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Donnerstag, 23. April 2009

Eduard Mörikes "Er ist´s!" - Vom Harfenton des Frühlings




 

Generationen von Schülern hat Eduard Mörikes Gedicht geprägt und - sehr oft sicherlich unbewusst - bereichert.


 

Frühling lässt sein blaues Band

Wieder flattern durch die Lüfte;

Süße, wohlbekannte Düfte

streifen ahnungsvoll das Land.

Veilchen träumen schon,

Wollen balde kommen.

Horch, von fern ein leiser Harfenton!

Frühling, ja du bist's!

Dich hab ich vernommen!




Viele mussten das Gedicht des schwäbischen Theologen auswendig lernen, ohne recht zu wissen, warum ausgerechnet dieses. Doch erging es ihren Seelen wohl wie den ahnungsvoll streifenden Düften:

Sie ahnten ... Sie ahnten, dass es mit den zu lernenden Zeilen etwas Besonderes auf sich haben müsse.

Pronominal vorweggenommen: der Frühling

Dieses Gedicht ist das träumende Veilchen unter allen Gedichten, so versonnen blau wie das Band, von dem es erzählt.
Auffallend ist schon sein Beginn:
Unmittelbarer kann man nicht zur Sache kommen. Mit dem ersten Wort des Gedichtes sind wir schon mittendrin: Frühling ...
So unmittelbar wie dieser Beginn ist, so geschickt ist der Kunstgriff, dessen sich Mörike mit Hilfe der Überschrift bedient: pronominal nimmt er vorweg, um was und wen es geht: Er ist´s!
Noch verrät er damit nichts; das Personalpronomen Er deutet nur an, bereitet vor; dann, mit dem ersten Wort ist, wie bereits erwähnt, alles klar!


Mit welcher Selbstverständlichkeit ist der Frühling da!
Und mit welcher Selbstverständlichkeit spricht Mörike im ersten Vers von jenem blauen Band ... es ist die Selbstverständlichkeit seiner tiefen Religiosität.

Blaues Band und Goldener Wind

Da mag fast jeder überzeugt sein, dass es dieses wirklich gibt, so wie es die blaue Blume des Novalis in Wirklichkeit gibt.

In der Bibel kommt die Farbe Blau übrigens nicht ein einziges Mal vor; auch kannten die Griechen Blau als Farbe des Meeres nicht: aber blau ist der Sternenmantel Marias, tiefes Blau ist die Farbe tiefster Religiosität. Damit hat das blaue Band sehr viel zu tun!

Unser Denken, unsere Ein- und Vorstellungen sind von der Kraft dieser Symbolik meist weit entfernt, leider zunehmend mehr.

Dieses blaue Band ist im Übrigen die Schwester des Goldenen Windes, wie der Westen die Schwester des Ostens ist. Für fernöstliches Denken ist das Vorhandensein dieses Goldenen Windes selbstverständlich; das 27. Koan des Hekiganroku, der Aufzeichnungen des Meisters vom blauen Fels, spricht davon.

Goldener Wind, KIN-PU, ist im Chinesischen der Ausdruck für den Herbst; dort verkörpert er reines Wissen.

Mehr darüber findet sich im Buch des früheren Top-Managers E. Meyer-Galow mit dem Titel Leben im Goldenen Wind, dem ich durchaus kritisch gegenüberstehe, zwei Aspekte aber sehr bemerkenswert finde; einer davon betrifft die Ausführungen über den Goldenen Wind.

Das Wahre, das Göttliche lässt sich nicht direkt erkennen

Die Großen unserer Kultur wussten um die Kraft dieser Symbole, der Symbolkraft der Farben, der Symbolik der Jahreszeiten. In seinem Versuch einer Witterungslehre schreibt Goethe:

Das Wahre, mit dem Göttlichen identisch, lässt sich von uns niemals direkt erkennen, wir schauen es nur im Abglanz, im Beispiel, Symbol, in einzelnen und verwandten Erscheinungen.

Auch C.G. Jung wusste:

Wenn die Seele das Symbol erforscht, wird sie zu Vorstellungen geführt, die jenseits des Zugriffs des Verstandes liegen.

Auf diesem Hintergrund ist es ein Segen, dass die Seelen so vieler Kinder und Jugendlicher der Symbolik des blauen Bandes zugeführt wurden; für ihre Seele war die Kraft der Symbolik des blauen Bandes Nahrung, um die unser Verstand nicht weiß.

Nur wenn die Sinne lebendig sind, kann Leben sinn-voll sein

Die 37 Worte von Mörikes Gedicht sind ein wunderbares Kraftwerk der Symbolik. Schon der Beginn ist ein Meisterwerk im Kleinen:

Frühling lässt sein blaues Band ...

Ein Frühling müht sich nicht . . . er lässt flattern . . .

Der Dichter des Maler Nolten ist ein Meister formaler Mittel; so wirkt die B-Alliteration in blaues Band intensivierend ins Unbewusste hinein, genauso wie dies, der Natur eines Enjambements entsprechend, der Zeilensprung von Zeile 1 nach Zeile 2 leistet und damit das Tun des Frühlings so wirkungsvoll unterstützt; ein weiterer unterstützt kurz darauf die Düfte in ihrem Streifen über Land.

Es gibt kaum einen Text, der in so wenigen Zeilen so wesenhaft ist: Alles lebt hier, sieht hier, hört und riecht und fühlt, eine Synästhesie der Sinne; alles ist beteiligt, bewegt sich und wird bewegt.

Lebendige Sinne geben unserem Leben Sinn, machen es sinn(en)voll.

Es gibt nicht nur die Luft, es sind die Lüfte, die dem blauen Band Heimat sind; es gibt nicht nur einen einzelnen Duft, es sind Düfte, die über Felder und Auen streifen.

Und wie sanft alles geschieht, schon allein, damit die Veilchen ihr Werden im stillen Blau weiterträumen können. Da sind die ü-Laute in Lüfte und süße und Düfte und Frühling, die in uns anklingen; da sind die ei-Laute in Streifen, in Veilchen, in leise; da sind die o-Laute in wohl, in Wollen, in kommen, in Horch und im Ton . . . alles klingt und ist Traum und Wirklichkeit zugleich, alles ein Fest der Sinne.

Und nicht nur dem Frühling wendet sich das lyrische Ich zu, sondern auch dem Leser: Horch doch!

Welch ein Wandel von dem scheinbaren Unbeteiligtsein des Beginns hin zu der Ansprache an Frühling und Leser, vom Er ist´s zum Du bist´s!

Welche Wertschätzung wird hier gerade auch dem Frühling zuteil!
Kein Wunder, dass er so gern uns seine Fülle gibt, weil es Menschen gibt, die sein Wesen so innig erfassen …
Tatsächlich, am besten, man kann das Gedicht auswendig, um es mit ganzem Herzen dem Frühling zu widmen …

Als App wird es dieses Gedicht kaum geben.

Der Segen jedoch bleibt, dass so viele Kinder und Jugendliche es auswendig lernen durften.


 
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Montag, 20. April 2009

Omraam Mikhael Aivanhov über die Notwendigkeit, sich selbst zu wandeln


Wie viele Leute stellen sich vor, sie könnten ihre Probleme lösen, indem sie die äußeren Bedingungen ihres Daseins verändern! In Wahrheit sind sie wie jene kleinen Vögel, die sich bei ihrer Mutter beklagen:

»Mutter, wir wollen nicht länger in diesem schmutzigen Nest bleiben, gehen wir doch in ein anderes bequemeres Nest, wo es all diesen Dreck nicht mehr gibt!« - »Gut«, antwortet die Vogelmutter, »ich verstehe euren Ekel, wir können das Nest wechseln. Aber werdet ihr nicht eure kleinen Hinterteile mitnehmen? Also wird das neue Nest schnell genauso schmutzig wie das erste, denn ihr verschmutzt es selbst.«

Genauso ist es mit den Menschen. Wenn die Welt ihnen unbewohnbar erscheint, träumen sie vom Paradies. Aber wenn man sie dort hineinlassen würde mit einem Herzen und einem Intellekt so voller Unreinheiten, würde das Paradies bald ein abstoßender Ort werden.
Zuallererst sind sie es also, die sich ändern müssen,
denn wenn sie rein sind, wird überall wo sie hingehen, ihr Zuhause auch rein bleiben.Statt danach zu suchen, die äußeren Bedingungen zu ändern, muss man sich selbst wandeln.
aus Gedanken für den Tag. Ausgabe 2000.
(aus Wikipedia:) Nach einer entbehrungsreichen Kindheit begegnete Aivanhov (1900-1986) mit 17 Jahren Meister Peter Deunov, dem Gründer der Universellen Weißen Bruderschaft. 1937 erhielt er von diesem den Auftrag, seine Lehre nach Frankreich zu bringen und sie im Westen zu verbreiten. Im Laufe von 49 Jahren bis zu seinem Tode hat Aïvanhov die Lehre der Universellen Weißen Bruderschaft weiterentwickelt und fast 5000 Vorträge gehalten. Er hat hauptsächlich in Frankreich gelehrt, im Rahmen seiner zahlreichen Reisen aber auch in Ländern wie der Schweiz, Kanada, den USA und Skandinavien Vorträge gehalten. Seine Werke (42 Taschenbücher sowie 32 Gesamtwerke) beruhen auf den Vorträgen, die stenographiert bzw. auf Tonband oder Video aufgezeichnet wurden. Sie werden vom Prosveta Verlag (Sofia) herausgegeben.

Freitag, 10. April 2009

An Ostern schlägt spürbar das große warme Herz Gottes. - Die Osterblumen und das Erwachen der Christusliebe.


Wer Ostern kennt, kann nicht verzweifeln.
Dietrich Bonhoeffer

Geistige Wahrheiten, wie alle Wahrheiten, müssen sowohl für das Herz als auch für den Verstand annehmbar sein. Es gibt Leute, die sind der Ansicht, Liebe sei eine reine Gefühlsangelegenheit, und die Stimme der Liebe sei unvereinbar mit dem Verstand. Doch Liebe in ihrem göttlichen Aspekt kann Herz und Verstand zufriedenstellen. Ist diese Liebe in einem Menschen voll entfaltet, dann kann sie ihn aus der Tiefe zur Höhe erheben, wobei er dann einen Überblick bekommt, wie es nur von einer Bergspitze aus möglich ist.
Glaubt nicht, Ostern sei ausschließlich ein christliches Fest. Dieses Fest ist uralt, und das Ostergeschehen, das in der christlichen Lehre verankert ist, veranschaulicht einmal mehr das Mysterium des Christus, des Sohnes, der Sonne.
Obwohl ihr die Sonne als Quelle von Wärme und Licht betrachtet, ohne welche kein Leben auf Erden möglich wäre, ist es für die heutige Menschheit nicht leicht, den kosmischen Christus mit der Sonne am Himmel in Zusammenhang zu bringen.

Zur Osterzeit, wenn die Sonne vermehrt auf die nördliche Hemisphäre strahlt, beginnt sich neues Leben zu regen. Die meisten Frühlingsblumen tragen die Farbe der Sonne. Wärmt dieses sonnige Gelb nicht euer Herz und stimuliert euren Intellekt? Euer Herz jauchzt, wenn ihr seht, wie die kleinen gelben Blumen ihre Köpfchen aus der Dunkelheit des Erdreiches erheben und sich der Sonne zuwenden. Die gesamte Natur regt sich und blüht empor, dem Schöpfer zur Ehre.
Jedermann wird zugeben, dass diesem Erwachen und Erblühen des Lebens ein Naturgesetz zugrunde liegt. Doch da gibt es mehr, da wirkt eine göttliche Intelligenz. Ja, mehr noch, da schlägt ein großes, warmes Herz! Habt ihr je an die Wärme im Herzen Gottes, im Herzen eures Schöpfers gedacht?

Wie könnt ihr als Einzelwesen die kosmischen Christuskräfte in eurem eigenen Leben verwirklichen? Zum Beispiel indem ihr in Christus nicht mehr das fremde Wesen erblickt, das ihr eines Tages zu Gesicht bekommen werdet, wenn ihr brav genug gewesen seid, nachdem ihr die Erde und die sie unmittelbar umgebenden Ebenen verlassen habt, sondern wenn ihr - so ihr es wollt - Christus als immer gegenwärtige Kraft und Intelligenz, als Freund, als euren Bruder hier und jetzt erkennt. [...]
Es ist sehr wichtig für euch zu begreifen, dass dieses herrliche, lichtvolle Wesen in Menschengestalt zu euch kommen kann und großes Verständnis hat für eure menschlichen und persönlichen Probleme, für eure Ängste und Nöte, für eure Einsamkeit und eure Trauer.
Der Mensch von heute ist intellektuell stark entwickelt. Doch da es ihm an Weisheit mangelt, besitzt er weder Demut noch Einfachheit des Herzens, um die Schönheit und die Herrlichkeit der Liebe seines Schöpfers zu begreifen.
Wenn du eines Tages denkst, du hättest eine Vision von Christus oder vom Meister Jesus gehabt, dann ist das keine pure Einbildung. Jesus war nicht von der Erdenmenschheit isoliert. Er hatte gelernt, sein Leben in wahrer, vollkommener Liebe zu führen und war sich seiner Einheit mit Gott, seinem Schöpfer, voll bewusst. Die Seele Jesu wurde für ihre große Mission gut vorbereitet. Jesus wurde zur Erde gesandt, damit Christus, der Gottessohn, durch ihn der Menschheit die Wahrheit über die Erlösung bringen konnte, und damit sie die Macht des Gottessohnes im Menschen erkennen sollte.

Erlösung ist das richtige Wort, mit dem man die Mission Christi benennen kann, denn ist einmal im Menschen der Christusgeist lebendig geworden, dann ist er buchstäblich von seinen Sünden erlöst. Dann lebt er im Licht und trägt das Licht in die Welt. Dann kann die Welt ihm nichts mehr anhaben. Das ist wahre Erlösung - nicht Erlösung durch den Glauben an eine ganz be­stimmte Person, sondern Erlösung durch die Christusliebe im eigenen Herzen. Diese verbietet ihm, gegen seinen Bruder Krieg zu führen oder seinen Bruder so zu behandeln, als wäre er geringer als er selber. Viel­mehr wird sie ihn zu freundlichen Worten und Taten inspirieren, wird ihn anspornen, in seinem täglichen Leben für Gott und mit Gott zu wirken und im Bewusstsein des Lichtes, das über ihm, um ihn und in ihm ist, zu leben. Das ist 'Erlösung durch Christus'.

aus White Eagle, Geistige Jahreszeiten, Grafing 1997

Samstag, 4. April 2009

Wahre Religion ist die Vereinigung liebender Herzen. – Die Blaue Blume als ihr Symbol.


Es gibt Bilder und Symbole, die in der Seele jedes Menschen – wenn auch z. T. unbewusst - verankert sind. Das Kreuz gehört dazu, der Gral, der Stein der Weisen, das goldene Kalb – viele sind es nicht, doch sie berühren die Menschen im Inneren, mahnend, fordernd, tröstend.

Phänomenal ist, wie sie bisweilen im Bewusstsein der Menschen an die Oberfläche kamen. Urplötzlich z. B. taucht fast zeitgleich der Gral Ende des Mittelalters in einem deutschen und zwei französischen Werken auf und fasziniert von da an die Menschen.
 

Auf einmal ist sie da, die Blaue Blume, aufgetaucht in der Seele von Novalis und geoffenbart in seinem Roman Heinrich von Ofterdingen.

Wir erfahren, dass wir sie im Inneren eines Berges finden und dass wir den Zugang zu diesem überraschend finden. Dass, wenn wir hineingehen, wir in eine besondere Welt eintauchen, eine Welt des Wunderbaren, eine Welt tiefer Sinnhaftigkeit.




Wir wissen um die Bedeutung des Berginneren aus Ali Baba und die 40 Räuber oder aus dem Grimm-Märchen Simeliberg. Wer sich unzulässig den Zugang ergaunert, den kostet es das Leben. Wem der Zugang zuteil wird, der findet reichste Schätze – es sind die Schätze des eigenen Inneren.
Nur im Berginneren, in unserem Inneren also, finden wir die Blaue Blume. Sie zeigt uns in ihrem Blütenkelch ein Gesicht. Es ist der verloren geglaubte Teil von uns. In Wahrheit war er immer da.
 

So wie es, seit es das Universum gibt, auch Radiowellen gibt, von denen die Menschen früher nichts wussten, so gibt es den verlorenen Teil. So wie wir Menschen erst einen Empfänger basteln mussten, um Radiowellen empfangen zu können, so müssen wir Menschen den Empfänger entstauben und wieder in Betrieb nehmen, der uns mit jenem Teil verbindet, der immer sendete, den wir jedoch so lange nicht empfangen konnten.
 

Auf köstliche Weise nimmt Hermann Hesse gegen Ende seines Steppenwolfs auf dieses Phänomen Bezug. 

Wir leben in einer Zeit, in der dieses Bewusstsein zunimmt, dass wir auf Empfang gehen können und dass sich unsere Sinne schärfen, so dass wir besser hören.
Deshalb mag es sein, dass die Blaue Blume zum Symbol des 21. Jahrhunderts wird.
 

Wer von Religion spricht, so lässt uns Novalis wissen, spricht von der ewigen Verbindung zweier Wesen, die sich in Wahrheit nie verloren haben und doch finden müssen. Es ist die Vereinigung von Liebenden, die jeden von uns betrifft, dafür stehen Adam und Eva, Siegfried und Brünhilde, Tristan und Isolde, Romeo und Julia, Heinrich und Mathilde, genauso aber auch Gott und Mensch, Himmel und Erde.
 

Diesen Raum, in dem das geschehen kann, nennen wir Religion, es ist die überkonfessionelle Kathedrale der Welt, der Tempel, den Jesus reinigt, zugleich unser innerer Kosmos.
 

Wenn er uns heilig ist.
 

Wenn er uns heilig ist, finden wir auch diese Blaue Blume.

Mittwoch, 1. April 2009

Mit den Sinnen Gott erfahren! - So nah ist uns Gott täglich!

Schaurig, welche seelischen Viren selbst weit über Deutschlands Grenzen hinaus anerkannte Philosophen, wie Karl Jaspers einer war, verbreiten können. Dieser Mann, der sich in seiner Philosophie so klar zu Gott und dem Glauben bekannte, schreibt:


Gott ist kein Gegenstand des Wissens, er ist nicht zwingend erschließbar.
Gott ist auch kein Gegenstand sinnlicher Erfahrung.
Er ist unsichtbar, kann nicht geschaut, sondern nur geglaubt werden.


Gott kein Gegenstand sinnlicher Erfahrung? 
Um´s Himmels willen, möchte man verzweifeln - wo und wie denn sonst, wenn nicht gerade mit den Sinnen, erfahre ich Gott?!

Was soll denn göttlicher sein, wenn nicht der Duft einer Rose oder ihr Anblick? 
Wenn ich im Sommer durch Frankreich fahre, sehe ich felderweit gelbe Meere von Sonnenblumen - eine herrliche Pracht! Die Augen möchten trinken und trinken ...

Wenn ein Mann eine Frau mit Liebe bekocht und das Essen schmeckt göttlich - was soll denn göttlich sein, wenn nicht dieses Essen?


Was glauben denn Philosophen oder sinnenleere Christen, was im Himmel auf einmal göttlich ist?


Was bitte soll im Himmel herrlicher sein als der Duft einer Rose?


Eine Rose - das ist der Himmel auf Erden.
Wer das hier nicht erkennt, wie will der im Himmel den Himmel erkennen?

Mit was erschließt sich wohl der tiefste Sinn des Göttlichen, wenn nicht auch und gerade über die Sinne?

Was ist göttlich, wenn nicht der Liebesakt zweier sich mit allen Sinnen liebenden Menschen?

Friedrich Hebbel hat in Das Heiligste wunderbar darüber geschrieben.
Da ist Gott nahe! In seinem Element, der Liebe, lieben sie! Auch das ist der Himmel auf Erden!
Ist nicht gerade auch der Körper des Menschen, einst von Gott in Liebe geschaffen, eine göttliche Schöpfung? Wird nicht gerade auch der physischen Schöpfung des Menschen in der Bibel ganz besonderes Augenmerk geschenkt?

Dass in den Kirchen dieses göttliche Geschenk des Liebesaktes ignoriert wird, ist ein trauriges Kapitel der Weltferne unserer Religiosität, die dazu geführt hat, dass das gesamte Feld der Sexualität nun Menschen überlassen worden ist, die Liebe auf übelste Weise entweihen.

Die kirchlichen Würdenträger - zumindest der katholischen Kirche - können dazu ja nichts wirklich Erhellendes sagen, sie haben ja freiwillig aufgegeben, Ahnung davon haben zu dürfen ...
Als ob Gott - nachzulesen im 1. Buch Mose - den Körper als Kleiderständer geschaffen hätte ...
Er darf durchaus mehr tun, als eine Soutane zu tragen und ich vermute, viele klösterliche Gedanken gehen in diese Richtung.

Es liegt nicht an Gott, sondern an den Sinnen der Menschen, dass sie das Göttliche nicht erkennen. Wer will die Anwesenheit Gottes erkennen, wenn seine Sinne taub sind?
Wer sinnen-los durch die Natur geht, wird den Himmel nicht sinn-voll erleben!
Da kann er das Vater Unser tausendmal beten ...

Mit den Ohren nehmen wir ohne den Filter des Verstandes Göttliches auf, wenn wir wunderbare Musik hören.
Mit dem Gaumen nehmen wir Gott wahr, wenn wir ein herrliches Mahl zu uns nehmen.
Wenn wir den Körper eines Menschen, den wir lieben, tasten und ertasten - was ist schöner?

Mit den Augen nehmen wir den tiefsten Sinn wahr, wenn wir ein Schneeglöckchen sehen oder den Sternenhimmel.

Himmlische Düfte gibt es in Hülle und Fülle ...
Was ist uns Menschen da - die Aussage von Karl Jaspers macht es deutlich - verloren gegangen ... Gott selbst ... das Göttliche ...
Dabei ist es uns so nahe!

In der sinnlichen Erfahrung ist Gott da! Gewiss nicht in jeder, aber vielleicht öfter, als wir denken.

Darf Sinn durch Sinne nicht sein, weil das so natürlich ist?
So einfach, so einfältig?
Ein Ton klingt in uns.
Ein Duft zieht tief in uns hinein.

Das Königreich der Himmel ist in euch, heißt es in der Bibel.

Wohl wahr.
Auf vielerlei Weise ist es in uns. Nehmen wir es doch endlich wahr!


Mit den Sinnen ist es innen.