Gesang Weylas
Du bist Orplid, mein Land!
Das ferne leuchtet;
Vom Meere dampfet dein besonnter Strand
Den Nebel, so der Götter Wange feuchtet.
Uralte Wasser steigen
Verjüngt um deine Hüften, Kind!
Vor deiner Gottheit beugen
Sich Könige, die deine Wärter sind.
In Eduard Mörikes Novelle Maler Nolten ist jenes Zwischenspiel um den letzten König von Orplid integriert, in dessen Zusammenhang wir den Gesang Weylas finden, der göttlichen Beschützerin von Orplid, jener Stadt und gleichnamigen Insel, die im Stillen Ozean gelegen sein soll zwischen Neuseeland und Südamerika, wie Mörike schreibt.
"Orplid", so heißt es im Maler Nolten, "einst der Augapfel der Himmlischen, musste endlich ihrem Zorne erliegen, als die alte Einfalt nach und nach einer verderblichen Verfeinerung der Denkweise und der Sitten zu weichen begann. Ein schreckliches Ereignis raffte die lebende Menschheit dahin, selbst ihre Wohnungen sanken (...)."
Gewiss ist Orplid eine Reminiszenz in Mörikes Seele an Atlantis, jenen sagenhaften Kontinent, von dem die Hopi-Indianer berichten, Platon und viele andere; vielleicht auch an Vineta, jene sagenhafte Stadt an der südlichen Ostseeküste, die einst dahingerafft worden sein soll in einer großen Sturmflut.
Mörike wusste von allem sicherlich.
Sicher ist auch, dass es in jedes Menschen Seele jene Seelenlandschaft gibt, jenen Sehnsuchtsort, der sich auf eine vergangene und scheinbar so selige Zeit bezieht.
Im Maler Nolten wird die Insel wieder entdeckt und neu besiedelt.
Wir dürfen für die Zukunft gespannt sein, welche Rolle Sehnsuchtsorte wie Atlantis und Orplid im Leben der Menschen wieder spielen werden.
Für manchen hat die Zukunft schon begonnen.
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