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Mittwoch, 16. Mai 2012

Keine Gotteskrise, keine Glaubenskrise, sondern Kirchenkrise. – Mutige Morgengedanken von Michael Broch.

Kürzlich habe ich an anderer Stelle die Morgengedanken von Paul Schobel zur Transaktionssteuer veröffentlicht. Ein katholischer Geistlicher, der sich einmischt, der Farbe bekennt.
Das empfinde ich auch bei den Morgengedanken von Pfarrer Michael Broch aus Leonberg, wobei ich schon der Ansicht bin, dass es wirklich eine Glaubenskrise gibt, ganz einfach deshalb, weil mehr Menschen als früher der Glaube wirklich egal geworden ist, was damit zusammenhängt, dass viele junge Menschen nicht mehr so zu ihm hingeführt werden, dass er für sie attraktiv sein könnte - ein Problem auch des Religionsunterrichtes und einer zunehmend säkularen Erziehung.
Ein Problem auch der Wertevernichtung durch primitive Sendungen vor allem auf den privaten Sendern, durch Videospiele und das Internet, so positiv es auch in anderen Bereichen ist.

Was ich allerdings finde: Diejenigen, die den Glauben ernst nehmen, suchen intensiver, ergebnisoffener.
Und in Bezug auf was Michael Broch und ich sicherlich auch übereinstimmen: Die Zahl der Kirchenaustritte korrespondiert nicht der Zahl derer, die ihrer inneren Religiosität eine Absage erteilen.

Wissen wir, was wirklich herauskommt auf unserer Suche nach Gott? 
Gott ist anders, als wir glauben. Wir erkennen das, wenn wir ihn aus unseren Bildnissen entlassen. 
Jedenfalls:
Ein in unserer Zeit so notwendiges offenes, mutiges Denken finde ich gerade in den Schluss-Sätzen Michael Brochs zu dem Thema des Katholikentages in Mannheim "Einen neuen Aufbruch wagen". Klasse, dass ein Geistlicher die Wahrheit sagt: Für die angebliche Gotteskrise ist in erster Linie die Kirche selbst verantwortlich, weil überfällige Reformen fehlen.
So ist es!

Hier seine Morgengedanken:

„Einen neuen Aufbruch wagen" - unter diesem Motto beginnt heute der Katholikentag in Mannheim. Drei viel versprechende Worte: neu - aufbrechen - wagen. Ich denke begeistert und wehmütig zugleich an den Beginn des II. Vatikanischen Konzils vor 50 Jahren, einberufen von dem unvergessenen Papst Johannes XXIII. Gegen große Widerstände in den eigenen Reihen hat meine katholische Kirche damals einen „neuen Anfang gewagt". Ein Frühling voll frischer Luft und aufblühendem Leben ging durch die Kirche. Ein „neuer Aufbruch" im Innern der Kirche und nach außen. Im Innern: neue Gottesdienstformen sind entstanden, die Bibelarbeit blühte, viele Katholiken freuten sich, zur Kirche zu gehören und sich in ihr zu engagieren. Sie verstanden sich nicht mehr als „Schafe", die ihren „Oberhirten" zu gehorchen hatten, sondern als das „Volk Gottes" auf dem Wege. Nach außen: die Ökumene, das Bemühen um die Einheit der Christen, erlebte erste Höhenflüge. Das Gespräch wurde gesucht: mit den anderen Weltreligionen, mit der modernen Welt und der Wissenschaft. Die Welt staunte! - In diesem Klima bin ich Priester geworden. 50 Jahre danach herrschen in vielen Bereichen Stillstand: nichts Neues, kein Aufbruch, kein Wagnis - besonders in bestimmten konservativen Kreisen und bei Teilen der Kirchenleitung. Nicht so in vielen Kirchengemeinden, in der Ökumene vor Ort, in etlichen Ordensgemeinschaften. Nicht so in unzähligen caritativen, sozialen und missionarischen Werken hier und weltweit. - Dennoch herrscht Krisenstimmung. Da ist von „Gotteskrise" oder von „Glaubenskrise" die Rede. Viele seien gott-los geworden und würden nicht mehr glauben - solche Vorwürfe halte ich für ein „Ablenkungsmanöver". Es soll davon abgelenkt werden, dass wir in einer hausgemachten „Kirchenkrise" stecken, weil die überfälligen Reformen nicht angegangen werden. Wer diese Reformen chronisch verweigert, der entfernt sich immer mehr von den Menschen. Der nimmt in Kauf, dass sich immer mehr Menschen von der Kirche entfernen. Und das ist bestimmt nicht im Sinne Jesu. „Einen neuen Aufbruch wagen" - ich glaube, das kann gelingen, wenn sich meine Kirche endlich zu tief greifenden Reformen im Geiste Jesu durchringt. Wenn sie sich auf Jesus zurückbesinnt und fragt: Was würde er heute sagen und tun? Wenn meine Kirche den Mut aufbringt und dieses Wagnis eingeht - dann kann wirklich ein Aufbruch gelingen.

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