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Sonntag, 2. August 2009

Dem Ewig-Weiblichen auf der Spur: Marc Levys "Sieben Tage für die Ewigkeit"


Es ist die Reinheit Margaretes, die den Erdenbürger und Wissenschaftler Faust so anzieht, dass er alles dransetzt, um Gretchen in sein Bett zu bekommen. Und Mephistopheles, der Gesandte der Hölle, muss auf Fausts Geheiß in der Tat seine ganze Kunst aufbieten, um dessen Ziel Wirklichkeit werden zu lassen. Schließlich ist es so weit:
Faust schwängert Gretchen - und lässt sie schmählich sitzen. Sie weiß sich nicht anders zu helfen, als ihr Kind umzubringen. Im Kerker auf ihren Tod wartend, versucht Faust, sie zu befreien, doch Gretchen graut vor diesem Mann. Als Mephistopheles abgehend sarkastisch bemerkt: "Sie ist gerichtet!", tönt eine Stimme von oben:"Ist gerettet."
Gretchen hatte noch im Tod ihre seelische Reinheit bewahrt.
Auch im zweiten Teil des Faust ist jener nicht wesentlich geläutert. Noch am Ende müssen ein altes Ehepaar, Philemon und Baucis, sterben, weil Faust seine Machtgelüste ausleben muss.
Dennoch: Als er stirbt, holen die Engel in Begleitung des Dr. Marianus und im Beisein Margaretes den unsterblichen Teil von Faust und es fallen die berühmten Worte:
Das Ewig-Weibliche
Zieht uns hinan.


Tatsächlich bewahrheitet sich diese Weisheit auch in Marc Levys Werk.
Ist es im Faust Gott selbst, der Mephistopheles auf den Dr. Faust aufmerksam macht und ihn dessen Versuchung anheim gibt, sich sicher seiend, dass es dem Versucher nicht gelinge, Faust von seinem guten Wege abzubringen, so treten auch in Marc Levys Buch Gott, alias Sir oder Houston, und Luzifer, alias Satan oder President, in den Wettstreit um die Herrschaft auf der Erde. Der CIA, das Haus Gottes, der CENTRAL INtELLIGENCE OF THE ANGELS hatte erkannt, dass die Erde ausgangs des 20. Jahrhunderts in höllischer Gefahr war und dass die dauernde Rivalität zwischen den großen Antipoden Gott und Luzifer maßgeblich daran beteiligt war. Deshalb ließ ER sich auf eine Wette mit Luzifer ein, deren Ausgang darüber entscheiden sollte, wer im 21. Jahrhundert das Sagen auf der Erde habe.
Beide schicken ihre besten Agenten ins Feld, auf Gottes Seite ist es Zofia, sein schönster Engel, von Beruf verantwortlich für Sicherheit des Dock 80 im Hafen von San Francisco, und immer bereit, anderen zu helfen; auf Satans Seite ist es dessen bester Mitarbeiter Lukas, stets bereit, Menschen umzubringen, ab und zu eine Frau zu vernaschen, Autos zu klauen und diese nach Gebrauch über die Kaimauer ins Wasser zu kippen.
Beide haben 7 Tage Zeit, den Kampf für sich zu entscheiden.
Verblüfft und entsetzt müssen Gott und Satan jedoch feststellen, dass Z/Sofia und Lukas aus dem Ruder laufen, als sie aufeinander treffen, weil sie sich ineinander verlieben. Ja, Lukas ist schlussendlich am Tag 6 sogar bereit, seine Mission zu kippen zu Gunsten seiner großen Liebe, er schreibt Abschied nehmend - und sein Schreiben bringt zum Ausdruck, was die Liebe vermag, dass nämlich sogar die Hölle auf ihre Rechte verzichtet:

Indem ich mich opfere, ermöglichen wir den Sieg der Deinen, und sie werden dir vergeben, was auch immer du getan haben magst. Kehre heim, meine Liebste zurück in dieses Haus, welches das Deine ist und so gut zu Dir passt ... Dort, wo du nicht existierst, existiere auch ich nicht mehr ... Zu wissen, dass du da bist, irgendwo auf dieser Erde, wird in der Hölle mein kleines Eckchen vom Paradies sein.
Du bist mein Bachert.
Ich liebe dich.
Lukas.

Nicht zu fassen: die Liebe bringt es zustande, dass der beste Agent der Hölle sogar den Himmel in die Hölle Einzug halten lässt! Bachert ist im Übrigen ein Synonym Levys für Seelenpartner.

Die Meinungen über diesen Roman gehen in den einschlägigen Rezensionen weit auseinander. Sie reichen von Kitsch bis: "Ich habe bei der Lektüre geweint".

Womöglich hat Marc Levy DAS Thema des 21. Jahrhunderts vorweggenommen. Steigt die Erde die Jakobsleiter hinauf oder geht sie den Bach runter?

Und im Rahmen dieser Fragestellung geht es darum, warum es Liebe gibt und ob es den Bachert gibt, wie es Marc Levy nennt, unsere andere Hälfte.
In einen Gespräch zwischen Gott und Sofia hört sich das so an:


»Du wolltest mich sprechen?«

»Ich wollte Sie nicht stören, Sir.«
»Du störst mich nie. Hast du ein Problem?«
»Nein, eine Frage.«
Sirs Augen wurden noch heller.
»Ich höre, meine Tochter.«
»Wir verbringen unsere Zeit damit, Liebe zu predigen, aber wir Engel verfügen nur über Theorien. Also, Sir, was ist die Liebe auf Erden wirklich?«
Er betrachtete den Himmel und legte den Arm um Zofias Schulter.
»Es ist die schönste Sache, die ich erfunden habe! Die Liebe ist ein Stückchen Hoffnung, die ständige Erneuerung der Welt, der Weg ins Gelobte Land. Ich habe den Unterschied geschaffen, damit die Menschheit ihre Intelligenz entwickelt: Eine homogene Welt wäre zum Sterben traurig! Und für denjenigen, der es verstanden hat, zu lieben und geliebt zu werden, ist der Tod nur ein Augenblick des Lebens.«
Fieberhaft zeichnete Zofia einen Kreis mit der Fußspitze in den Kies.
»Aber die Geschichte mit dem Bachert, ist die wahr?«
Gott lächelte und ergriff ihre Hand.
»Derjenige, der seine zweite Hälfte findet, bringt es weiter als die ganze Menschheit. Eine schöne Geschichte, nicht wahr? Nicht der Mensch als solcher ist einmalig - wenn ich ihn so gewollt hätte, hätte ich ihn so erschaffen -, sondern er wird es erst dann, wenn er anfängt zu lieben. Die Schöpfung ist vielleicht nicht vollkommen, aber es gibt nichts Vollkommeneres auf der Welt als zwei Menschen, die sich lieben.«
»Jetzt verstehe ich es besser«, sagte Zofia und zog eine gerade Linie durch die Mitte des Kreises.
Er erhob sich, schob die Hände wieder in die Taschen und schickte sich zum Gehen an, doch plötzlich legte Er eine Hand auf Zofias Kopf und sagte mit sanfter, verschwörerischer Stimme:
»Ich will dir ein großes Geheimnis anvertrauen, die einzige und große Frage, die ich mir vom ersten Tag an stelle: Habe ich wirklich die Liebe erfunden, oder hat die Liebe mich erfunden?«
Gott entfernte sich mit leichtem Schritt und betrachtete seinen Schatten im Wasser. Zofia hörte ihn brummen:
»Sir hier, Sir da, es wird wirklich Zeit, dass ich in diesem Haus einen Vornamen finde, mit dem Bart haben sie mich schon alt genug gemacht.«
Er wandte sich zu Zofia um und fragte: »Was hältst du von Houston als Vorname?«
Verblüfft sah Zofia ihn davongehen, die wundervollen Hände im Rücken verschränkt und weiter vor sich hinmurmelnd:
»Sir Houston, vielleicht ... Nein, Houston, das ist ideal!«
Schließlich verklang die Stimme hinter einem großen Baum.

Ein weiterer Post zu Marc Levys Buch: hier

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