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Sonntag, 28. Februar 2016

♡ Liebe ist unteilbar! - Über das Wesen von Liebe, Selbstliebe, Selbstsucht und selbstloser Mutterliebe.

Bevor ich in obigem Zusammenhang zentrale Passagen aus Erich Fromms so bemerkenswertem und hilfreichem Werk Die Kunst des Liebens zitiere, vorab 12 Punkte zum Wesen der Liebe:

  • Sie ist nicht das berühmte Eiapopeia, in dem manche gern ihre eigene Liebesunfähigkeit ertränken. - Man kann sie auch nicht kaufen, nicht pachten, nicht besitzen. Sie ist ein Elixier, dessen man sich auf der Erde nie sicher sein sollte.
  • Manche sogenannte Christen reden ständig von der Liebe Gottes, um zu kaschieren, dass sie keine Ahnung von ihr haben.
  • Wer Briefe und Mails mit lb. Grüße und Ähnlichem beendet, steht im dringenden Verdacht, wenig von der Liebe zu halten - sie lässt sich nicht verkürzen. Gleiches gilt für in manchen Kreisen ständig vorkommende Licht-und-Liebe-DrohungenGrüße. - Die Liebe eignet sich nicht für Floskeln.
  • Wer selbstlos liebt und selbstlos ist, ist möglicherweise sein Selbst los.
  • Wer sich selbst wirklich lieben möchte, darf sich tatsächlich kein Bild von sich machen. Das ist das Ende der Liebe. Wer sich selbst liebt, dehnt sich aus wie das All, wie Gottes Schöpfung, von der jener sich vielleicht selbst kein Bild macht, sie in keinen Rahmen spannt. Wie viel mehr sollten wir das unterlassen! Vor allem eben in Bezug auf uns. - Wissen wir, wohin wir uns noch ausdehnen?
  • Um die Liebe weiß nur wirklich, wer um seine eigenen Schatten weiß, also jene unbelichteten und dunklen Teile unserer Seele, die oft nur die anderen sehen. In Afrika ist es bei manchen Stämmen ein Tabubruch, auf den Schatten eines Anderen zu treten. Man tritt nicht auf einen Menschen; der Schatten ist ein Teil von ihm.
  • Gott - soweit man an ihn glaubt - hat das Wesen des Menschen als polar, als yin-yang-Struktur angelegt, sonst hätten sich Adam und Eva nicht vom göttlichen Sein weg, von innen nach außen bewegen können. 
  • Das Dunkle, der Schatten gehört zum alttestamentarischen Wesen Gottes, zu Jahwe; er lebt es in seinen Aufforderungen zum Töten und gnadenlosen Bestrafen zum Teil exzessiv aus. Zum Teil zeigen sich zugleich bei ihm Züge tiefster Weisheit (wenn ich das richtig sehe). Vielleicht stimmt das Verständnis C.G. Jungs, dass Hiob unter dem Schatten, unter der dunklen Seite Jahwes zu leiden hatte.
  • Mich erinnert die Religion der Juden, des Islam und eines sich in Kreuzzügen und der Inquisition ausgetobt habenden Christentums an dieses archaische, alttestamentarische Verständnis von Religion. Was sich im Nahen Osten abspielt, hängt womöglich maßgeblich damit zusammen; so viel Zorn, Gewalt und Gnadenlosigkeit sind schrecklich. Leider ist ein neues Verständnis, wie ich es im Neuen Testament zu finden glaube, auch bei den allermeisten Christen noch nicht angekommen. Man erkennt es oft an ihren gnadenlosen Urteilen und wie genau sie wissen, was Gott will.
  • Was wir als Böses, als Dunkles, als Schatten bezeichnen, ist womöglich nicht das, was ursprünglich eine der beiden sich polar gegenüberstehenden Seiten ausmachte. Für die Erde mag unser Verständnis  zutreffen, nicht aber für die ursprüngliche göttlich-duale Struktur. Wie die 10 Sefiroth im Sohar nicht nur zwei, sondern drei Ebenen haben, sowohl vertikal, als auch horizontal, so mag es schon immer im Göttlichen eine dritte Ebene gegeben haben, die zwischen den beiden sich polar gegenüberstehenden Ebenen vermittelte. Nie konnte sich dort eine der beiden Seiten verselbständigen. Wenn das allerdings geschieht, dann allerdings kann es Mord und Totschlag geben - wir Menschen kennen das nur zu gut.
  • Unser Verstand kann das Wort Liebe in Buchstaben zerlegen, so wie er eine Rose sezieren kann. Nur hat das mit dem Wesen der Liebe nichts zu tun.
  • Vielleicht haben auch Erich Fromm, Meister Eckehart, Laotse und andere Recht, dass unsere Welt nur eine unserer Gedanken ist mit ihren Gegensätzen von Krieg und Frieden, oben und unten oder Himmel und Erde, dass aber jenseits der Welt unserer Gedanken es eine wirkliche gibt, eine Welt ohne Gegensätze, eine Welt reiner Liebe. Wenn es sie gibt, vermute ich, gelangt man nur zu ihr über tiefste Demut, über das Loslassen der eigenen Welt der Gedanken. - Man kann sie nur loslassen, wenn man an Unbegreifliches glaubt, also an die Liebe.

Ich zitiere im Folgenden nun aus dem Kapitel Die Objekte der Liebe in Fromms Die Kunst des Liebens:

Die Liebe zu einem Menschen umfasst die zu den Menschen als solche. Die Art der "Arbeitsteilung", bei der man zwar die eigene Familie liebt, für den "Fremden" jedoch nichts empfindet, ist ein Zeichen für die grundsätzliche Unfähigkeit zu lieben. (...) Wenn ein Individuum in der Lage ist, schöpferisch zu lieben, liebt es sich selbst auch; wenn es jedoch nur den anderen lieben kann, ist es unfähig zu lieben. (...)
Die selbstsüchtige Person ist nur an sich selbst interessiert, will alles nur für sich und empfindet keine Freude im Geben, sondern lediglich am Nehmen. Die Umwelt interessiert nur, soweit man etwas aus ihr herausholen kann; das Interesse am anderen fehlt und genauso ist es mit dem Respekt und der Würde und Integrität anderer. (...) Selbstsucht und Selbstliebe sind keineswegs miteinander identisch, sondern in Wirklichkeit Gegensätze. Der selbstüchtige Mensch liebt sich nicht zuviel, sondern zuwenig. Der Mangel an Liebe und Fürsorge für sich, der lediglich ein Ausdruck des Mangels an innerer Produktivität ist, läßt ihn leer und enttäuscht zurück. (...) 
Die Selbstucht ist leichter zu verstehen, wenn man sie mit dem besitzgierigen Interesse vergleicht, das man zum Beispiel bei einer überängstlichen Mutter findet. Während sie ehrlich überzeugt ist, ihrem Kind besonders zugetan zu sein, empfindet sie tatsächlich eine allerdings fast völlig verdrängte Feindschaft  gegen das Objekt ihrer Zuneigung. Überbesorgt ist sie nicht, weil sie das Kind zu sehr liebt, sondern weil sie einen Ausgleich haben muß für ihren Mangel an Fähigkeit, das Kind überhaupt zu lieben. (...) 
Sie glaubt, daß die Kinder durch ihre Selbstlosigkeit erkennen, was es heißt, geliebt zu werden, und daß sie andererseits dadurch erkennen und lernen, was lieben heißt. Die Wirkung ihrer Selbstlosigkeit entspricht jedoch keineswegs ihren Erwartungen. Die Kinder zeigen nicht das Glück von Menschen, die überzeugt sind, geliebt zu werden; sie sind ängstlich, angespannt, fürchten die Mißbilligung der Mutter und bemühen sich ständig, ihren Erwartungen zu entsprechen. Gewöhnlich werden sie von der versteckten Lebensfeindlichkeit  und Lebensangst ihrer Mutter angesteckt, die sie nicht so sehr bewußt erkennen als vielmehr spüren. Alles in allem ist die Wirkung der »selbstlosen« Mutter von der selbstsüchtigen gar nicht so verschieden: vielmehr ist sie häufig noch schlimmer, weil die Selbstlosigkeit der Mutter die Kinder davon abhält, sie zu kritisieren. Sie leben unter dem Zwang, die Mutter nicht zu enttäuschen; unter der Maske der Tugend lehrt man sie, das Leben zu verachten. Wenn man die Möglichkeit hat, die Wirkung einer Mutter mit echter Selbstliebe zu beobachten, kann man feststellen, daß es für ein Kind und sein Erlebnis dessen, was Liebe, Freude und Glück sind, nichts Förderlicheres gibt, als von einer Mutter geliebt zu werden, die sich selbst liebt. 
Diese Idee der Selbstliebe kann nicht besser zusammengefaßt werden als in einem Zitat Meister Eckarts: »Hast du dich selbst lieb, so  hast du alle Menschen lieb wie dich selbst. Solange du einen einzigen Menschen weniger lieb hast als dich selbst, so hast du dich selbst nie wahrhaft lieb gewonnen, - wenn du nicht alle Menschen so lieb hast wie dich selbst, in einem Menschen alle Menschen; und dieser Mensch ist Gott und Mensch. So steht es recht mit einem solchen Menschen, der sich selbst lieb hat und alle Menschen so lieb wie sich selbst, und mit dem ist es gar recht bestellt.«

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