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Dienstag, 30. Juni 2015

Religiosität in Deutschland: zum Beispiel Bad Kissingen

Schon als ich in den letzten Jahren ab und an in Bad Kissingen zu Besuch war, las ich immer mal wieder das Schild Stationsberg; nie im Leben hätte ich gedacht, dass es auf ein Kleinod hinweist; es klang eher nach Tal- oder Mittelstation. Dass es ein Kreuzweg sein könne, hätte ich nie vermutet.
Erst als ich vor einigen Wochen von St. Wendelinus weiterlief, kreuzte die 7. Station meinen Weg und ich sah, dass da ja Treppen nach oben gehen. Kurz entschlossen folgte ich ihnen und ich war total überrascht, was mich da
erwartete.
Heute Vormittag, obwohl es schon ziemlich warm war, habe ich mich auf die Socken gemacht; die Lichtverhältnisse schienen mir günstig fürs Fotografieren.

Wenn man Dinge durch die Linse anschaut, dann gewinnen Details auf einmal einen ganz neuen Stellenwert. Man sieht, was man, wenn man etwas einfach so betrachtet, oft nicht bemerkt.

So sitze ich heute Mittag hier und möchte einige besonders eindrückliche Bilder, obwohl es doch eigentlich Sommer ist und der Inhalt gar nicht so zur Jahreszeit zu passen scheint, posten; trotz Jahreszeit: Ich war wirklich beeindruckt von der Intensität dessen, was ich wahrgenommen habe.
Einen weiteren Post mit Bildern dieses so eindrucksvollen Kreuzweges werde ich bestimmt zu Ostern nächsten Jahres veröffentlichen.

Und was mir so alles durch den Kopf gegangen ist, das möchte ich noch am Schluss erwähnen.
Hier nun eine kleine Auswahl von über 140 Bildern, die ich gemacht hatte - Gott sei Dank gibt es digitales Fotografieren :-)
Ganz besonders berührt hat mich die 4. Station, als Jesus seiner Mutter begegnet. Man ahnt, was sich da in Maria abgespielt haben und wie es Jesus gegangen sein mag.
Und beeindruckt hat mich an der 9. Station - "Jesus fällt zum dritten Male unter dem Kreuz" - dieser Ausdruck im Gesicht des römischen Soldaten und das Leid Jesu:















Überhaupt sind oft die Gesichtsausdrücke der Soldaten sowie anwesender Juden und ihre Bewegungen voller Aussagekraft; ob jener junge Mann wusste, wen er da schlagen will?



Oder ob jenem Soldaten klar war, was er tat, als er Jesus den Nagel durch die Hand schlug:


Wie kontrastieren dem gegenüber die Leidensbilder Jesu während dieser Folter, wie brutal allein das Knie, das ihn zu Boden presst . . .


oder als er demütigend seiner Kleider beraubt wird


Auch die Bilder, die Maria Magdalena und Jesu Mutter zeigen, als Jesus vom Kreuz abgenommen wird, berühren zutiefst (wenn man die Bilder anklickt, mag manches noch deutlicher werden)

Ein Bild hat für mich einen ganz besonderen Stellenwert:


Das Kreuz ist leer.
Alles Leid hat sich gelohnt:


Damals schon, als ich diesen Weg entdeckte und heute Morgen genauso wie jetzt, da ich doch mehr Bilder hier einbringen musste, als ich wollte, ging mir durch den Kopf, wie wenig beachtet dieser Kreuzweg ist. Da wird in Bad Kissingen allenthalben gebaut, ein Investor wird für ein neues 5-Sterne-Hotel gesucht, wie mir jemand erzählte, der Platz ist schon freigebaggert mitten im Zentrum; in der Kuranlage wird ein wunderbares altes Gebäude für die Verwaltung hergerichtet, wohl mit Millionenaufwand, wenn es stimmt, was mir ein Spaziergänger erzählte. 
Dieser Kreuzweg aber ist ziemlich heruntergekommen.
Und schade, dass ich nirgends fand, wer diese Stationen so unglaublich eindrucksvoll gestaltet hat.
Wie schön, dass jemand wenigstens sich um die erste Station kümmert - vergelt´s Gott, möchte man da sagen.



Kein Wunder aber, dass die Evangelische Kirche so massiv Mitglieder verliert und die Katholische wohl nicht viel weniger.
Glaube will im Alltag integriert sein. Wir bestimmen, woran wir denken und was in unserem Bewusstsein ist. 
Wie toll fanden die Leute Hape Kerkelings "Ich bin dann mal weg", den Bericht seines Pilgerns auf dem Jakobsweg.
Bei uns aber pilgern die Menschen vor allem zu Aldi und Lidl.
Hoffentlich geht ihnen nicht - wie dem Mann vom Lande in der Türhüterlegende - erst ein Licht auf, wenn alles um sie herum und in ihnen dunkel zu werden beginnt.




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