Seiten

Dienstag, 3. Juni 2008

Symbole mit dem Herzen verstehen - Vermächtnis und Weisheit eines Indianers

Ob wir Holz schleppen, Baumwolle pflücken, das Feld umgraben oder Bäume pflanzen, wie im letzten Post angesprochen:
Wenn es uns gelingt, so schreibt Goethe, durch unser Tun, "Erd und Wasser" im Reinen zu halten, dann halten wir auch uns rein; Goethe spricht dann sogar vom dem Menschen als Priester.
Lame Deer, 1903 auf der Rosebud Reservation in Süddakota geboren, war Medizinmann der Sioux (Dakota) und starb 1974.
Im Grunde ist es dieselbe Botschaft, die er uns vermittelt:

WAS SIEHST DU HIER, MEIN FREUND? Nur einen gewöhnlichen alten Kochtopf, verbeult und schwarz vom Ruß. Er steht auf dem Feuer, auf diesem alten Holzofen da, das Wasser darin brodelt, und der aufstei­gende Dampf bewegt den Deckel. Im Topf ist kochendes Wasser, Fleisch mit Knochen und Fett und eine Menge Kartoffeln.
Es scheint, als hätte er keine Botschaft für uns, dieser alte Topf, und du ver­schwendest bestimmt keinen Gedanken an ihn. Außer, dass die Suppe gut riecht und dir bewusst macht, dass du hungrig bist.
Aber ich bin ein Indianer. Ich denke über einfache, alltägliche Dinge — wie diesen Topf hier — nach. Das brodelnde Wasser kommt aus der Re­genwolke. Es ist ein Sinnbild für den Himmel. Das Feuer kommt von der Sonne, die uns alle wärmt — Menschen, Tiere, Bäume. Das Fleisch erinnert mich an die vierbeinigen Geschöpfe, unsere Brüder, die Tiere, die uns Nah­rung geben, damit wir leben können. Der Dampf ist Sinnbild für den Le­bensatem. Er war Wasser; jetzt steigt er zum Himmel auf, wird wieder zur Wolke. All das ist heilig. Wenn ich diesen Topf voll guter Suppe betrachte, denke ich daran, wie Wakan Tanka, das Große Geheimnis, auf diese ein­fache Art und Weise für mich sorgt.
Wir Sioux denken oft und viel über alltägliche Dinge nach, für uns haben sie eine Seele. Die Welt um uns ist voller Symbole, die uns den Sinn des Lebens lehren. Ihr Weißen, so sagen wir, seid wohl auf einem Auge blind, weil ihr so wenig seht. Wir sehen vieles, das ihr schon lange nicht mehr be­merkt. Ihr könntet es auch sehen, wenn ihr nur wolltet, aber ihr habt keine Zeit mehr dafür — ihr seid zu beschäftigt.
Wir Indianer leben in einer Welt von Symbolen und Bildern, in der das Geistige und das Alltägliche eins sind. Für euch sind Symbole nichts als Worte, gesprochene oder in einem Buch aufgeschriebene Worte. Für uns sind sie Teil der Natur, Teil von uns selber — die Erde, die Sonne, der Wind und der Re­gen, Steine, Bäu­me, Tiere, sogar kleine Insekten wie Ameisen und Grashüpfer. Wir versuchen sie zu verstehen, nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Herzen, und ein winziger Hinweis genügt uns, ihre Botschaft zu erfas­sen.
aus Weißt du, daß die Bäume reden. Weisheit der Indianer. Wien 1985
Ihr, von Müh zu Mühe so gepeinigt,
Seid getrost! nun ist das All gereinigt,
Und nun darf der Mensch als Priester wagen,
Gottes Gleichnis aus dem Stein zu schlagen.
Goethe