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Samstag, 16. Januar 2010

Miteinander wachsen!

Es hat kaum eine unseligere Diskussion gegeben als die über Betreuungsgeld und Krippenplätze.

Solch eine verrückte Diskussion geht beispielsweise einher damit, ob unsere Kinder nicht doch hochschulstudierte Kinderbetreuerinnen und Kinderbetreuer in den Leistungsbereitschaftslerngärten (ehemals Kindergärten) brauchen.

Als ob jemals Akademiker aufgrund ihres Studiums, selbst wenn es das der Pädagogik ist, zwangsläufig dadurch bessere Erzieher wären.

Die arme unstudierte Amsel, die ihr Nest baut und ihre Jungen großzieht ... nicht mal in der Schule war sie, geschweige denn hat sie studiert ... gut, dass es keinen Vogelstaat gibt, der ihr das Sorgerecht entzieht.

Wenn Kontrolle Vertrauen in die Flucht schlägt

Es gibt in der Tat eine Entwicklung, die einem Sorge bereiten kann, und das ist die Tatsache, dass der Staat meint, immer regulierender, kontrollierender in das gesellschaftliche Geschehen eingreifen zu müssen. Das hängt mit vielfältigen gesellschaftlichen Erfahrungen zusammen, z.B., dass manche Jugendämter zu spät auf Fälle reagiert haben, in denen Kinder in Familien misshandelt wurden. In solchen Fällen geht ein Schrei des Entsetzens durch die Gesellschaft: Wie konnte nur der „Sach“-Bearbeiter, die Tante vom Jugendamt also, das übersehen?

Meine Güte, jeder solcher Fälle ist entsetzlich, aber er ist eben auch menschlich und die Belastung der Mitarbeiter der Jugendämter ist riesig, gerade unter seelischen Gesichtspunkten. Die Menschen, die dort arbeiten, haben es nur mit schwierigsten Fällen zu tun. Mit Sicherheit arbeiten manche dort auch in ihrem seelischen Grenzbereich. Vielleicht sehen sie aber auch manche Nöte nicht; und das hängt immer zusammen mit einer eigenen inneren Not.

Daraus aber ein Kontrollsystem der Erziehung perfektionieren zu wollen, entspricht im Moment der gelebten Realität unserer noch angeblichen Demokratie.

Heraus kommt, dass niemand mehr einen Fehler machen möchte und die Angst vor Fehlentwicklungen unser Denken und Tun bestimmt. Die Folge ist, dass keine Zeit und Energie mehr besteht, Ziele bestimmen zu wollen und Potentiale zu leben!

Möglichkeiten ermöglichen

Die Aufgabe des Staates ist es, einen Raum für Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen und Auswüchse einzudämmen.

In diesem Bereich ist vieles möglich:

dass jemand seine Kinder zu Hause erzieht und das gern und gut tut;

dass jemand sein Kind mit drei in eine Krippe gibt und das mit gutem Gewissen tut.

Hören wir doch auf, die beiden Möglichkeiten gegeneinander auszuspielen!

Das ist doch von jenen Menschen eine gewollte Diskussion, die in alles Zweifel säen und Misstrauen und denen es in Wirklichkeit um Macht geht. Das scheint das neue Fundament unserer Gesellschaft werden zu sollen.

Eine ganz und gar faschistoide Tendenz.

Es ist eine so unselige Debatte, dass Eltern, die ihre Kinder in Krippen geben, Rabeneltern sind und Geld kassieren wollen.

Es ist unsäglich zu behaupten, Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen, können nicht loslassen und wollen ihre Kinder möglichst ein Leben lang beglucken.

Natürlich sind in beiden Wahlbereichen Fehlentwicklungen möglich. Natürlich ist es wichtig, dass wir als Gesellschaft uns austauschen über Möglichkeiten und Gefahren. Aber was im Moment geschieht, ist fern jedes Miteinander und es hängt mit der momentanen Form unserer Demokratie zusammen, dass in den Parteien und Fraktionen Menschen nicht parteiübergreifend reden, sondern den Anderen und inhaltliche Positionen parteiübergreifend diskriminieren. Auf dem politischen Feld findet in vielen Bereichen schon lange keine sinnvolle Diskussion mehr statt, sondern man haut sich Worthülsen um die Ohren, und wenn Politiker im Fernsehen miteinander diskutieren, dann geht es eher darum, wie sich jemand inszeniert und wie geschickt er argumentiert als darum, was er z.B. zum Wohle der Kinder sagt.

Das ist in der Afghanistan-Diskussion genauso wie in der Wirtschaftspolitik.

Gemeinsam Ziele finden

Welches Ziel verfolgen wir als Bürger, als Deutsche, als Menschen?

Nur wenn wir dieses Ziel definieren, erst dann ist es möglich, darüber zu sprechen, ob ein Einsatz in Afghanistan sinnvoll ist oder nicht.

Im Moment scheint das Kriterium zu sein, welcher Partei ich angehöre und ob ich evangelisch, katholisch oder ohne Bekenntnis bin.

Diese eben angesprochenen Ziele fehlen unserer Gesellschaft und es gibt keine Politiker mehr, die solche Ziele benennen können. Solche Menschen in verantwortlichen Positionen wie Richard von Weizsäcker oder Erhard Eppler - sie fehlen unserem Staat.

Stehen Kinder noch im Mittelpunkt der Diskussion um Betreuungsgeld und Krippenplätze?

NEIN!

Welche Ziele verfolgen wir mit dem Erziehen unserer Kinder?

So platt es klingt: Das Ziel ist der Weg.

Voneinander lernen - miteinander wachsen

Dieser Weg ist ein Weg der Erfahrung. Auf diesem Weg, wenn es gut geht, wachsen alle miteinander, die Kinder körperlich und seelisch, die Eltern seelisch - deshalb sind sie Er-Wachsene.

Auf diesem gemeinsamen Weg lernen alle Beteiligten voneinander. Kinder lernen von ihren Eltern und Eltern lernen von ihren Kindern.

Einer der wichtigsten Lernprozesse für mich als Lehrer war, zu erkennen, dass ich in die Schule gehe, um zu lernen. Jede Lehrerin und jeder Lehrer, jeder Vater, jede Mutter übernimmt diese Aufgabe, manchmal auch scheinbar ungewollt, um zu lernen, im Miteinander zu wachsen.

Wie oft habe ich als Lehrer erkennen müssen, dass ich ein Kind nicht verstehe und zu lernen habe. Wie oft habe ich das Lernen von Kindern blockiert, weil ich das weitergegeben habe, was mir in meiner Kindheit begegnet ist.

Und wenn ich heute manche Eltern und Lehrer über die ihnen anvertrauten Kinder reden höre, mit welcher Selbstherrlichkeit, Selbstgefälligkeit und scheinbarem Wissen, was ihr Kind braucht, dann sehe ich dahinter auch die Not der Kinder, ihr Unglück, z.B. so tun zu müssen, als fühlten sie sich verstanden und geliebt.

Der Staat hat einen Raum der Entwicklung zur Verfügung zu stellen, in dem vieles möglich ist. Was wir im politischen Bereich erleben, ist die Rückkehr zu Gängelei und Kontrolle. Und dabei haben wir noch eine Instanz wie die EU geschaffen - eigentlich vom Prinzip her eine gute Idee - die die Supergängelei praktiziert und der die einzelnen Staaten so beikommen, dass sie Politiker zu Kommissaren machen, die als Persönlichkeit und von ihrer Ausstrahlung her schwach sind. Das haben wir schon im Mittelalter so praktiziert, indem die Territorialfürsten sich einen schwachen König bzw. Kaiser gewählt haben und weiterhin gemacht haben, was sie wollten. Nur: Das kann ins Auge gehen ... es kann blutig enden.

Dankbar für Kinder

Warum es in Deutschland immer weniger Kinder gibt, hängt auch damit zusammen, dass den Menschen das Bewusstsein geschwunden ist, welch ungeheure Möglichkeit der eigenen Entwicklung Kinder bieten. Wir müssen dankbar sein, wenn wir mit Kindern zu tun haben dürfen.

Wer Kinder ablehnt, lehnt Entwicklung ab. Ein Staat, der durch sein ständiges regulierendes Eingreifen den Menschen die Freude an Kindern nimmt, verhindert Entwicklung.

Wenn wir so weitermachen, können wir auch Geld in die Weihnachtskrippe legen.

Menschliches Leben zeichnet sich aus durch eine unendliche Vielfalt. Gewiss bedarf es eines Ordnungsgefüges. Deshalb hießen Polizisten ehemals sehr zu Recht Ordnungshüter. Die gesetzgebende und die exekutive Kraft hat die Gesellschaft als Raum der Möglichkeiten zu sichern. Stattdessen sehen wir ständig traurige Auswüchse des diskriminierenden Umgangs miteinander. Aber das Miteinanderwachsen kann nur die Oberhand behalten, wenn wir mehr Energie in das Entwickeln von Potentialen stecken als da hinein, den anderen zu bekämpfen, auch Auswüchse zu bekämpfen. Letzteres ist wichtig, doch überlebt ein Staat nur, wenn er Möglichkeiten ermöglicht. wenn er da hinein mehr Energie gibt.

Es ist kein Zufall, dass die Energie unseres Staates in einem unselig hohen Ausmaß damit beschäftigt ist, Schulden zu tilgen. Das vernunmöglicht das Ausschöpfen von Potentialen.

Ein verantwortungsvolles Elternhaus gibt, wenn möglich, seinen Kindern Potentiale mit auf den Weg, auch im ökonomischen Bereich. Akzeptabel wäre es, wenn wir unseren Kindern wenigstens eine Null-auf-Null-Bilanz hinterlassen.

Was aber tun wir? Auf diesem Hintergrund muss man die Staatschulden sehen.

Herodes ist unter uns

Wir quälen uns mit dieser unseligen Diskussion um Betreuungsgeld und Krippenplätze.

Wer hat ein Interesse, dass diese Diskussion so überhand nimmt und unsere Gesellschaft die Freude an Kindern ganz und gar verliert?

Herodes ist unter uns. Es kann eine Person sein, es können Personen sein, es können Einstellungen sein.

Es scheint so, als ob immer mehr Kinder nach Ägypten fliehen müssen. Auch immer mehr Eltern.

Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder ...

Besinnen wir uns auf das große Wort: Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder ...

Und fangen wir nicht schon wieder ein Gezänk an, weil es Jesus sagte, sondern sehen wir darin eine überzeitliche Wahrheit.

Kinder gehen intuitiv ihren Weg.

Finden wir den Zugang zu unserer Intuition, zu unserem inneren Kind. Wir brauchen es so notwendig wie den liebevollen inneren Erwachsenen.

Damit wir gern mit Kindern leben, uns an Kindern freuen.

Uns mit Kindern freuen.

Diese Freude, die aus dem Herzen kommt, braucht unsere Gesellschaft so dringend.

geschrieben für und veröffentlicht in FreieWelt.net

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