Seiten

Freitag, 24. Juli 2009

Wo sich Innenwelt und Außenwelt berühren: Renate Gross´ Seelenlandschaften


Wenn einer Reise tut, dann kann er was erleben. So ging es mir vor einigen Wochen, allerdings währte meine Reise nur ca. 300 Meter von der Haustüre weg auf die Felder. Dann staunte ich nicht schlecht, als ich eine Staffelei auf einer baumbestandenen Wiese entdeckte und hinter ihr eine Frau, die malte.

Und als ich einige Wochen später die Eröffnung ihrer Ausstellung im Bauernhausmuseum unseres Ortes besuchte, war ich nochmal verblüfft, denn die Bilder von Renate Gross firmierten unter dem Titel: "innen ist außen - neue landschaften".

Wo mich doch ausgerechnet dieses Thema im Rahmen meiner Posts über Seelenlandschaften selbst bewegt und die Frage nach dem Verhältnis von innen und außen schon seit langer Zeit beschäftigt hatte.


Was der Stuttgarter Schriftsteller und Lektor Mathias Jeschke zur Ausstellungseröffnung formulierte, trifft ganz besonders auf das folgende Bild Mondhorizont zu:


Er sagte:

Mit unseren Augen suchen wir uns einen Weg durch diese Welt. Fenster sind unsere Augen, da geht es munter hinein und hinaus. Quellen sind sie. Quellen der Gefühle, die das, was wir sehen, in uns auslöst. Und Quellen der Gefühle, die wir mit unseren Blicken bei anderen auslösen. Sie sind Türen des Übergangs. Wir können diese Türen weit aufmachen und uns öffnen. Oder wir können uns verschließen, uns abgrenzen. Die Augen sind Grenzspiegel der Seele. Was ich sehe, wenn ich in die Welt hinausblicke, färbt sich mir in der Farbe, mit der ich innen ausgekleidet bin. Was ich sehe, hat zu tun mit dem, was in mir ist.
Ich sehe einen Weg. Diesen Weg gehe ich nicht, weil es ihn gibt. Sondern ich gehe ihn, weil er mir einen Vorzug zu haben scheint. Ich gehe ihn, weil ich ihn wähle. Sonst müsste ich alle Wege gehen, die es gibt. Zuerst sehen und dann wählen wir. Erst, wenn wir gewählt haben, können wir gehen. Wenn wir wählen, versuchen wir Innen und Außen in Einklang miteinander zu bringen. Der Weg, den wir sehen, soll mit dem, was in uns ist, übereinstimmen. So könnte es sein, dass es einen Einklang gibt, eine Gleichheit von Außen und Innen – einerseits das, was in mir ist, andererseits der Weg, den ich vor mir sehe. Es könnte jedoch auch einen Weg geben, der deshalb mit mir übereinstimmt, weil er ganz anders ist und mich herausfordert.


Bemerkenswerte Aussagen, wie ich finde; jeder Satz will für sich wahrgenommen sein, obwohl alles darin zusammenhängt, dass nämlich unsere Augen uns einen subjektiven Ein- und Ausblick auf die Welt geben wollen, immer bestrebt, Innen und Außen in Übereinstimmung zu bringen.


Obige Worte waren für mich deshalb besonders inspirierend, weil mir, seit ich es gehört hatte, Novalis´ Blütenstaub-Fragment nicht aus dem Gedächtnis geht:

Der Sitz der Seele ist da, wo sich Innenwelt und Außenwelt berühren.
Wo sie sich durchdringen, ist er in jedem Punkte der Durchdringung.

Dieser Satz war mir immer ein Rätsel gewesen, ich hatte mir überlegt, ob er die Haut meinen könne; auf die Augen kam ich seltsamerweise nicht. Als ich Mathias Jeschkes Worte hörte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen ... Ja, für Novalis müssen im Grunde in ganz besonderem Maße die Augen der Sitz der Seele gewesen sein.
Und kann das nicht wirklich so sein?


Die Bilder zeigen Wirklichkeiten, wie Renate Gross sie mit ihren inneren Augen sieht. Vor vielen Bildern bin ich lange gestanden. Ich hätte vorher nie gedacht, dass sie mich anregen, so viele Spuren, Gestalten, Bewegungen aufnehmen zu wollen - ein so spannendes und doch vergebliches Unterfangen.
Gott sei Dank ist es so.


Wir können einen Menschen, eine Künstlerin, ebenso ein Bild nicht fassen oder begreifen, wenn wir nicht die Unerschöpflichkeit des Inneren eines Menschen zulassen.

Alles bleibt in der Schwebe des Lebendigen, so wie der Austausch unseres Inneren mit dem Außen. - So wie es mit der Natur ist, so möge es auch mit Menschen sein.
Das lehren mich die Bilder von Renate Gross. Mich haben sie tief im Inneren berührt.

vorletztes Bild: Himmelsgreifer
letztes Bild: Gärtlein

Keine Kommentare: