenen werten Personen mit inbegriffen, das sank zusammen ..."

Finkenkrug war das Haus, das Gertrud Kolmars Vater als Jude 1938 zwangsverkaufen musste, um dann mit seiner Tochter in ein sogenanntes Judenhaus zu ziehen. Aus diesem heraus schrieb Gertrud Kolmar Briefe - obigen am 18. November 1942 -, die mit zum Bedenkenswertesten zählen, was unsere Kultur an brieflicher Überlieferung bietet. Sie nahm auf eine Weise ihr Schicksal an, wie das nur große Seelen können; sie sah voraus, was ihr Anfang März 1943 in Auschwitz widerfahren würde.
Was ich mich frage: Wieviele Menschen verstehen heute noch, was sie mit dem Maßstab der Ewigkeit meint . . . Bleibt zu hoffen, dass es nicht wieder Leid wird sein müssen, das zum Bewusstsein dieses Maßstabes führt ... manchmal kommt es mir so vor, als ob es auch diesmal keinen anderen Weg wird geben können ...
 .
 .

Dienstag, 10. Dezember 2019

"Bis Jerusalem ist es aber noch weit!"

Etwas Vergleichbares wie heute hatte ich vor vielleicht dreißig Jahren schon einmal erlebt. Damals wohnte ich noch in Gebersheim nahe Leonberg. Es war Weihnachtsabend und da ich allein war, war ich - es dämmerte gerade - in den Wald gegangen, um die Weihnachtsstimmung dort ein wenig aufzunehmen. Auf einem kleinen Waldweg, auf dem einem ansonsten eigentlich nie jemand begegnet, kam mir ein Mann entgegen, und als er kurz vor mir war, sagte er zu meiner Überraschung auf einmal unüberhörbar laut und zu mir gewandt:

„Der Heiland ist heut geboren. Gelobt sei Gott!“

Ich war so verblüfft, dass ich - so habe ich es in Erinnerung - ihm zulachte und spontan zustimmte.


Normalerweise kann ich solche Hallelujah-Onkel und -tanten nicht unbedingt leiden, aber der Mann wollte mir ganz offensichtlich Gutes tun und war irgendwie herzlich und voller Freude, die ich nicht als geheuchelt empfand.
Schnell entschwand er meinen Blicken und ließ mich doch ziemlich verdutzt zurück.


Irgendwo im ziemlich tiefen Wald so ein Weihnachtsgruß . . .


Heute hatte ich gerade den Kurpark Richtung Anstieg zur Therme verlassen. Ich wollte in einem Laden, der in ihrer Nähe lag, einkaufen und hatte gewiss mein Äußeres nicht im Sinn, den Rucksack also und meine Nordic-Stöcke und den Drei-Tage-Bart. 

Just in diesem Moment schien mir die schon etwas tiefer stehende Drei-Uhr-Sonne voll ins Gesicht. Ich war vollkommen geblendet und sah, dass mir jemand entgegenkam, konnte aber auch nicht die Spur eines Details erkennen, als eine Stimme zu mir sagte:
 "Nach Jerusalem ist es aber noch weit!“ - Ich erkannte die Umrisse eines Mannes.
„Bis dahin ist es ein Vollbart.“

Mittlerweile hatte ich erkannt, dass da ein alter Mann mit weißem Haar seinen Rollator durch die Gegend schob und mich halb lächelrnd, halb grinsend ansah.
Ich lachte zurück und sagte:

„Ich bin auch zum inneren Jerusalem unterwegs.“
„Na dann.“ 
Und schon in meinem Rücken hörte ich ihn noch rufen:
„Dann kommen Sie gut an!“

Ich weiß nicht, ob er mein „Danke“ - Pause - „gleichfalls“ noch gehört hat.

Mir ging es wie damals vor dreißig Jahren: Ich ging zwar weiter, aber ging doch immer wieder zu dieser Situation zurück . . .

Es sind auch schon viele Jahre her, dass mir bewusst wurde, dass das sogenannte Böse manchmal ganz harmlose Menschen dazu benutzt, dass sie etwas tun, was sich dann in seiner Wirkung herausstellt als etwas, was die von ihrem Tun Betroffenen gar nicht brauchen können. Da willst Du zu einem wichtigen Termin, der entscheidend für Dein weiteres Leben ist, und ausgerechnet da muss ein Fahrradfahrer so doof und ohne Handzeichen abbiegen, dass Du ihn zwar kaum mit Deinem Auto berührst, aber die Polizei wird trotzdem verständigt und der Termin ist hinüber. Oder Du rutschst auf der Treppe aus, die doch montags sonst nie nass geputzt ist . . .


Gegenkräfte wissen genau, wie und wann sie jemanden benutzen können, um etwas zu arrangieren, was ihrem Vorhaben zupass kommt (es muss ihnen nicht gelingen, aber es gelingt dennoch oft). - Die Menschen, die in ihrem Sinn etwas bewirken, sind in diesem Moment für den Impuls, der eine Situation kippt, empfänglich. - Das geschieht im Übrigen weltgeschichtlich im großen Maßstab genauso. Immer findet sich jemand, der etwas durchführt (ja, ich denke u.a. an die dämonische Besetzung eines Adolf Hitler, die in dem Buch "Stern des Abgrunds" recht detailliert beschrieben wird - Hitler war genau der, der gebraucht wurde - sonst wäre es ein anderer gewesen).


Genauso aber ist es mit Kräften, die Gutes tun wollen. Ob das vor dreißig Jahren damals im Wald und heute der Fall war, weiß ich natürlch nicht definitiv. Aber dass da ein alter Herr auf die Idee kommt, gegenüber einem Wildfremden von Jerusalem zu sprechen, ist für mich erstaunlich. Damals wie heute bewerte ich die Situation nicht. Ich merke nur, dass etwas in mir mehr als nur oberflächlich verwundert ist.



PS  Gerade, da ich den Post abschließe, fällt mir eine dritte Situation ein, die zu diesen beiden passt und die ich an anderer Stelle beschrieben habe. Dort heißt es:

Das Zimmer ist bezogen, wir sind in einer eher kleinen Stadt Apuliens und meine Freunde und ich bummeln durch die Gassen. Wiedermal sind wir auf einer Radtour, der Tag war anstrengend und wir genießen das langsame Spazierengehen. Wir Drei betreten eine Kirche und verlieren uns in ihr, der eine geht zum Altar, der andere zu den Bildern auf der Seite, ich stehe noch etwas unentschlossen, als zwei Mönche auf mich zukommen und einer auf italienisch zu mir sagt: Der Herr ruft dich!
In mir ist plötzlich ein Meer, auf dem viele Hölzer treiben, ich mittendrin, und ich suche das Schiff, das gerade noch da war … ein Bruchteil von Sekunden, ich greife ins Leere … Wie von fern höre ich mich auf Deutsch sagen:“Ich weiß nicht, was Sie meinen“, und sehe mich demonstrativ die Schultern heben …
Ich bin fassungslos, und nach einem kurzen Innehalten drehe ich mich um und eile auf meinen Freund Thomas zu. Nicht, dass ich ihm etwas erzählt hätte, aber ich war innerlich hilflos. Noch später war die Situation für mich vollkommen unerklärlich. Der Tourist war mir auf zwei Kilometer anzusehen gewesen, mein Aussehen – unrasiert und die Hose reichlich zerknittert – sicherlich nicht gerade dieser kleinen Kathedrale würdig. Noch heute empfinde ich diese Zielsicherheit, mit der die beiden Mönche auf mich zukommen. Für sie war offensichtlich, dass ich der Richtige bin, dass sie nur mich ansprechen wollten. – „Der Herr ruft Dich.“ – Welcher Herr ruft mich? Ihr Abt? Oder meinen sie jenen Anderen?  . . .
Nicht, dass ich solche Situationen oft erlebe, nein, eher trifft zu: sehr selten. Aber der ein oder andere wird vergleichbare kennen . . .

Montag, 9. Dezember 2019

... laß sanfter in mich deine Schönheit gleiten ... - SONNET VII der Louïze Labë. Übersetzt von Rainer Maria Rilke


Man sieht vergehen die belebten Dinge,
sowie die Seele nicht mehr bleiben mag.
Du bist das Feine, ich bin das Geringe,
ich bin der Leib: wo bist du, Seele sag?

Laß mich so lang nicht in der Ohnmacht Trage
Sorge für mich und rette nicht zu spät.
Was bringst du deinen Leib in diese Lage
und machst, daß ihm sein Köstlichstes enträt?

Doch wirke so, daß dieses Sich-Begegnen
in Fühlbarkeit und neuem Augenschein
gefahrlos sei: vollziehs nicht in verwegnen

und herrischen Erschütterungen: nein,
laß sanfter in mich deine Schönheit gleiten,
die gnädig ist, um länger nicht zu streiten.


PS: Die folgende Information (aus der Encyclopaedia Britannica) verdanke ich einer lieben in der Türkei lebenden Kollegin (danke Margareta):


Samstag, 7. Dezember 2019

. . . gewendet / Wie zum Polarstern halt das Eine fest, / Sein Wort, sein heilig Wort, und – Schach dem Rest! Annette von Droste-Hülshoff zum zweiten Advent:


Wo bleibst du, Wolke, die den Menschensohn
Soll tragen?
Seh' ich das Morgenrot im Osten schon
Nicht leise ragen?
Die Dunkel steigen, Zeit rollt matt und gleich;
Ich seh' es flimmern, aber bleich, ach bleich!
Das sind keine Worte, die zum 2. Advent passen wollen. Schon in ihrem Gedicht Am ersten Sonntage im Advent fiel auf, wie wenig vorweihnachtlich die Stimmung der Droste ist.
Ihre Gedichte, die sie für diese Zeit der Ankunft des Menschensohnes schreibt, thematisieren die Not ihrer Zeit und die der Menschen.
Das ist auch in ihren Gedanken zum zweiten Advent nicht anders.
Was aber besticht, ist die Tatsache, dass diese Frau nicht, wie so viele Menschen das gerne tun, jene Not auf äußere Umstände zurückführt, auf Einflüsse also von außen. Nein, sie gibt sich diesem Ablenkunsmanöver nicht hin:

Mein eignes Sinnen ist es, was da quillt
Entzündet,
Wie aus dem Teiche grün und schlammerfüllt
Sich wohl entbindet
Ein Flämmchen und von Schilfgestöhn umwankt
Unsicher in dem grauen Dunste schwankt.
Wir kennen diese Naturtopoi aus den Gedichten der Droste, die in ihrer westfälischen Heimat ganz verwurzelt ist. Aus der Natur schöpft sie die Bilder, die auch das Leben der Menschen und ihre seelische Befindlichkeit kennzeichnen.
So muß die allerkühnste Phantasie
Ermatten;
So in der Mondesscheibe sah ich nie
Des Berges Schatten
Gewiß, ob ein Koloß die Formen zog,
Ob eine Träne mich im Auge trog.
Doch all dem, was von außen und innen sich heranwälzt, Geburten auch ihres Verstandes, setzt sie unbeirrt etwas entegegen:
So ragt und wälzt sich in der Zukunft Reich
Ein Schemen!
Mein Sinnen sonder Kraft, Gedanke bleich:
Wer will mir nehmen
Das Hoffen, was ich in des Herzens Schrein
Gehegt als meiner Armut Edelstein?

Gib dich gefangen, törichter Verstand!
Steig nieder
Und zünde an des Glaubens reinem Brand
Dein Döchtlein wieder,
Die arme Lampe, deren matter Hauch
Verdumpft, erstickt in eignen Qualmes Rauch.
Dieser Verstand ist der armen irdischen Lampe gleich. Ihr Licht jedoch entspringt einer anderen Quelle:
Du seltsam rätselhaft Geschöpf aus Ton
Mit Kräften,
Die leben, wühlen, zischen wie zum Hohn
In allen Säften,
O bade deinen wüsten Fiebertraum
Im einz'gen Quell, der ohne Schlamm und Schaum,

Wehr ab, stoß fort, was gleich dem frechen Feind
Dir sendet
Die Macht, so wetterleuchtet und verneint,
Und starr gewendet
Wie zum Polarstern halt das Eine fest,
Sein Wort, sein heilig Wort, und - Schach dem Rest!

Dann wirst du auf der Wolke deinen Herrn
Erkennen;
Dann sind Jahrtausende nicht kalt und fern,
Und zitternd nennen
Darfst du der Worte Wort, des Lebens Mark,
Wenn dem Geheimnis deine Seele stark.

Und heute schon, es steht in Gottes Hand,
Erschauen
Magst du den Heiland in der Seele Brand,
Glühndem Vertrauen:
Zerfallen mögen Erd' und Himmels Höhn,
Doch seine Worte werden nicht vergehn.