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Dienstag, 20. November 2012

Eine endlich andere Definition von Wohlstand: Kinder, die gedeihen dürfen, Alte, die nicht vereinsamen müssen ...

In Leben im Goldenen Wind, dem Buch des ehemaligen Topmanagers Professor Erhard Meyer-Galow, macht jener auf die Gedanken des Soziologen und Philosophen Meinhard Miegel, geboren 1939 in Wien, aufmerksam, die auch so sehr meinen entsprechen, dass ich weniges zwar, aber durchaus Interessantes wiedergeben möchte, fordert Miegel doch in seinem Buch Epochenwende eine radikale Neuausrichtung der europäischen Wirtschafts- und Sozialpolitik und damit eine grundlegende Neubestimmung von Wachstum und Wohlstand, mithin eine Abkehr von quantitativem Wachstum, der - so geht es jedenfalls mir -, hört man die Nachrichten, doch fast einzig und allein zum Kriterium unseres Wohlergehens gemacht wird. Man beachte nur, welchen Stellenwert mittlerweile die Börsennachrichten und die täglichen Schalten auf das Börsenparkett einnehmen.
Sklavisch scheinen Öffentlichkeit und Politiker an den Zahlenmündern zu hängen, die halbe oder ganze Prozentpunkte an Wachstum und Fortschritt zu verkünden haben, damit die Nation befreit und leicht atmen kann. Es lebe das Bruttosozialprodukt!

Welch ein Irrtum, wissen wir doch eigentlich, dass zwar jedes 5. Kind in Deutschland übergewichtig ist, aber jedes 4. ohne Frühstück in die Schule muss und 2,5 Millionen Kinder bei uns unter der Armutsgrenze leben. Wir wissen auch, dass Merkel und Co. weiß Gott wenig bis nichts tun, um die zunehmende Armut immer breiterer Bevölkerungsschichten in Deutschland zu verhindern, und das, obwohl längst klar ist, dass der Zug unerbittlich in Richtung Alters-Pyramide fährt.

Die Amerikaner haben ihr Geld in die Kriege in Afghanistan und den Irak investiert; nunmehr wird bei jeder Katastrophe sichtbar, dass ihre Infrastruktur längst kaputt ist und verschwiegen wird, dass diese Nation im Grunde pleite ist; dass dies noch so wenig öffentlich wird, liegt daran, dass die Ratingagenturen von Amerikanern betrieben werden und deren Mitarbeiter offensichtlich noch keine Lust haben, nach China umzuziehen.
Deutschland investiert sein Geld in Griechenland. Das ist besser als in einen Krieg, aber genauso verloren.

Schon bevor dies alles so deutlich kulminierte, forderte Miegel eine kreative, haushälterische Ausschöpfung unserer geistigen, kulturellen und materiellen Ressourcen:

"Nicht sinnleere Expansion, sondern Rückbesinnung auf die Tugenden der Beschränkung und des Ausgleichs ist das Rezept für die stagnierenden westlichen Gesellschaften, wenn sie die Zukunft gewinnen wollen."

Das bedeutet allerdings auch, dass wir andere Leute an der Spitze unserer Staates bräuchten als Merkel und vor allem Schäuble, den Dinosauriern eines veralteten Wohlstandsdenkens. – Meinhard Miegel weiß:

"Wohlstand, das sind künftig Menschen, deren Lebenssinn über das Anhäufen materieller Güter hinausgeht; das sind Kinder, die körperlich und geistig gedeihen können; das sind Alte, die nicht vereinsamen; das sind viele Gebrechliche und Altersdemente, die menschenwürdig leben. Wohlstand, das ist mitmenschlicher Zusammenhalt. Zwar kann und wird das nicht alles sein. Aber ohne diese neue Qualität des Wohlstands sind rapide alternde, zahlenmäßig schwindende und abnehmende dynamische Gesellschaften trotz materiellen Wohlstands arm."

Gott sei Dank, dass dies jemand so klar ausspricht; jedenfalls habe ich es noch nie so klar gehört oder gelesen.

Meyer-Galow zitiert noch aus Miegels neuestem 2010 erschienenen Buch EXIT - Wohlstand ohne Wachstum, und auch diese Gedanken finde ich so wichtig, so wertvoll:

"Eigentlicher, menschenspezifischer Wohlstand – das ist, bewusst zu leben, die Sinne zu nutzen, Zeit für sich und andere zu haben, für Kinder, die Familienangehörigen, Freunde. Eigentlicher, menschenspezifischer Wohlstand – das ist Freude an der Natur, der Kunst, dem Schönen, dem Lernen, das ist gelegentliche Stille, das ist sinnenfroher Genuss, das ist die Fähigkeit des Menschen, mit sich selbst etwas anfangen zu können. Eigentlicher, menschenspezifischer Wohlstand, das ist nicht zuletzt Revitalisierung der spirituell-kulturellen Dimension des Menschen, die durch das Streben nach immer größeren Gütermengen weithin verkümmert ist. Dass er nicht allein vom Brot allein lebt, weiß der Mensch seit langem. Aber die explosionsartige Zunahme von Brot und anderen – mehr oder weniger lebenswichtigen – Gütern hat namentlich in den früh industrialisierten Ländern dieses Wissen nicht selten verschüttet. Dies zu erkennen wird der große Paradigmenwechsel dieses Jahrhunderts sein - oder dieses Jahrhundert wird scheitern."

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