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Samstag, 12. April 2014

Vom Glück, das es gibt, wenn man sicher sein kann, nicht verletzt zu werden.


Trotz Ferien war ich heute nochmal in der Schule, um die Aufschriebe aus den Gruppenarbeiten meiner Kollegen im Rahmen unseres pädagogischen Wochenendes in Bad Wildbad für eine Personalversammlung zu sichten.

Dabei fiel mir das Plakat auf, auf dem wir die Un- bzw. Zufriedenheit mit den pädagogischen Tagen zum Ausdruck gebracht hatten. Obwohl alle auch einen Teil des Wochenendes geopfert hatten, der normalerweise für die Familie oder Korrekturen gebucht ist, war die Reaktion sehr positiv und ich musste an jene Übung denken, die wir zum Abschluss auf Vorschlag von Sigrid Tomberg, die uns zusammen mit ihrem Mann Günter Tomberg durch die zwei Tage geleitet hatte, machten:

Wir saßen in Gruppen zusammen und jedem wurde aus der Gruppe ein Anderer zugeteilt, dem er drei positive Eigenschaften zuschreiben sollte. Das war wirklich spannend und ich wusste, dass ich nicht das Allerweltsübliche schreiben wollte.

Um genau diese Aufgabe hatte ich nämlich meine letzte Klasse, in der ich Klassenlehrer war, gebeten: Jeder sollte jedem aus der Klasse einen positiven Satz zu- und aufschreiben. Ich machte mir dann die Mühe, für jeden die 25 positiven Sätze der anderen auf ein Blatt zusammenzuschreiben. Puh, viel Arbeit, aber dennoch, wie ich noch heute finde, lohnenswert.

Was mir nur aufgefallen war: Wie oft stand da: Peter ist nett / Sandra ist freundlich und nett / Jan ist nett ...

Es blieb mir gar nichts übrig, als die Bitte zu äußern, das Wort nett zu vermeiden und auch gut gelaunt und ähnliche stereotype Wendungen.

Am Schluss hatten jedenfalls alle ein schön gestaltetes Blatt mit Sätzen der KlassenkameradInnen und ich bin sicher, einige heben sich das ihre gut auf. Von manchen Aussagen, die sich die Kinder zuschrieben, war ich echt berührt, und ich kann mir vorstellen, mancher hat das ein oder andere, was er da über sich las, so noch nicht vernommen.

Ich erinnere mich, dass es mir nicht so leicht fiel, dem Kollegen, der mir zugeteilt war, etwas ganz Spezifisches mitzugeben; es gelang jedoch; und zuallermeist gelang es auch den Kollegen aus meiner Gruppe für den ihm bzw. ihr Zugeteilten.

Weshalb ich davon schreibe: Während ich mit der Sichtung in der Schule beschäftigt war, kam mir in den Sinn, wie schön die Atmosphäre in der Gruppe bei dieser Aufgabe war. Ja, im Nachhinein finde ich:

Es herrschte eine Form von Glück.

Und mir kam auch, als ich darüber sann, der Grund, weshalb das so sein konnte:

Jeder von uns konnte sicher sein, nicht verletzt zu werden.

Nun mag mancher denken: Was werden erwachsene Menschen - zumal unter KollegInnen - Angst haben, verletzt zu werden?!

Ich glaube, dass wir unbewusst viel mehr Ängste, als wir ahnen, haben, auch Ängste, wir könnten verletzt werden.

Vor allem dann, wenn es ins Persönliche geht. Da liegt die Seele blank.

Ich bin mir sicher, als Kind habe ich diese Angst zu Hause oft gehabt.

Und in der Schule auch, weil ich ein sehr mittelmäßiger Schüler war, dem Lehrer nicht übermäßig wohl gesonnen waren; da bekam man schnell mal eine Verletzung durch einen lapidar dahingesagten Satz des Lehrers ab.

Jedenfalls, wenn ich an die vielleicht 40 Minuten zurückdenke, in der wir diese Übung machten, dann kommt es mir vor, als wären wir unter einer goldenen Glocke vereint gewesen. Alle Gesichter haben ein Strahlen im Gesicht gehabt, vor allem in der Phase, als alle gespannt darauf waren, was nun der Andere Erfreuliches über sich hören würde.


Übrgens: Eines der Themen dieses Pädagogischen Wochenendes war Lehrergesundheit.

In diesem Moment, wo wir strahlten, waren wir wirklich gesund!

Es war so schön, weil keiner Angst haben musste, es könnte jetzt etwas Schräges oder Verletzendes kommen.

Wie schön ist es, wenn Menschen sehr persönlich miteinander umgehen und trotzdem vor Glück strahlen dürfen!

Vielleicht überhöhe ich das Geschehen von damals im Nachhinein ein wenig - aber ich glaube, das ist nicht einmal der Fall.

Über was mich das alles auch nachdenken lässt: 


Wie es Schülern in der Schule geht und wie sehr Schule auch solcher Zeiten und Räume bedarf, wo gerade Kinder - gerade auch im ganz normalen Unterricht - sicher sein und vor Glück strahlen können, weil es diese Sicherheit gibt, die zu den schönsten Gewissheiten des Lebens gehört: 

geschützt zu sein vor Verletzungen.

Und Lehrer sollten eines wissen: 
Nur, wenn ihre Schüler wirklich gesund sind, sind auch sie selbst gesund!

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