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Sonntag, 13. Juli 2008

Die Ankunft des Männlichen - junge Männer und ihre männliche Seite. - Die Bedeutung des Vaters.

Ungefähr in der 10. Klasse beginnt sich sichtbar die männliche Seite eines Jugendlichen zu entwickeln. Was noch eine Klassenstufe vorher nicht so sichtbar ist: In diesem Alter - die meisten sind um 15, 16 Jahre - beginnt sich das männliche Profil, eine männliche Kontur und Kultur zu zeigen. Einige beginnen, sehr bewusst ihren Raum einzunehmen, und sei es auch nur die Art, wie sie auf ihrem Stuhl sitzen, sie zeigen Präsenz, unterlassen kindische Störungen und zeigen schon etwas, was man als männliche Würde bezeichnen kann; das zeigt sich auch in ihrem Verhalten gegenüber ihrem Lehrer, dem sie mit Respekt begegnen; denn natürlich zeigen sie ihm gegenüber, was sie sich selbst gegenüber auch haben.

Das heißt nicht, dass sie nicht auch albern sein können oder von Herzen lachen.

Und da sind andere junge Männer, die in der Stunde schwatzen, schwatzen wie ein Waschweib, den Mund nicht halten können und, verglichen mit den anderen, kein inneres Korsett haben, keine innere Stütze. In ihrem Schwatzen und Tuscheln, in ihrem Abtauchen und Sich-Verstecken wirken sie wie das Kontrastprogramm zu den anderen. Sie können nicht an sich halten, sie müssen alles sofort in die Welt hinausposaunen, sie halten keine Spannung aus. Vielleicht mag es so sein, dass ihre Sexualität ähnliche Züge tragen wird.

Warum ist das so?

* Ein Grund kann ein überstarker Vater sein. Der allwissende Vater - wenn sie Pech haben ist er noch Lehrer oder Psychologe - weiß alles, was sie tun. Allwissend nimmt er vorweg, was sie selbst gerne tun würden und versteht sie.

Es gibt ein Verstehen, das eine Form von demütigender Entwaffnung ist; der allwissende Vater praktiziert das mit seinem Jungen. Solch ein Junge kann an der Seite dieses Vaters kein Mann werden. Solch ein Vater lässt auch keinen anderen Mann an seiner Seite zu. Er entmündigt alle, er ist der dominante Mund, der Vor-Mund; meist betrifft das auch das Verhältnis zu seiner Frau. Da der Sohn vom Vater den Umgang mit dem Weiblichen lernt, geht oft auch der Sohn vergleichbar mit der oder den Frauen in seinem Leben um: Entweder spielt er den Patriarchen oder er ist der ewige Sohn, wenn er auch nach außen anderes vorgibt.

** Ein Grund kann auch ein unmännlicher Vater sein.
Mein Vater war so; er hat sich hinter Gott versteckt; in den hat er projiziert, was er selbst nicht hatte, nicht leben konnte. Manchmal hätte ich erwartet, dass mein Vater Stellung bezieht, auch gegen meine Mutter, ja, dass er ihr Einhalt gebietet, wenn sie wieder ihre Launen auslebte. Doch mein Vater schwieg. Er hielt sich lieber raus. Stattdessen betete er um Frieden. Lieber sah er, dass seine Kinder leiden, sein Sohn leidet, als dass er einen Streit mit meiner Mutter riskiert, den scheinbaren Unfrieden; dabei gab es keinen Frieden. Wo das Männliche, wo der Mann, wo der Vater so kuscht, wird die Mutter, die Frau zum Drachen, zur Hyäne.
Auch mein Vater hatte eben sein Elternhaus, das ihn lieber den Schwanz einklemmen ließ, als ein Rückgrat zu zeigen, das er nicht hatte ... Heute denke ich, Rückgrat kann man lernen. Als Kind hätte ich es gebraucht, einen Vater zu haben, der bereit ist, Rückgrat zu lernen oder sein verkrümmtes aufzurichten. Kinder erwarten das von ihren Vätern - und Söhne brauchen das für ihre Entwicklung: Einen Vater, der ihnen zeigt, was das ist: Rückgrat.

Vor einigen Jahren saß ein junger Mann in einem Kurs, auf etwas proletenhafte Weise machte er die jungen Damen des Kurses an, die sich auf seine Spiele einließen. Zum Teil hing er wie ein Schluck Wasser in seinem Stuhl, flötzte sich hin, dass man meinen musste, er würde gleich vom Stuhl rutschen und wenn es ihm passte, warf er eine Bemerkung in den Raum, die meist den Unterrichtsverlauf störte.

Interessant war, dass ihn die Mehrheit der jungen Damen völlig ignorierte, ja viele sahen bewusst möglichst nicht in seine Richtung. Seine Stillosigkeit war ihnen zuwider. Sie spürten, dass er kein Rückgrat hatte, ja gar nicht wusste, was das ist, dass dieser junge Mann genau also das nicht entwickelte, was er durch sein prolihaftes Verhalten suggerieren wollte: Männlichkeit. Er zerfloss auf seinem Stuhl, war völlig konturlos und ebenfalls nicht in der Lage zu warten, bis es für ihn an der Zeit war, etwas zu sagen. Interessant ist und kein Zufall war, dass er oft in der Trainingshose in die Schule kam.

Es ist wichtig, dass man diese Dinge anspricht, ohne zu verletzen, denn:

Unserer Gesellschaft fehlt es an Männlichkeit.

An der Würde des Männlichen.

Viel liegt an der Unmännlichkeit der Vätergeneration.

Kein Wunder, dass unsere Gesellschaft auf Zerrbilder des Männlichen hereinfällt.

Oft auf eine phallische Männlichkeit, die in nichts einer gestelzten Weiblichkeit nachsteht.

Es sind die Hähne, die ihr großes Kikeriki verkünden, nur beachten die Menschen zu wenig, dass sie immer auf dem Mist stehen. Unter Politikern findet man einige. Unter Lehrern. Unter Psychologen. Unter Fernsehleuten. Unter Ärzten.
Eben überall.

Schlimm nur, dass Jugendliche damit aufwachsen und ihnen das zum Vorbild wird.

Ich wundere mich und bin zugleich erfreut, dass einige dennoch normal und überzeugend männlich werden.