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Samstag, 28. Juni 2008

Khalil Gibran: Liebe ist, im Herzen Gottes zu sein.


So wie die Liebe euch krönt, wird sie euch kreu­zigen.
So wie sie euer Wachstum befördert, stutzt sie auch euren Wildwuchs.
Ebenso wie sie zu euren Gipfeln emporsteigt
und eure zartesten Zweige liebkost,
die im Sonnenlicht zittern,
wird sie zu euren Wurzeln hinabsteigen
und sie er­schüttern in ihrem Erdverhaftetsein.
Wie Garben sammelt sie euch und drückt sich euch an die Brust.
Sie drischt euch, um euch zu entblößen.
Sie siebt euch, um euch von eurer Spreu zu be­freien.
Sie mahlt euch blütenweiß.
Sie knetet euch, bis ihr geschmeidig seid;
und dann überantwortet sie euch ihrem heiligen Feuer,
damit ihr heiliges Brot für Gottes heiliges Fest­mahl werdet.
All das wird die Liebe euch antun,
damit ihr die Ge­heimnisse eures Herzens erkennt
und in diesem Er­kennen
zu einem Bruchteil vom Herzen des Lebens werdet.
Solltet ihr aber aus Angst
nur den Frieden der Liebe und die Freuden der Liebe erstreben,
dann ist es besser für euch, wenn ihr eure Blöße bedeckt
und die Tenne der Liebe verlasst und hi­naustretet
in die Welt ohne Jahreszeiten,
wo ihr lachen wer­det,
aber nicht all euer Lachen,
und weinen,
aber nicht all eure Tränen.
Die Liebe gibt nichts als sich selbst
und nimmt nichts als von sich selbst.
Die Liebe besitzt nicht, noch will sie Besitz sein.
Denn der Liebe ist die Liebe genug.
Wenn ihr liebt, sollt ihr nicht sagen:
»Gott ist in mei­nem Herzen«, sondern:
»Ich bin im Herzen Gottes.«
Und meint nicht, ihr könntet den Lauf der Liebe be­stimmen,
denn befindet sie euch für würdig,
bestimmt vielmehr sie euren Lauf.

mehr zu Khali Gibran hier und hier.