Seiten

Mittwoch, 12. August 2015

Gott reift!

Für mich ist es eine wirklich schwierige Frage, ob Gott immer der ist, der er seit Ewigkeiten war, oder ob er sich verändert, wo ich ihn mir doch nicht einmal vorstellen kann und im Grunde keine Ahnung habe, wer er ist, nur glaube, dankbar zu sein dafür, dass ich überzeugt bin, dass es ihn gibt.
Wenn er sich verändert, wo verändert er sich dann hin?
Vielen - mittlerweile sind es bei der scheinbar zunehmenden Säkularisierung unserer Erde vielleicht nur noch manche Menschen - gibt ja auch der Glaube in die Unveränderlichkeit Gottes, in die Unveränderlichkeit der Liebe Gottes Vertrauen in das Leben, in das Sein.

Möglicherweise allerdings habe ich eine falsche Vorstellung von Vollkommenheit.
Vielleicht bedeutet Vollkommenheit gerade: Veränderbarkeit. Reife.
Ewige Reifung. Vertrauen in den Kosmos. Die ewige Ordnung.

Wie sehr ist doch Dante Alighieris Göttliche Komödie noch geprägt von dem Vertrauen in diese ewige Ordnung. So ein Buch fehlt unserem Inneren.

Auch wenn Dante noch Ptolemäer war und seine Erde und er der Mittelpunkt des Alls:
In Wirklichkeit sind wir - und vielleicht werden wir es auch immer sein - Ptolemäer und fühlen uns und unsere Erde als Mittelpunkt und lassen die Sonne auf- und untergehen.

Rainer Maria Rilke jedenfalls hat sich, was obige Frage betrifft, entschieden, zu erkennen in einem Gedicht, 1899 in Berlin geschrieben und erschienen in seinem Buch vom mönchischen Leben:

Daraus, dass einer dich einmal gewollt hat,
weiß ich, dass wir dich wollen dürfen.
Wenn wir auch alle Tiefen verwürfen:
wenn ein Gebirge Gold hat
und keiner mehr es ergraben mag,
trägt es einmal der Fluss zutag,
der in die Stille der Steine greift,
der vollen. 
Auch wenn wir nicht wollen:
Gott reift.

Das Reifen und Sinnen Gottes ist für Rilke womöglich nie vorbei:

Dein allererstes Wort war: Licht:
da ward die Zeit. Dann schwiegst du lange.
Dein zweites Wort ward Mensch und bange
(wir dunkeln noch in seinem Klange)
und wieder sinnt dein Angesicht. 

Wobei Rilke eines weiß und in einer Frage formuliert:

Ich geh doch immer auf dich zu
mit meinem ganzen Gehn;
denn wer bin ich und wer bist du,
wenn wir uns nicht verstehn?

Gott ist, was wir in uns verstehen.
So ist er für manche, für viele nichts, und Glauben ist ein zunehmendes Sich-Verstehen und es gilt für unsere Zeit - und unsere Kinder:

Manchmal steht einer auf beim Abendbrot
und geht hinaus und geht und geht und geht, -
weil eine Kirche so im Osten steht.
 
Und seine Kinder segnen ihn wie tot. 
Und einer, welcher stirbt in seinem Haus,
bleibt drinnen wohnen, bleibt in Tisch und Glas,
so dass die Kinder in die Welt hinaus
zu jener Kirche gehn, die er vergaß. 

Keine Kommentare: