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Freitag, 13. März 2009

Winnenden und der Amoklauf oder: Die Unfähigkeit zu trauern!

Heute, Freitag, am sogenannten Tag 2 nach der Tat wird allenthalben getrauert; die Kondolenzbücher sind aufgeschlagen, medienwirksam und im schwarzen Anzug hat sich der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg als Erster eingetragen; hinter ihm war schon eine lange Schlange zu sehen, leider konnten die Honoratioren nicht ihre Namen in die laufenden Kameras rufen.

Ich will die Betroffenheit dieser Menschen im Einzelnen nicht infrage stellen, dennoch aber möchte ich sagen, dass ich vieles geheuchelt finde.

Am Tag des Geschehens habe ich eine Familienministerin von der Leyen im Fernsehen erlebt, die gerade mal zwei Sätze zu dem Geschehen sagte, um sich dann sofort der Frage zuzuwenden, wie so etwas in Zukunft zu verhindern sei.
Diese Kälte und Herzlosigkeit war für mich erschreckend.
Kein Mitgefühl.
Ich habe auch nicht ein bisschen Herz gespürt.
Pures Polit-Styling.
So gestylt wie die Frau.


Möglich, dass sie überfordert war.
Ich möchte mir kein Urteil über die Situation hinaus erlauben, aber ich hätte mir gewünscht, dass eine Frau, für die Familien in diesem Land zuständig und selbst siebenfache Mutter, in der Lage ist, zu den Medienmenschen zu sagen:

Was fragen Sie mich hier für Dinge. Lassen Sie uns doch heute nur, nur trauern.
Es ist gerade Schreckliches geschehen. Lassen Sie uns innehalten und in Gedanken bei den Menschen sein, denen gerade Schreckliches widerfahren ist.
Ich habe selbst sieben Kinder zur Welt gebracht.
Nun sind 9 Kinder unseres Landes gestorben.
Auf grässliche Weise.
Da haben Eltern ihre Kinder in die Schule geschickt mit auch nicht dem geringsten Zweifel, sie säßen mit ihnen wieder am Mittagstisch.
Und nun kommen diese Kinder nicht mehr nach Hause.
Stattdessen stehen Särge in den Türen.
Wer kann da noch sprechen ...

Warum ist da ein Land nicht in der Lage, warum ist kein führender Politiker in der Lage zu sagen:

Lassen Sie uns schweigen,
lassen Sie uns innehalten,
lassen Sie uns mitfühlen.

Lassen Sie uns durch unser Mitfühlen den schmerzlich Betroffenen eine Hilfe sein, eine Hilfe dadurch, dass sie merken: Wir sind in unserem Schmerz nicht allein.

Stattdessen Interview auf Interview, Hektik auf allen Kanälen. Politiker und Polizeipräsidenten präsentieren ihre unmaßgebliche Meinung.

Hat ein Fernsehsender bewusst sein Programm geändert, außer dass ein Tagesschau Spezial oder Ähnliches zugeschaltet wurde?
Hat ein Sender einen einzigen Gewaltfilm aus dem Programm genommen?

Nicht, dass ich wüsste.

Vielleicht hätte oben angesprochenes Verhalten vielen Trittbrettfahrern und zukünftigen Tätern die Energie entzogen für ihre Vorhaben.

Ja, heute Abend wird auf dem ein oder anderen Sender ein Konzert dem Geschehen gewidmet.
Aber wirklich getrauert, wirklich durch Mitgefühl geholfen haben wir im Einzelnen und als Gesellschaft nicht zu einem Zeitpunkt, als es notwendig gewesen wäre, gerade für die Angehörigen und alle, die so schrecklich betroffen waren, die Klassenkameraden, die Kollegen und viele andere, die einbezogen waren.

Die Menschen speisen ihr Mitgefühl aus dem Leid, das sie sehen.
Nicht aus ihrem Herzen - das ist die Wahrheit.

Anstatt den Menschen, die leiden, ihre Energie der Liebe zu geben,
ziehen sie ihnen noch Energie ab,
indem sie das eigene Mitgefühl,
den wohligen Schauer des eigenen Seelenschmerzes
aus deren Leid speisen.


Das ist die Realität unseres Landes
und aus dieser Realität speisen sich die neuen Täter.

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