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Freitag, 1. Januar 2010

Ricarda Huch über Kampf und Leid und Berufensein. - Die alte Schule des Leids und wahres Herzeleid

Die meisten Berufenen scheitern daran, dass sie nicht kämpfen und leiden wollen. Sie möchten wohl Auserwählte sein, aber, wie Papageno, nicht durch Feuer und Wasser gehen und gleichen Frauen, die sich nach Kindern sehnen, aber die Qual, sie zu tragen und hervorzubringen, nicht auf sich nehmen mögen. Es gibt Menschen, die dem Leiden ausweichen und es gibt Menschen, die das Leiden suchen und denen das Leiden ausweicht; wen Gott auserwählt hat, dem zwingt er das Leiden auf. Und zwar zwingt er es ihm auf durch das Mittel, durch welches er überhaupt im Menschen wirkt, nämlich durch das Herz; insofern nun jedem sein Herz selbst angehört, macht jeder sich sein Schicksal selbst.
aus Ricarda Huch, Luthers Glaube.

Jonas muss nicht in den Bauch des Wals, wenn er seiner inneren Stimme, der Stimme Gottes folgt und gleich nach Ninive zieht. Doch er zieht es vor, sich zu weigern, der Einflüsterung der Angst zu folgen und mögliches Leid meiden zu wollen. – Genau deshalb aber gerät er in Dunkel und Leid, in den Bauch des Wals.

Nur nebenbei bemerkt: Selbst hier, in der Höhle seiner Wandlung, während der Nachtmeerfahrt seiner Seele, ist er in sicherer Hut!

Ricarda Huch hat Recht. Der Mensch will - nicht generell, aber oft - dem Leiden ausweichen.
Aber was sie nicht gesagt: Genau deshalb gerät er oft in Leid.

Leid ist nicht per se da, und schon gar nicht zwingt Gott, zwingt in Leid, sondern Leid ist die Folge der Trennung von göttlichem Bewusstsein; das zeigt die Geschichte Noahs.

Deshalb sind auch die martialischen Worte Gottes, als Adam und Eva das Paradies verlassen müssen, die wie ein vorgezogenes Strafgericht Gottes klingen, ja, als Fluch formuliert sind, für mich eine von Menschenhand durchgeführte Fälschung des ursprünglichen göttlichen Wortes, genauer gesagt: von Männerhand - die patriarchalische Diktion ist offensichtlich.
Zum Weibe sagt Gott:

Ich will dir viel Schmerzen schaffen, wenn Du schwanger bist; und du sollst mit Schmerzen Kinder gebären, und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein, und er soll dein Herr sein.

Und zu Adam sprach er:

Dieweil Du hast gehorcht der Stimme deines Weibes, und gegessen von dem Baum, da ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen, - verflucht sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollst du dich darauf nähren dein Leben lang.
Dornen und Disteln soll er dir tragen, und sollst das Kraut auf dem Felde essen.
Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis dass du wieder Erde werdest, davon du genommen bist.

Warum sie eine Fälschung sein müssen, dazu mehr in einem späteren Post.
Hier haben Menschen die ursprünglichen Worte, die einen ganz anderen Sinn hatten, in einen Topf geworfen und sie so neu zusammengestellt, wie sie es brauchten, um ein Schuld-Sünde-Sühne-Programm zu installieren, das die Kirchen bis heute benutzen und mit Hilfe dessen sie in der Vergangenheit Strafe, ja Fluch als erzieherisches Mittel legalisierten oder sagen wir sogar: selig sprachen. – Heute getrauen sie es sich nicht mehr so lauthals, diesen Un-Sinn zu verbreiten; vereinzelt aber tauchen diese selbst ernannten Gralshüter göttlicher Wahrheit wieder auf, die Religion und Gott so martialisch sein lassen wollen. Doch diese Sichtweise repräsentiert nur die Enge ihres Herzens!
Sie vergöttern ihr Herz, um nicht ihre Lieblosigkeit gegenüber sich selbst, ihren Kindern und vor allem denen, die sich ein größeres Herz gönnen, erkennen zu müssen.
Es sind das diejenigen, die die Liebe ans Kreuz nagelten.
Richtig wäre es gewesen, sie hätten ihre Lieblosigkeit zu Kreuze getragen.
Doch sie hatten Angst vor dem Leid.

Manchmal will die Seele Heilung. Deshalb geht sie einen leidvollen Weg. Denn immer noch ist es so: Leid läutert.
Man mag das als göttlichen Zwang bezeichnen.
Insofern hat Ricarda Huch Recht.
Dahinter verbirgt sich oft, dass unser Verstand nicht erkennt, wofür unser Herz sich entscheidet, dass es also beispielsweise durch eine Krankheit eine Verkrustung unserer eigenen Seele aufbrechen will.
Unser Verstand fragt sich dann: Warum dies mir?
Das Herz antwortet: Allein für Dich!

Leben war nicht als Kampf gedacht (Stuart Wilde)
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