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Donnerstag, 8. August 2019

Ist das Bewusstsein der Menschen aktuell so viel anders als 1933? - Gertrud Kolmars ""Die hier umhergehn sind nur Leiber / Und haben keine Seele mehr"!

Zeilen wie die der zweiten und vierten Strophe findet man in der deutschen Lyrik selten: Ohren, die nicht mehr hören, Körper ohne Seelen und Menschen, die wie Schlachtvieh auf den Metzger warten - das ist kaum mehr überbietbar. 

Das Üble ist nur, wenn man die Realität unserer Tage anschaut: die Mehrheit der Menschen hat nichts dazugelernt; die offensichtliche Wirklichkeit wird weiterhin nicht ernst genommen; allein die Berichte aus den Lagern von Syrien und Griechenland sind eigentlich unsäglich. 
In den letzten Zeilen ihres Gedichtes Im Lager spielt Gertrud Kolmar auf Jesus an und diese bitteren Zeilen sind wohl ziemlich sicher zurückzuführen auf die Kollaboration der Kirchen mit den Nationalsozialisten:

Die hier umhergehn, sind nur Leiber
Und haben keine Seele mehr,
Sind Namen nur im Buch der Schreiber,
Gefangne: Männer. Knaben. Weiber.
Und ihre Augen starren leer (schwer)
Mit bröckelndem, fallnem Schauen
Auf Stunden, da in düstrem Loch
Gewürgt, zertrampelt, blindgehauen
Ihr Qualgeächz, ihr Wahnsinnsgrauen,
Ein Tier, auf Händ und Füßen kroch . . .
Sie tragen Ohren noch und hören
Doch nimmermehr den eignen Schrei.
Die Kerker drücken ein, zerstören:
Kein Herz, kein Herz mehr zum Empören!
Der feine Wecker schrillt entzwei.
Sie mühn sich blöde, grau, entartet,
Von buntem Menschensein getrennt,
Stehn, abgestempelt und zerschartet,
Wie Schlachtvieh auf den Metzger wartet
Und dumpf noch Trog und Hürde kennt.
Nur Angst, nur Schauder in den Mienen,
Wenn nachts ein Schuß das Opfer greift . . .
Und keinem ist der Mann erschienen,
Der schweigend mitten unter ihnen
Ein kahles Kreuz zur Richtstatt schleift. –
(ausführlicher hier: https://bit.ly/2YKgFOA)

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