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Dienstag, 24. Dezember 2013

Gekommen zu erwärmen, was erstarrt! / Still ist die Nacht ...


Öfters, als wir denken, spiegelt ein äußeres Geschehen uns eine innere Realität. Und nicht selten erzählen auch Dichter von einem äußeren Geschehen, das eine innere Realtät vermitteln kann, ja vielleicht auch - manches Mal unbewusst - will.
Wir finden das in einem der bekanntesten Weihnachtsgedichte, einem traurigen zugegebenermaßen. Denn es berichtet davon, dass ein Mann nicht zu reagieren vermochte auf das Stimmlein eines Kindes, das ihn im Grunde um Hilfe anrief. Das berührt mich deshalb, weil ich in den vielen Jahren meines Lehrerdaseins erkannt habe, wie sehr das, was ich mit Kindern in der Schule erlebte, ein Teil auch meiner inneren Realität ist, ob ich nun liebevoll reagieren konnte oder zu oft leider nicht. Immer wieder habe ich die Erfahrung gemacht, dass Kinder in meiner schulischen Realität solchen meiner inneren Wirklichkeit korrespondieren.
Wie das auch immer bei Theodor Storm gewesen sein mag; in Weihnachtsabend verarbeitet er sein Weihnachten 1852 in Berlin, das er fern von seiner Familie verbringen musste.
Es ist einer der berührendsten Weihnachtsgedichte von einem Autor, der nun gewiss kein großer Lyriker war, hier aber, wie ich finde, schon - und das mit einem großen Herzen:

   Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll,
   Der Kinder denkend, die ich ließ zu Haus.
   Weihnachten war's; durch alle Gassen scholl
   Der Kinderjubel und des Markts Gebraus.

   Und wie der Menschenstrom mich fortgespült,

   Drang mir ein heiser Stimmlein in das Ohr:
   »Kauft, lieber Herr!« Ein magres Händchen hielt
   Feilbietend mir ein ärmlich Spielzeug vor.

   Ich schrak empor, und beim Laternenschein

   Sah ich ein bleiches Kinderangesicht;
   Wes Alters und Geschlechts es mochte sein,
   Erkannt ich im Vorübertreiben nicht.

   Nur von dem Treppenstein, darauf es saß,

   Noch immer hört ich, mühsam, wie es schien: 
   »Kauft, lieber Herr!« den Ruf ohn Unterlaß;
   Doch hat wohl keiner ihm Gehör verliehn.

   Und ich? - War's Ungeschick, war es die Scham,

   Am Weg zu handeln mit dem Bettelkind?
   Eh meine Hand zu meiner Börse kam,
   Verscholl das Stimmlein hinter mir im Wind.

   Doch als ich endlich war mit mir allein,

   Erfaßte mich die Angst im Herzen so,
   Als säß mein eigen Kind auf jenem Stein
   Und schrie nach Brot, indessen ich entfloh.
.
War es tatsächlich Ungeschick oder Scham, dass der Mann nicht auf das Kind reagieren konnte?
Oder rief etwas in ihm nach ihm in Gestalt jenes Kindes - vergeblich?

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