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Sonntag, 26. Oktober 2008

Von den Wirklichkeiten des Wassers: Der Kranke am Teich Bethesda - das sind auch wir!

Es gibt in der Bibel eine Geschichte, die hat mich in meiner Kindheit unglaublich beschäftigt. Sie erzählt von einem Mann, der an einer Zisterne in Jerusalem, der Heilkräfte zugesprochen wurde, viele Jahre lang lag. Im 5. Kapitel des Johannesevangeliums findet sich folgender Text: 


Danach war ein Fest der Juden, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. Es ist aber in Jerusalem beim Schaftor ein Teich, der heißt auf Hebräisch Bethesda. Dort sind fünf Hallen; in denen lagen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte.
Es war aber dort ein Mensch, der lag achtunddreißig Jahre krank. Als Jesus den liegen sah und vernahm, dass er schon so lange gelegen hatte, spricht er zu ihm: Willst du gesund werden? Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein. Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin.

Was mir in meiner Kindheit unglaublich Kopfzerbrechen bereitete: Wie hätte der Mann es schaffen sollen, als Erster in den Teich zu gelangen, wenn das Wasser sich bewegt; denn nur dem Ersten wurde die Heilkraft zuteil. Für mich war klar, dass das Wasser von einem Engel berührt wurde. Wenn also jener Engel das Wasser berührte, wie hätte der Mann es anstellen können, so schnell hineinzugelangen? Ich stellte mir vor, dass er gleichsam auf der Kante des Beckenrandes lag und nur noch mit einer Körperdrehung hinein hätte rollen müssen. Aber wenn er gerade vor Erschöpfung schlief? Wenn ein an den Gelenken Gesunder natürlich doch wieder schneller war? Wenn er mehrfach nur um eine Zehntelsekunde zu spät kam? War das nicht zum Verzweifeln? Hatte er nicht in Wirklichkeit gar keine Chance? Für mich war der Gedanke schrecklich. 
Zugleich war mein Herz voller Ruhe und Zuversicht, dass es so etwas wie diesen Teich gab.
Für mich war er eine Oase der Hoffnung. Ich wusste genau, wie dieser Teich aussah. Immer wieder kreisten meine Gedanken um sein Wasser und diesen Namen: Bethesda. Heute weiß ich, dass er wohl Haus der Gnade bedeutet.
Eigentlich ein Hohn für einen, der 38 Jahre dort liegt.
Doch die Bibel macht auf erschreckende Weise deutlich, warum er so lange dort liegt: Bekanntlich heilt ihn Jesus: Steh auf, nimm Dein Bett und geh heim! Das tut er, doch die Juden sehen ihn am Sabbat sein Bett tragen und stellen ihn zur Rede. Der Mann allerdings, nicht faul, redet sich heraus und sagt: Da war einer, der hieß mich mein Bett nehmen. Auf die Nachfrage der Juden jedoch kennt er den Namen seines Retters nicht. Kurze Zeit später sieht ihn Jesus im Tempel und ermahnt ihn: Sündige nicht mehr, auf dass Dir nicht Schlimmeres widerfahre. Unglaublich ist dann, was der Mann macht: Es ist von Dank nicht die Rede, er nimmt sich auch Jesu Worte nicht zu Herzen, denkt nicht über das nach, worauf Jesus sich bezieht, wenn er von seinen Sünden als dem Grund seiner Krankheit spricht. Er denkt auch nicht über die Mahnung nach, was mit dem Schlimmeren gemeint sein könnte. Was macht er? Er geht zu den Juden, und da er nun um den Namen von Jesus weiß, verpfeift er ihn bei jenen! Wir brauchen uns nicht auszumalen, was in der Folge Schlimmeres auf ihn zukam. Wichtiger ist, dass nun klar ist, warum der Mann 38 Jahre am Teich lag und nun doch wieder dort bzw. an einer vergleichbaren Stätte liegen wird ... sein Inneres war nicht in der Lage, die Heilung anzunehmen. Der Heiland war ihm nur außen begegnet, aber noch nicht in seinem Inneren; sonst hätte er ihn als seinen HEILER erkannt, innere Heilung erfahren - und vor allem: Er wäre dankbar für sie gewesen.
Im Grunde lässt uns die Bibel wissen: Wundert euch nicht, wenn jemand 38 Jahre lang leidet. Womöglich ist selbst ein Leben zu kurz, um jene Kräfte in ihm freizusetzen, die Heilung dauerhaft bewirken können.
Heute während einer sonntäglichen Radtour fiel mir ein, dass es sich mit dem Kranken verhalten könnte wie mit dem Mann vom Land in der Türhüterlegende:
Dieser Mann sitzt ja ein Leben lang vor einer Tür und kommt nicht hinein, ein Türhüter lässt ihn nicht durch. Kurz vor seinem Tod fällt ihm auf einmal auf, dass außer ihm nie jemand Einlass begehrte und er fragt den Türhüter, warum das so sei; jener aber antwortet: Diese Tür war nur für dich bestimmt, ich gehe jetzt und schließe sie!

Könnte es nicht sein, dass auch jeder von uns seinen Teich zu Bethesda hat?
Dass wir immer wieder im Leben die Möglichkeit haben, in sein Wasser zu springen?
Und ist es nicht so, dass wir uns zieren wie eine Diva, weil es zu kalt ist, weil wir kein Handtuch dabei haben, weil wir nicht wissen, ob das Wasser wirklich gechlort ist, weil ... weil ... weil ...
Und was macht uns so sicher, dass, wenn JESUS vorbeikommen sollte, wir ihn nicht genauso verpfeifen ...