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Samstag, 9. Juni 2018

Über den Tod schreiben oder ihm gegenüberstehen, ins Angesicht sehen: Das sind zweierlei Dinge! - Rilkes letztes Gedicht.

Erst kurz vor seinem Tod erfuhr Rilke, dass er an einer seltenen und besonders schweren, unheilbaren Form der Leukämie erkrankt war. So wie mich das schreckliche Leiden eines Siegmund Freud, der so tapfer litt, sehr berührt hat, so auch das von Rilke, der, weil die Pusteln auf seinen Schleimhäuten ständig aufbrachen und bluteten, kaum mehr trinken konnte und schrecklichen Durst litt. Das ist, wie sich herausstellen wird, nicht die einzige Übereinstimmung mit jenem berühmten Toten von Golgatha.
Rilkes 16 letzte Zeilen sind aufschlussreich. Und man muss wissen, dass er vier Zeilen im Manuskript wegstrich, was für seine Einstellung dem Tod gegenüber durchaus aussagekräftig ist, denn seine letzte Zeile hat nun eine durch nichts beschönigte oder hinweggeglättete Tiefe und Intensität:
Komm du, du letzter, den ich anerkenne,
heilloser Schmerz im leiblichen Geweb:
wie ich im Geiste brannte, sieh, ich brenne
in dir; das Holz hat lange widerstrebt,
der Flamme, die du loderst, zuzustimmen,
nun aber nähr’ ich dich und brenn in dir.
Mein hiesig Mildsein wird in deinem Grimmen
ein Grimm der Hölle nicht von hier.
Ganz rein, ganz planlos frei von Zukunft stieg
ich auf des Leidens wirren Scheiterhaufen,
so sicher nirgend Künftiges zu kaufen
um dieses Herz, darin der Vorrat schwieg.
Bin ich es noch, der da unkenntlich brennt?
Erinnerungen reiss ich nicht herein.
O Leben, Leben: Draussensein.

Und ich in Lohe. Niemand der mich kennt.
Verzicht. Das ist nicht so wie Krankheit war
einst in der Kindheit.
Aufschub. Vorwand um
grösser zu werden. Alles rief und raunte.
Misch nicht in dieses was dich früh erstaunte

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