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Freitag, 18. Oktober 2019

Die ADAC-Autoversicherung und das Dilemma des modernen Menschen: der Mensch, ein großer Kopf (mit Mini-Körper)

Werbestrategisch ist die Werbung der neuen ADAC-Autoversicherung gewiss ein Hingucker und gekonnt gemacht (so ähnlich wie diese schreckliche homeday-Werbung mit der zischenden Männer-Hand auf dem heißen Grill oder der Frauen-Hand, die den Kaktus umkrallt - für mich ein Grund, auf entsprechende Dienstleistungen, wenn ich denn in die Lage käme, komplett zu verzichten). Zurück zur ADAC-Webung: Dieser Kopf löst einfach Freude aus. So viel Ästhetik auf einem Fleck . . . (würg).

In der Fernsehwerbung sitzt der Typ in seinem Auto und sieht etwas und husch - auf einmal wird sein Kopf riesengroß, kein Körper ist mehr zu sehen, der Kopf, ein flächig wirkendes Gesicht, bockt im Grunde am Autodach auf und guckt in die Richtung, wo es etwas schrecklich Wichtiges zu sehen gibt (der Rumpf fehlt, macht nichts, es ist ja das Auto da als Rumpfersatz - hier im Bild ist der Körper ja noch zu sehen). Hat der Typ ausgeguckt, verkleinert sich der Kopf blitzartig, sitzt im Autoinnern wieder auf dem Rumpf des Fahrers - und damit ist die Werbung zu Ende (natürlich noch mit entsprechenden Produkthinweisen versehen).

Davon abgesehen, dass der riesengroßen Kopf ohne Körper bei mir gewisse Übelkeitsgefühle auslöst, zeigt diese Werbung genau die Realität des Menschen, wie sie sich heute darstellt. Begonnen hat diese Zeit der immer größer werdenden Köpfe bekanntlich mit Newton, Galilei und einigen anderen, als sich der Mensch zunehmend den modernen Naturwissenschaften zuwandte und alles Wissen immer abstrakter wurde (die Naturwissenschaften können dafür nichts, sie braucht deshalb niemand zu verdammen).

Auch wenn der Mensch nicht nur den Kopf, sondern auch den Körper, indem er ihn sauber vom großen Kopf abtrennt, so in den Vordergrund rückt, ihn toll zu ernähren sucht, ihm immer haarsträubendere Leistungen abverlangt, ihn immer mehr stylt und versexualisiert: In Wahrheit lebt dieser Körper nicht. Ob sich die Seele (falls sie noch in solchen Körpern Platz hat) auf Dauer wohlfühlt, auch wenn der Körper schreit: Ich bin, ich bin?
Eine Heidi Klum ist - wohlgemerkt ist das meine subjektive Sicht, mein Empfinden - eine Ausstellpuppe mit einem ewig gleichen Lächeln/Lachen (wofür vor allem der bzw. ihr Kopf da ist) und es gibt Sportarten, da rennen Menschen kopflos hinter einem Ball her, verdienen in der Minute so viel wie ein Arbeiter in seinem ganzen Leben und werden angehimmelt oder ggf. von Fans und Sportexperten zu Boden getrampelt. Es gibt Menschen unter ihnen, wo der Kopf nicht immer das Gleiche sagt (Jogi Löw sagt eigentlich immer das Gleiche, finde ich, und die meisten seiner herumrennenden Boys auch); aber dass es unter ihnen auch andere gibt, ist eher die Ausnahme.

Eine lebendige Ganzheit von Körper und Kopf findet sich nur noch ganz selten. Diese Ganzheit muss nichts ausstellen, muss sich nichts beweisen, sondern der Kopf ist in ständiger Verbindung mit dem Körper und erzählt ihm, was es so wahrzunehmen gibt, und der Körper sendet die Signale, die er empfängt zum Kopf.
Keiner dominiert den anderen, der eine ist für den anderen da, mal mag der eine mehr zu sagen haben, mal der andere, aber insgesamt ist es eine große Ausgeglichenheit.

Die künstliche Intelligenz ermöglicht den kopflosen Menschen

Immer mehr Menschen kann man sich wirklich gut auch ohne Kopf vorstellen und darauf arbeitet auch die Künstliche Intelligenz hin: Sie wird die Körper übernehmen, die in Wirklichkeit gar keinen menschlichen Kopf wollen, sondern nur ein großartiger Körper sein wollen, ein Funktionsmechanismus, der zunehmend mehr Jahre arbeitet und freizeitet - was auch sonst noch?

Wir sprechen von einem Zerrbild Mensch, dem alles abstrakt geworden ist, für den nicht wirklich die Dinge leben, der toll mit Begriffen um sich werfen kann, ohne zu merken, dass diese Begriffe kein Blut mehr haben.
Wie können manche Leute toll über Liebe reden, aber man spürt: diese Liebe ist total blutleer.
Wie können manche Pfarrer großartig über Gott reden: Aber man spürt. dieser Gott ist total blutleer.
Ja es gibt auch Esoteriker, die toll über Ganzheitlichkeit reden können. aber man spürt, diese Ganzheit ist ganz schön kaputt, nicht existent, existiert in Worten, die nur Buchstaben sind, ohne Gefühl, ohne Leben, ohne Geist.
Ähnlich verhält es sich mit dem Gerede der meisten Politiker. In ihrer neuesten Variante - Donald Trump und Boris Johnson - lügen sie mehr, als dass sie die Wahrheit sagen mit dem Effekt, dass die ihnen zuhörenden Kopfgesteuerten, wenn die beiden mal nicht lügen, die Tatsache, dass die beiden aus Versehen die Wahrheit sagen, besonders zu würdigen wissen, wobei insgesamt sich der Kopf der Menschheit einfach zunehmend auf Lügen einstellt (Michael Ende hat das in seiner ´Unendlichen Geschichte´ vorausgesehen, indem sich zunehmend das Nichts ausbreitet und die kindliche Kaiserin sterbenskrank ist und er auch den Lügen eine bestimmte Funktion zuweist).

Schule als Abbild des zerteilten Menschen

Möglich ist solch eine Entwicklung, weil alles immer mehr in Einzelteile zerlegt wird ohne Verbindung zueinander. Das ist dann wie in der Schule: Über Licht und seine Brechung wird in der Physik gesprochen, über den Phototropismus der Pflanzen - also dass sie sich dem Licht zuwenden - in der Biologie, mittels der Mathematik berechnen wir die Lichtgeschwindigkeit, in der Religion sprechen wir über Jesus als das Licht der Welt, in Haydns großen Oratorium  "Die Schöpfung" hören sich die Schüler an, wenn so großartig erklingt: Es werde Licht, in Deutsch wird über die Abwesenheit von Licht bei Kafka gesprochen - ständig bewegen sich dort die Menschen im Halbdunkel und Dämmrigen - und in der Kunst werden Arbeiten hergestellt, bei denen es um Licht und Schatten geht.
Dass aber immer im Grunde über ein und dasselbe Licht gesprochen wird: Interessiert das noch jemanden? Sehen das die Lehrplangestalter nicht, wie grauenvoll inneres Licht von äußerem getrennt wird, obwohl beides so sehr miteinander zu tun hat? Dass alles in Fächer aufgeteilt wird und bei Schülern gar kein Bewusstsein entstehen kann, wie sehr Inneres und Äußeres miteinander zu tun haben, Natur und Geist, Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften?!
Interessiert noch jemand, dass es sinnvoller wäre, eine Unterrichtseinheit zum Thema Licht zu machen und zu fragen, welche Fächer zur Erhellung dieses Phänomens und seiner Bedeutung für uns Menschen beitragen können, es somit um Sinn und Bedeutung geht, nicht um Faktenwissen?!

Der willige Kopf macht alles mit. Vorausetzung ist, dass er sauber vom Körper getrennt ist.

Eine erfolgreiche Strategie derer, die zunehmend die Menschheit entmenschlichen. Oder wer hat das inszeniert, dass Menschen entweder mit aufgedunsenen Körpern oder mit aufgedunsenen Köpfen durch die Gegend laufen? Das wär mal eine Frage, der sich Talk-Sendungen widmen könnten, nicht immer demselben Politeinerlei, das nur deshalb ständig sich wiederholt, weil die wirklichen Fragen nicht angegangen werden.

Dass eine Werbung das alles mal so auf den Punkt bringt, hätte ich nicht gedacht.


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