Seiten

Donnerstag, 28. April 2011

... den Rollstuhl im Kopf ...

Gestern Abend habe ich eine beeindruckende Sendung bei Markus Lanz gesehen. Da waren die Aussagen von Liedermacher und Schauspieler Rainhard Fendrich und von NDR-Talkshow-Gastgeber und Buchautor Hubertus Meyer-Burckhardt schon hochinteressant, auch die des Aussteigers und Ex-Mulitimillionärs Hermann Ricker ...
Überwältigend aber fand ich Worte und Einstellungen einer Frau namens Nina Wortmann. Querschnittgelähmt seit einem Autounfall, vermittelte sie den Eindruck, sie stehe mehr im Leben als viele so genannte Nicht-Behinderte.
Was ihr so treffend gelang, war, zu formulieren, dass für diese so genannten Nicht-Behinderten gilt: 

"Die meisten haben diesen Rollstuhl heutzutage im Kopf."
Und worauf sie sich unmittelbar zuvor bezog, war die Alternative, die sie auch gehabt hätte, nämlich den ganzen Tag vor dem Fernseher zu sitzen oder die Zeit mit Computerspielen zu verbringen. Stattdessen kämpfte sie um ihre Beweglichkeit, um das teilweise Wiedererwachen ihres Körpers - ihrer Mutter, glaube ich, verdankt sie unendlich viel, die als Physiotherapeutin schon ab dem ersten Tag mit ihr trainierte, auch gegen die Widerstände ihrer Tochter.
"Die meisten haben diesen Rollstuhl heutzutage im Kopf."
Genau so ist es. Viele verbringen ihre Zeit vor dem Computer und vor dem Fernseher, obwohl sie nicht behindert sind.
Genau so aber ist es genau nicht: DIESE Menschen sind behindert: Sie haben ihren Rollstuhl im Kopf, ja, auch im Herzen, denn das ruft nach Leben!
Oder, wie es Nina Wortmann, Ehefrau, Mutter und Model, formulierte:
Ich will leben
Ich will atmen,
Ich will lachen...
Ja, das muss man wollen!
Was daran hindert?
Hierzu zitierte Markus Lanz eine Aussage Meyer-Burckhardts, die ich aufschlussreich und richtig wichtig finde:

Wir haben Angst vor Dingen, glauben wir.
In Wahrheit haben wir Angst vor der Vorstellung, die wir von diesen Dingen haben.
Ein besonderer Satz, eine bemerkenswerte Wahrheit:
Es ist nicht die Realität, die uns nicht ins Leben gehen lässt, die uns Angst haben lässt, die uns behindert; sondern es ist unsere Vorstellung von dieser Realität ... die so, wie wir sie haben, nur für uns so existiert ... !

PS. Diese Sendung kann man bekanntlich in der ZDF-Mediathek (ein bisschen warten, dann läuft die Wiedergabe an) anschauen und diese Sequenz mit Nina Wortmann und dem anschließenden Zitat findet sich zwischen Minute 50.20 und 52.00 ... man kann das ja erfreulich genau einstellen. Ich persönlich fand aber schon weit vorher - eigentlich von Beginn an - auch die Worte von Rainhard Fendrich über die Bedeutung, sich selbst vergeben zu können ("Wer nicht lernt aus seinen Fehlern, ist verflucht, sie ein Leben lang zu wiederholen"), über die Bedeutung, die putzen für ihn hat, den Zusammenhang von Drogengenuss und Kreativität, die sich nicht künstlich erzeugen lässt ("Wenn man wüsste, wie es einem nachher geht, würde niemand damit anfangen") absolut bemerkenswert.
Eine phaszinierende Runde, jeder Einzelne, dazu ein einfühlsamer und humoriger Moderator ... Fernseh-Zeit, die sich für mich gelohnt hat!

Keine Kommentare: