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Dienstag, 26. August 2008

Hans im Glück: Gold verloren, HerzSonne gewonnen!

Hans hatte sieben Jahre bei seinem Herrn gedient, da sprach er zu ihm 'Herr, meine Zeit ist herum, nun wollte ich gerne wieder heim zu meiner Mutter, gebt mir meinen Lohn.' Der Herr antwortete 'du hast mir treu und ehrlich gedient, wie der Dienst war, so soll der Lohn sein,' und gab ihm ein Stück Gold, das so groß als Hansens Kopf war. Hans zog ein Tüchlein aus der Tasche, wickelte den Klumpen hinein, setzte ihn auf die Schulter und machte sich auf den Weg nach Haus. Wie er so dahinging und immer ein Bein vor das andere setzte, kam ihm ein Reiter in die Augen, der frisch und fröhlich auf einem muntern Pferd vorbeitrabte. 'Ach,' sprach Hans ganz laut, 'was ist das Reiten ein schönes Ding! da sitzt einer wie auf einem Stuhl, stößt sich an keinen Stein, spart die Schuh, und kommt fort, er weiß nicht wie.' Der Reiter, der das gehört hatte, hielt an und rief 'ei, Hans, warum laufst du auch zu Fuß?' 'Ich muß ja wohl,' antwortete er, 'da habe ich einen Klumpen heim zu tragen: es ist zwar Gold, aber ich kann den Kopf dabei nicht gerad halten, auch drückt mirs auf die Schulter.' 'Weißt du was,' sagte der Reiter, 'wir wollen tauschen […] 
wer das ganze Märchen lesen möchte: hier

Auf den ersten Blick versteht dieses Märchen niemand so recht. Da bekommt Hans für seine treue und ehrliche Arbeit den gerechten Lohn; auch ist respektvoll von dem Herrn die Rede, der weiß, was er tut. Er ist nicht einem bösen König oder Stiefvater vergleichbar. Er gibt Hans sehr bewusst Gold, Gold, das Hans verdient hat. Für Goethe, der wie kein anderer um die Bedeutung der Symbole wusste, stand Gold für Ganzheit. Gold kommt dem Stein der Weisen gleich, Gold steht für die Sonne, für höchste Erfüllung, für Glück schlechthin. Das Goldene Vlies ist der kostbarste Schatz des Altertums, golden ist das Urei, aus dem Brahman, der Vater der Welt entsteigt, Gold: mehr geht nicht! Mehr geht nicht? Wie kann dieses Märchen Hans am Schluss glücklich sein lassen, wenn er Zug um Zug Minderwertigeres eintauscht: für das Gold ein Pferd, für das Pferd eine Kuh, für die Kuh ein Schwein, für das Schwein eine Gans, für die Gans einen Wetzstein (schadhaft noch dazu), zu dem Wetzstein wird ihm noch wie zum Hohn ein Feldstein geschenkt. Beide Steine fallen schlussendlich noch auf Grund einer Unachtsamkeit von Hans in einen Feldbrunnen, auf dessen Rand er sie gelegt hatte, damit er sie nicht beschädige … ! Nun hat er nichts mehr! Und dennoch leuchten seine Augen vor Freude, er dankt Gott und wir hören ihn rufen:
'So glücklich wie ich […] gibt es keinen Menschen unter der Sonne.'
Es gibt Märchen, die erzählen den Weg des Menschen hin zu diesem Gold. Unser Märchen jedoch setzt ein, als Hans auf einem goldenen Höhepunkt sich befindet. Wie bei den olympischen Spielen erhält er den goldenen Lohn. Höher hinauf geht es nicht. Halten wir fest, dass wir diesen Zustand und diesen Lohn nur allen wünschen können, auch Hans ist glücklich! Doch stellt sich heraus: Kopf oder Gold! Beides zusammen geht nicht! Das Gold zwingt den Kopf zur Seite. So lässt sich nicht gehen, nicht leben. Das Gold würde gerade anstelle des Kopfes passen, ist doch der Klumpen genauso groß, aber was soll der Schmarrn?! Das geht wohl nicht … Doch was auch immer Hans auf seinem Weg nach Hause eintauscht: letztendlich ist er mit nichts glücklich, nur springt ins Auge: Immer ist Hans dankbar, dass sich eine neue Möglichkeit ergibt. Nachdem die Kuh ihn getreten hat, ist er dankbar, dass ein Schwein kommt; weil aber ein Schwein in der Gegend geklaut worden sein soll, ist er froh, dass er eine Gans eintauschen kann. Was auffällt: Eigentlich sollte es doch das Ziel menschlichen Strebens sein, alles zu veredeln; das war doch Hans mit dem Gold gelungen. Und nun wird alles wieder grober. Am Schluss besitzt er Steine! Im Grunde wertlose Steine. Was aber zugleich auch auffällt: Je näher Hans der Heimat kommt, je näher er der Mutter kommt, desto fröhlicher wird er. Immer wertloser wird, was er im Außen besitzt, immer leichter und freier wird sein Herz – immer wieder wird das betont, immer mehr Freude kommt in ihm auf. Was bedeutet das? Hans ist zunächst Goldmedaillengewinner, aber dieses Gold ist außen, es ist nicht wirklich in sein Wesen integriert. Auf seinem Weg zurück aber integriert es sich immer mehr, denn: Hans hat immer mehr die Sonne, immer mehr Gold im Herzen! Es strahlt nach außen. Hans kann seine Freude nicht verbergen! Das äußere Kapital reduziert sich, das innere wächst und wächst.
Die Steine gibt er ungewollt gewollt Mutter Erde zurück. Sie fallen sogar in einen Brunnen. Sie fallen nicht nur auf die Erde, sie fallen in die Erde, in einen Feldbrunnen; so sind die Steine der Tiefe der Erde zurückgegeben. Während Hans von der Goldhöhe zurückkehrt zu seiner Mutter - und seine Mutter ist hier zugleich Mutter Erde – verwandelt sich das Gold. Im Außen scheint es so, als verliere er allen Wert. In Wahrheit aber wird Hans´ Herz frei; dieses innere Gold ist Freude pur, ist Dank, den Hans zunehmend äußert. Er kann seine innere Sonne nicht mehr verbergen; sie strahlt, Hans strahlt. Dieses innere Gold, seine HerzSonne bringt er seiner Mutter. Das ist unsere Aufgabe: den Himmel, das Gold auf die Erde zu bringen, zu unserer Mutter! Deshalb müssen in Platons Höhlengleichnis die Menschen, die die Höhle verlassen und zum Bewusstsein der Sonne gelangen, wieder zurückkehren. Das Sonnenbewusstsein will sich mit der Erde vereinen. Deshalb ist in alten Schriften von der Hochzeit von Himmel und Erde die Rede! Deshalb auch lautet der letzte Satz dieses Märchens:
Mit leichtem Herzen und frei von aller Last sprang er nun fort,
bis er daheim bei seiner Mutter war.
Wir kennen Menschen, die wissen unglaublich viel darüber, wie man zu leben hat, wie man mit Gefühlen umgeht, über yin und yang und pi-pa-po. Aber es kommt nichts wirklich rüber; das, was sie wissen, ist in Wahrheit nicht in ihnen. Die ganze Sonne ist im außen, sie reden dauernd über Gold, auch über ihr Gold, aber es ist noch kaltes Gold, es ist ein Ausstellungsstück.
Wer die Sonne, das Gold in sich hat, spricht nicht mehr so viel darüber, denn seine Zeit gilt auch der Freude, der Fülle, der Dankbarkeit.
Das Gold in uns ist warm. Dieses Gold kann fließen und es ist unerschöpflich.
Das zeigt das Märchen von Hans im Glück.