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Sonntag, 6. Juni 2010

Über den Segen des Todes - es gibt den Tod, solange die Menschen ihn umbringen wollen!

Ich könnte auch schreiben:
Es gibt ihn, solange die Menschen seiner bedürfen.

Zeit heilt Wunden, pflegt man zu sagen. Und wer ein großes Unglück erlebt hat, weiß dankbar zu schätzen, dass in der Tat der zeitliche Abstand zu jenem schmerzvollen Geschehen zur Linderung der Schmerzen beiträgt.

Wenn man es genauer formulieren würde, müsste man schreiben:
Schlaf heilt Wunden.

Unsere Erfahrungen in Bezug auf körperliche Schmerzen zeigen uns, was wir für den seelischen oft schwerer nachvollziehen können:
Wer einmal einen Zahn gezogen bekam oder operiert wurde und Schmerzen hat, weiß, wie dankbar man fürs Einschlafen ist, denn meistens, wenn man aufwacht, ist der Schmerz geringer.
Unsere Wunden heilen, wenn die Helfer des Unbewussten ohne Einwirkung des Verstandes ihre Arbeit leisten können.
Wie dankbar sind wir manchmal schon gewesen, wenn wir einschlafen durften.

Das Einschlafen aber ist der kleine Bruder des Todes.
Warum sind wir nicht dankbar auch für ihn?
Die Antwort ist bekanntlich einfach:
In Bezug auf das Einschlafen haben wir ein Bewusstsein davon, dass wir wieder aufwachen werden - genau an der Stelle, an der wir eingeschlafen sind.
Deshalb macht uns das Einschlafen keinen Kummer.
Dieses Bewusstsein aber haben wir von dem Tod nicht.

Viele Menschen unseres Kulturkreises haben kein Bewusstsein davon, dass sie wieder aufwachen werden als Mensch mit Fleisch und Blut. Sie denken, der Tod sei etwas Endgültiges. Jedenfalls hat sich dieses Denken erfolgreich durchgesetzt und maßgeblich beigetragen dazu hat die römische Kirche, indem sie radikal allen abweichenden "Tendenzen mit dem Beschluss des Konzils zu Konstantinopel 553 unter Kaiser JustinianI. offiziell ein Ende (setzte). Darin wurde festgelegt:

´Wer eine fabelhafte Präexistenz der Seele lehrt, der sei verflucht.´ {...} Das hinderte aber nicht, dass sich einzelne immer wieder zu der verbotenen Idee bekannten, ja dass selbst Dante die Wiederverkörperung unter besonderen Umständen für möglich hielt."
(aus J. Hemleben: "Jenseits. Ideen der Menschheit über das Leben nach dem Tod")

Seit dem Konzilsbeschluss jedenfalls glauben die meisten das, was sie glauben sollen. Doch ist die Liste der Menschen im deutschen Sprachraum lang, die sich trotz angedrohter Verfluchung - antichristlicher kann eine Kirchenführung kaum formulieren - nie davon abhalten ließen, an die Wiederkehr der Seele zu glauben, und das, obwohl sich deren Gegner nach Kräften bemühten und bemühen, die Befürworter zu verunglimpfen. 
Zu denen, die sich nicht beirren ließen. gehören Goethe, Wilhelm Busch, Heinrich Heine, Lessing, Novalis, Kant, Kleist, Schiller und andere mehr.
Im Übrigen weisen die bei uns vorhandenen Bilder wie die des Sensenmannes und des Schnitters - so gruselig sie fälschlicherweise auf uns wirken - darauf hin, dass unsere Leben wie auch das Getreide geschnitten werden, dass aber im nächsten Jahr, je nachdem, wie wir gesät haben, neue Ähren sich zeigen werden.
Gäbe es eine Ernte ohne den Schnitter? Ohne die Sense?
Auch im Winter scheint die Natur tot. Dabei erholt sie sich nur.

Eigentlich dürfen wir dem "Tod" dankbar sein.
Anstatt ihn um die Ecke bringen oder diskriminieren zu wollen, sollten wir ihn feiern.
Schließlich liegt es an uns, ob und wie viel wir ernten.

Wir bedürfen nach einem Leben der Erholung. Nur scheinbar sind wir tot, denn wir setzen unser Leben nur auf einer immateriellen Ebene fort. Und manche, die glauben, es käme der Himmel, werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass sie genau das Bewusstsein mitnehmen, das sie hier auf der Erde hatten.
Es kann sein, dass ihr Bewusstsein nicht reicht, um im Leben nach dem Leben dies überhaupt zu bemerken.
Lebten sie bewusst-los, sind sie auch tot im Tod; genau das ist die Hölle. Sie ist nichts anderes als ein schrecklicher Grauzustand der Seele.
Es ist, wie wenn jemand durch die Nacht tappt und nichts sieht.
Aber auch hier gibt es Abstufungen - die christliche Mystik unterscheidet nicht von ungefähr zwischen Hölle und Fegefeuer -, so wie es nicht nur einen Himmel gibt, sondern sieben. Und auch diese sind jeweils siebenfach unterteilt.
Ich vermute, wir wären erstaunt, wenn wir wüssten, wie viele Seelen sich an dem Ort. den wir Hölle nennen, befinden, die hier berühmte Entertainer, Stars, Politiker und Kardinäle waren.

Als meine Mutter nach langem Leiden starb, habe ich mich gefreut, dass sie sterben durfte. Wie wir aus der ein oder anderen Kultur wissen, dass Menschen anlässlich des Todes weiße Kleider anziehen, so hätte ich das am liebsten auch getan als Ausdruck der Freude, dass meine Mutter sich nun erholen darf.
Am liebsten hätte ich auch den pflichtgemäß Trauernden und den künstlich Zerknitterten gesagt: Ihr dürft euch freuen. Meine Mutter schläft; und dieser Schlaf ist ihr großer Wohltäter.

PS: Vielleicht ist es bezeichnend, dass wir in unserem Kulturkreis glauben, der Tod sei männlich.
Vielleicht ist er, der Tod, in Wahrheit eine liebevolle Frau und vielleicht leidet sie vor allem unter der Ablehnung und dem Hass der Menschen.

Und dennoch tut sie in Liebe ihre Pflicht.

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