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Montag, 22. September 2014

Vom Wilden Mann, dem Herrn der Tiere, dem Gott der Tiefe, der Wunden und des Opfers

Zu Beginn des Brüder-Grimm-Märchens Eisenhans finden wir den Wilden Mann in einem Tümpel.
Vermutlich haben ihn die Menschen da untergebracht, denn seiner würdig ist dieser Ort nicht.

Als tanzender Herr aller Geschöpfe finden wir ihn an den Wänden der Dordogne-Höhlen, die vermutlich ungefähr 12 ooo v. Christus entstanden.
Robert Bly schreibt bezeichnenderweise:
In unserer industriell geprägten Gesellschaft ignorieren wir die Große Mutter, und wir ignorieren auch den Gebieter der Tiere. Wir gehören zu den ersten Menschen in der Geschichte, die versucht haben zu leben, ohne ihn und seine Tiefe zu ehren, seine Verletztheit und sein Wissen um ein angemessenes Opfer. Das hat dazu geführt, dass unsere Opfer unbewusst, regressiv, sinnlos, undifferenziert, selbstzerstörerisch und sehr groß geworden sind.
Um 1515 hat der deutsche Maler Schweiger ein eindrucksvolles Bild von Maria Magdalena als Wilder Frau gemalt. Vielleicht wusste Jesus sie als solche zu schätzen - wer weiß.

Ich glaube, es ist nicht in seinem Sinn, dass sich das Christentum so sexualitätsfeindlch und asketisch aufführte. Kein Wunder schlägt heute die Sexualität völlig degenerierte Kapriolen.
Augustinus sagte, ein Mann schäme sich von Natur aus seiner körperlichen Begierden und Männer der ersten nachchristlichen Jahrhunderte flehten, so berichtet Justinus, Chirurgen an, sie zu kastrieren.
Dahinter stand die Ansicht, Sexualität verhindere geistiges Wachstum.

Ohne dass ein Mann in sich den Wilden Mann befreit - und um das zu können muss er den Schlüssel zum Käfig des Wilden Mannes unter dem Kopfkissen der Mutter entwenden (!) -, bleibt er ein Leben lang Handlanger seiner Mutter, ein großer Bub, der nicht wirklich eine erwachsene Frau finden kann, denn die duldet Gott sei Dank keine Mutter neben sich. Dafür findet der große Bub vielleicht eine Frau, die ihren Vater mitbringt.
Im Inneren dieser Menschen ist der Weg zum Großen Vater und zur Großen Mutter damit aber gewiss verbaut.

Die langjährige Jung-Mitarbeitern Marie-Louise von Franz stellte fest, dass ihr in den letzten Jahrzehnten in Träumen von Männern und Frauen eine Figur aufgefallen sei, die sprirituell sei, aber auch von Haaren bedeckt (übrigens: Maria Magdalena oben war das auch!), eine Art behaarter Christus. Sie war der Auffassung, dass die Seele heute nach einer neuen Figur verlange, einer religiösen, aber doch auch haarigen Figur, die in Verbindung stehe mit Gott und der Sexualität, mit dem Geist und mit der Erde.

Das impliziert eine haarige Forderung, zu haarig für die aseptischen Menschen heute, die doch den Körper von allen Haaren befreien - gewiss kein Zufall. 

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