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Freitag, 15. April 2016

Warum es einem besser geht, wenn es einem schlechter geht! - Am Kreuz hängt der Rest vom Ego-Schützenfest.

In den letzten Monaten habe ich wiederholt beobachten müssen, dass ich mir näher bin, wenn es mir schlecht geht (allerdings nicht so schlecht, dass ich total durchgesackt bin). Das ist ein Zustand, wo man sich dem Wesentlichen näher fühlt. Die Einflüsse von außen treten nicht so laut an einen heran; auch Komplimenten von außen gelingt es nicht mehr, das Ego zu plustern, so dass es wie ein aufgeblasener Ballon anfängt zu fliegen und sich von dem eigentlichen Selbst entfernt wie der Ballon von dem Pflock, der im Boden steckt und die Verbindung zu Mutter Erde, zur großen Mutter in uns markiert.

Ich habe dann bei mir gedacht, dass es doch nicht sein darf, dass ich die größte Nähe zu mir immer nur dann spüre, wenn es mir schlecht geht. Weil ich dann notgedrungen, gedrängt durch Not, nach innen gehe und spüre, dass es gut ist, wenn ich mir nah bin, wenn es mir im Außen also schlecht, aber, je weiter ich nach innen gehe, immer besser geht.
Ob das wirklich der einzig gangbare Weg ist, sich nahe zu sein?
Vielleicht, weil man nur wirklich nach innen kommt, wenn Leid die Leinen nach außen kappt?


Irgendwie wollte ich das so recht nicht wahr  haben.

Bis ich folgende Worte las:

Das Problem der Kreuzigung ist der Anfang der Individuation ⟨also des Weges des Menschen zu sich, seinem Selbst⟩. Hier liegt die geheime Bedeutung der christlichen Symbolik, ein Weg voller Blut und Leiden - wie es jeder Schritt vorwärts auf dem Wege der Entwicklung menschlicher Bewusstheit ist. Kann der Mensch einen weiteren Zuwachs an Bewusstheit ertragen? (...) ich gestehe, dass ich mich der göttlichen Kraft dieses schier unübersteigbaren Problems unterwarf und dass ich bewusst und absichtlich mein Leben elend gemacht habe, weil ich wollte, dass Gott lebe und dass er frei sei von dem Leiden, das der Mensch ihm aufgezwungen hat, indem er seinen eigenen Willen mehr liebte als Gottes geheimnisvolle Absichten.

Bewusst und absichtlich sein Leben elend gemacht: Ich verstehe die Worte C.G. Jungs als eine bestimmte Art des Sich-nach-innen-Wendens, eine Form bewusster Bescheidenheit, Demut und Beugung. 
Das sagt ein Mensch, der sich dessen bewusst war, wie er in Erinnerungen, Träume, Gedanken schrieb, dass der Unterschied zwischen den meisten Menschen und ihm gewesen sei, dass bei ihm die ´Zwischenwände´ durchsichtig waren und wenn man seine Träume und Visionen liest, die sich ihm offenbarten, weiß man, dass dieses Mannes Bewusstsein eine besondere Kostbarkeit und seine Schriften und sein Wirken so groß waren, dass das große Dunkel es durch willige Neider verdunkeln lassen musste.

Mir ist seine Aussage aber eine Erhellung und ich verstehe, dass ich relativ normal bin mit meinem Empfinden, dass es also normal ist, dass es einem besser geht, wenn es einem schlecht oder elend geht. Man hängt am Kreuz oder kriecht zu Kreuze - und was da hängt, ist der Rest vom Ego-Schützenfest.


Auf diesem Hintergrund wird mir auch klar, was ich bisher nicht verstehen konnte, warum Johannes Paul II. so lange aushalten musste.
Mit seinem Leiden erinnerte er immer wieder an das Leiden Christi. 

Der am Kreuz hängende Jesus ist genau jener Rest, der verwandelt werden kann. Da ist nichts mehr, was ein reinigendes Feuer verzehren muss.

Diesen Jesus aber mag zunehmend niemand mehr sehen.
Er erinnert zu sehr, es mahnt, welchen Weg jeder gehen könnte.

Deshalb verschwindet das Kreuz aus unserer Öffentlichkeit.

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