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Sonntag, 21. September 2008

Fortsetzung (I): Die Haltlosigkeit der Erwachsenen bedingt die Desorientierung der Jugendlichen

Diese Initiation war auch ein klares Signal an Vater und Mutter, dass es, was den Vater und die Tochter betrifft, zu einer Ablösung kommt, das Gleiche galt für Mutter und Sohn. Jeder in früheren Stammeskulturen wusste, dass das so ist, und die Väter und Mütter verhielten sich entsprechend; sie unterlagen hier auch einer sozialen Kontrolle. Heute ist das nicht mehr so, heute haben wir immer mehr Muttersöhnchen und Vatertöchter, und das liegt an der fehlenden Initiation, an der Tatsache, dass immer weniger Mütter ihre Söhne wirklich loslassen und immer weniger Väter ihre Töchter loslassen. Es gibt diesen äußeren Einschnitt nicht mehr, der einen inneren markiert; damit gibt es auch kein Signal für Vater und Mutter: Nun habt ihr euch zurückzunehmen; nun akzeptiert, dass eure Kinder selbständig werden; nun nehmt sie ernst; sie haben eine Stimme am Tisch. Zum Teil liegt das Dilemma daran, dass Kinder heute viel zu früh in eine kopfgesteuerte Reife getrieben werden, die ihrem Sein nicht entspricht oder alleine erzogen werden und die Rolle von Ersatzmännern oder Ersatzfrauen übernehmen. Das soll kein Vorwurf an Alleinerziehende sein; in der Regel trennt sich niemand gern und einfach so. Doch entsteht hier eine besondere Aufgabe im Hinblick auf die Kinder, deren sich viele nicht bewusst sind: Ein Junge braucht eine männliche Bezugsperson und dieser Bezug muss intensiv sein. Ein Mädchen braucht eine intensive weibliche Bezugsperson und der Bezug muss intensiv sein. Denn von einem Mann lernt der Junge seinen Umgang mit dem Weiblichen und von einer Frau lernt das Mädchen den Umgang mit dem Männlichen. Die Überintellektualisierung unserer Kinder im Rahmen der schulischen Erziehung lässt sie nicht mehr wahrnehmen können, was ihre Seele braucht. In jeder Phase des Lebens braucht das Herz etwas anderes als der Kopf. Seit ich jedoch die Bildungspolitik verfolge, wurden Lehrpläne offensichtlich von Menschen gemacht, die gegenüber ihren eigenen Gefühlen gefühllos sind, getreu dem Motto: kopflos darfst Du nicht sein, herzlos schon. Und da Letzteres in unserer Gesellschaft nicht auffällt zumal wir nun sogar Herzen implantieren können, wird das Ganze erst zum Problem, wenn die Jugendlichen anfangen, die Erwachsenen zu bedrohen … wo sie doch für deren Rente sorgen sollen. Die Seele jedes Mädchens und jedes Jungen ruft nach dieser Initiation, es sei denn, die Sprache der Gefühle wurde systematisch ruiniert. Der innere Ruf nach Initiation ist etwas Archetypisches im Menschen, das heißt, es ist in der Seele jedes Menschen verankert. Wenn dieses Archetypische nicht stattfindet, nimmt die Seele fast automatisch Ersatzhandlungen vor. Eine Ersatzhandlung ist das so genannte Komasaufen Jugendlicher. Sie saufen sich die Hucke voll und die Birne zu, um sich zu beweisen, wie toll und wie männlich sie sind. Aber was früher ein bewusster initiatorischer Akt war und Bewusstsein förderte, endet heute im Suff, in Bewusstseinsnebel. Daran wird die ganze Tragik sichtbar. Die Erwachsenen machen sich scheinheilig Sorgen und verstehen nicht, was mit ihren Kindern los ist … deren Seele aber schreit … Früher wurden die Jungen aufgenommen und durften zum ersten Mal bewusst die Pfeife im Kreis der Männer rauchen. Heute stehen sie irgendwo klammheimlich an der Ecke und rauchen ihre erste Zigarette oder ihren ersten Joint … statt zum Mann zu werden, machen sie sich höchstens die Hosen voll … auch eine Art Initiation …

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