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Montag, 28. Oktober 2019

Nachts, / Wenn der orangene Mond sich ganz silbern gewandelt, / Kommen auch andere heimlich und bringen Gold . . . Bildnis eines Räubermädchens


Das Räubermädchen

Nachts,
Wenn der orangene Mond sich ganz silbern gewandelt,
Kommen auch andere heimlich und bringen Gold,
Hänger, klirrendes Springzeug, das um meinen Nacken tollt,
Blühende Steine, die man in dunklen Schächtelchen handelt,
In pfauenblauen und mohnroten Atlas rollt.
 

Alle nehme ich nicht: ich verachte die dummen Türkise;
Demanten sind glitzernd scharf, zu wirklich, ich liebe sie nicht.
Ich halte die graue Perle, ihr sinnendes Licht,
Und das Rätsel Opal - war so im Abend die Wiese ? -
Und den Zitrontopas, der Unheil zerbricht.
 

O grüne Schlangenaugen, heißt ihr smaragden ?
So sind Augen, die sich mit mir gefüllt,
Bis ich sagte »Genug« und mein Mund sie umhüllt,
Wenn Er vertauschte mit mir die Lust seiner Jagden
Und die geströmte Felldecke niederschlug, plump und zerknüllt.
 

Was ist gut ? Ich weiß nicht. Wird Gott mich strafen ?
Was ist böse ? Mich hat keiner Bosheit gelehrt.
Fraun tragen Ketten und Kinder; der Mann trägt ein Schwert,
Und es ist süß, an einer Brust zu schlafen,
Die anders als unsere, hart und zottig bewehrt.
 

Bald,
Wenn wieder große Waffen silbern sich kreuzend blitzen,
Kaufmanns Gewand in gelbe und schwarze Blumen zerfliegt,
Such' ich ein altes Lied zusammen, das schläfert und wiegt;
Aber den Natternzaubrer in Mauerritzen
Hat schon des Kindes grünliches Blinzeln besiegt.


(aus G. Kolmar, Weibliches Bildnis in vier Räumen)

Man muss in der Lyrik eines Georg Heym, eines Hölderlin, eines Rilke der Duineser Elegien, einer Gertrud Kolmar nicht alles verstanden haben. Man nähert sich den Bildern eines schreibenden Gegenüber, seinen Farben, seinen Tieren, seinem Personal. Es gibt kaum etwas Wertvolleres, als mit den Bildern und Worten anderer anders und auf neuen Wegen denken zu lernen. Man befreit sich selbst, sein eigenes Denken und macht es reicher, umfassender, tiefer.

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